Seite 51 - PERSONALquarterly_2012_04

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I
n der Personalauswahl verläuft der Informationsaustausch
zwischen Bewerbern und Arbeitgebern nicht immer ehr-
lich, weil häufig die jeweiligen Ziele nicht übereinstimmen.
Arbeitgeber wollen die wahren Fähigkeiten des Bewerbers
feststellen; dieser möchte sich hingegen möglichst positiv dar-
stellen. Zudem reagieren beide Parteien auf ihr gegenseitiges
Verhalten. Bewerber versuchen im Gespräch die Auswahlkrite-
rien der Firma zu ermitteln und entsprechend zu antworten. Tritt
solches Verhalten häufiger auf, werden Personalverantwortliche
versuchen, Rückschlüsse auf das wahre Verhalten der Bewerber
zu ziehen. Dies wiederumwird Bewerber zu noch ausgefeilterem
Verhalten im Interview antreiben – das gegenseitige Vertrau-
en sinkt weiter. Ein ehrlicher Informationsaustausch ist aber
wichtig, um eine gute Auswahlentscheidungen zu treffen. Wie
kann das Dilemma der unterschiedlichen Motive gelöst wer-
den? Zur Beantwortung dieser Frage wenden die Autoren die
Signaltheo­rie auf die Personalauswahl an. Signaltheoretisch
gesehen senden Bewerber und Personalverantwortliche in ih-
rer Interaktion Signale, die mit nicht sichtbaren Eigenschaften
des jeweiligen Senders zusammenhängen; z. B. sendet ein Be-
werber anhand seiner spezifischen Qualifikation das Signal,
für ein Unternehmen besonders geeignet zu sein. Trifft das Un-
ternehmen aufgrund dessen eine Einstellungsentscheidung,
Die Lernfähigkeiten umfassen die Bereitschaft zum Lernen,
emotionale Intelligenz und Anpassungsfähigkeit, während per-
sönlicher Drang die Ergebnisorientierung, Beharrlichkeit und
das Engagement enthält. Zur wachsenden Führung gehören
die Motivation zu führen, Selbstdarstellung und Einfühlungs-
vermögen. Die Studie entwickelt nicht nur dieses Modell zur
Identifikation von Führungspotenzial und zeigt auf, wie dieses
Potenzial erfasst werden kann, sondern testet auch – anhand
einer Befragung von Topmanagern, Linienmanagern und Per-
sonalverantwortlichen – die praktische Relevanz und Umsetz-
barkeit des Modells im unternehmerischen Alltag. Die Autoren
geben zudem einen Katalog für die Praxis an, wie die genann-
ten Faktoren innerhalb der Quadranten gemessen werden kön-
nen, um das Führungspotenzial von (jungen) Führungskräften
ist dies ein Signal für zukünftige Bewerber, die sich dann um
eine entsprechende Qualifikation bemühen werden.
Personalauswahl-Signalsysteme können im Gleichgewicht
sein (z. B. wenn Bewerber aufgrund ihrer Berufsausbildung
ausgewählt werden, sodass künftige Bewerber wiederum diese
Ausbildung anstreben usw.). Sie können aber auch aus dem
Gleichgewicht geraten oder eskalieren, z. B. bei Einstellungsin-
terviews: Bewerber können sich mittels Ratgeberliteratur vor-
bereiten und das erzählen, was der Personalverantwortliche
hören will. Folglich werden Interviewleitfäden und Bewer-
tungskriterien der Organisation angepasst; was sich schnell in
neuen Ratgebern wiederfindet, sodass Bewerber sich noch bes-
ser (unehrlich) positiv selbst darstellen können. Ein ehrlicher
Informationsaustausch im Personalauswahlprozess wird nur
dann möglich, wenn Bewerbersignale, die zur Auswahl führen,
kostenintensiv (z. B. eine bestimmte Ausbildung) oder schwer
vorzutäuschen sind (z. B. Arbeitsproben).
Als praktische Implikation diskutieren die Autoren u. a. die
kritische Rolle von Vertrauen als zentralem Mechanismus für
den Informationsaustausch. Ohne Vertrauen ist keine Koope-
ration möglich, weil Bewerber und Personalverantwortliche
befürchten müssen, ausgenutzt oder getäuscht zu werden. Alle
Akteure sollten für die Bedeutsamkeit von Vertrauen sensi-
bilisiert werden und kooperatives Verhalten anstreben. Dazu
gehört z. B. auch der Verzicht auf konfliktlastige Begriffe wie
den „War for Talent“. Organisationen sollten ein gutes Image
auf dem Stellenmarkt pflegen; gleichzeitig sollten sie möglichst
täuschungsresistente Auswahlmethoden und Einstellungskri-
terien anwenden, um nicht blind zu vertrauen.
Besprochen von
Dr. rer. nat. Nale Lehmann-Willenbrock
, Vrije
Universiteit Amsterdam, Department of Social and Organizatio-
nal Psychology
Ehrliche Informationen bei
der Personalauswahl
Adrian Bangerter, Nicolas Roulin
(Universität Neuchâtel) &
Cornelius J. König
(Universität des Saarlandes): “Personnel
selection as a signaling game”. Journal of Applied Psychology,
97, (2012), 719-738.
zu identifizieren. Besonders positiv fällt dabei auf, dass dieses
vorgeschlagene Modell von den klassischen Determinanten
zur Identifikation von Führungspotenzial (reine Messung der
Intelligenz, der Leistung oder die rückblickende Betrachtung
von Führungserfolg) abweicht und sich damit eindeutig der
Problematik zur Erkennung von Potenzial zuwendet. Gleicher-
maßen besteht offensichtlich ein Konsens unter den befragten
Teilnehmern darüber, dass die erwähnten Komponenten der
vier Modellquadranten wichtige Faktoren zur Identifikation
von Potenzial und damit für den zu erwartenden Führungser-
folg sind.
Besprochen von
Marius Wehner
, Personalmanagement, Mittel-
stand und Entrepreneurship, Justus-Liebig-Universität Gießen