Seite 50 - PERSONALquarterly_2012_04

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_Rezensionen
personalquarterly 04/ 12
L
aut ökonomischer Theorie gilt, dass Mitarbeiter mehr
Arbeitseinsatz leisten, wenn man ihnen höhere Löhne
bezahlt. Hierbei spricht man von positiver Reziprozi-
tät, bei der Mitarbeiter faire Bezahlung mit erhöhter
Arbeitsanstrengung honorieren. Diese sogenannte „fair-wage-
effort“-Hypothese wurde von vielen Ökonomen bereits in La-
bor- und Feldexperimenten untersucht. Die Ergebnisse sind
allerdings nicht eindeutig. Zwar wird ein höherer Lohn oft mit
mehr Arbeitseinsatz erwidert, doch ist dieser Anstieg häufig
nur sehr moderat.
Die Wirtschaftsforscher Sebastian Kube, Michel André Maré-
chal und Clemens Puppe gehen in ihrer aktuellen Studie den
Wirkungsmechanismen der positiven Reziprozität näher auf
den Grund. Dazu führten sie ein kontrolliertes Feldexperiment
durch, bei dem sie einen Gelegenheitsjob in einer Bibliothek
anboten. Die Aufgabe der rekrutierten Arbeitnehmer in der
Basisgruppe war es, drei Stunden lang Bücher für einen Stun-
denlohn von 12 EUR digital zu katalogisieren. In einer ersten
Untersuchungsgruppe wurde den Beschäftigten vor Arbeits-
antritt mitgeteilt, dass sie einen 20 % höheren Lohn als die ur-
sprünglich vereinbarten 12 EUR erhalten werden. Der erhoffte
Effekt der positiven Reziprozität blieb allerdings aus. Trotz des
höheren Stundenlohns wurden genauso viele Bücher katalogi-
siert wie in der Basisgruppe, die nur 12 EUR als Stundenlohn
erhielt. In einer zweiten Untersuchungsgruppe bekamen die
Arbeitnehmer anstatt eines Lohnanstiegs ein nicht-monetäres
Geschenk in Form einer Thermosflasche, die in Geschenkpa-
pier verpackt war. Diese wurde vor dem Arbeitsantritt ausge-
händigt und war im Geldwert äquivalent zum Lohnanstieg der
ersten Untersuchungsgruppe (ca. 7 EUR). Im Vergleich zur
Basisgruppe führte diese Vergütungsform zu einem signifi-
kanten Leistungsanstieg. Es wurden rund 25 % mehr Bücher
katalogisiert. Um die Ergebnisse zu überprüfen, führten die
Forscher Kontrolluntersuchungen durch. Einer Kontrollgrup-
pe wurde der Wert der Thermosflasche mitgeteilt, um falsche
Vorstellungen über den Geldwert zu vermeiden. Hierbei blieb
der positive Effekt des nicht-monetären Anreizes robust. Einer
anderen Kontrollgruppe wurde angeboten, zwischen der Ther-
mosflasche und der Gehaltserhöhung von 7 EUR zu wählen.
Hierbei entschieden sich die meisten Arbeitnehmer zwar für
das Bargeld, die Arbeitsleistung jedoch war genauso hoch wie
Mehr Leistung durch nicht-
monetäre Geschenke
Sebastian Kube
(Universität Bonn),
Michel André Maréchal
(Universität Zürich),
Clemens Puppe
(Karlsruhe Institute of
Technology). „The Currency of Reciprocity: Gift Exchange in the
Workplace.“ American Economic Review 2012, 102(4): 1644-
1662.
S
eit über zwei Jahrzehnten beschäftigt sich die Per-
sonalforschung damit, erfolgreiche Führung und
Führungsstile zu identifizieren. Diese Fragestellung
ist mithin für jedes Unternehmen von besonderer
Bedeutung, da Führung auch wesentlich zum Erfolg einer
Organisation beiträgt. Dennoch fällt es vielen Unternehmen
schwer, objektive Methoden zur Evaluation und frühzeitigen
Identifizierung von Führungspotenzial, insbesondere bei jun-
gen Nachwuchskräften, zu entwickeln und zu implementieren.
Vor allem die trennscharfe Unterscheidung zwischen Potenzial
und Leistung bzw. zwischen Führungspotenzial und erfolg-
reicher, bewährter Führung ist in diesem Zusammenhang für
viele Unternehmen schwierig. Aus diesem Grund haben Nicky
Dries und Roland Pepermans ein Modell zur Identifikation von
Führungspotenzial entwickelt, das sich von bisherigen Model-
len unterscheidet, da es losgelöst von der Leistung oder dem
Erfolg von bisheriger Führung ist. Das Modell besteht grund-
sätzlich aus vier Quadranten: Analytische Fähigkeiten, Lern-
fähigkeiten, persönlicher Drang (engl. Drive) und wachsende
Führungsfähigkeit. Diese vier Quadranten umfassen selbst
wiederum einzelne Faktoren. Zu den analytischen Fähigkei-
ten zählen intellektuelle Neugierde, strategisches Verständnis,
Entscheidungsvermögen und Problemlösungsorientierung.
Führungspotenzial identifi-
zieren! Nur wie?
Nicky Dries
(Katholieke Universiteit Leuven) &
Roland Peper-
mans
(Vrije Universiteit Brussel). (2012). „How to Identify
Leadership Potential: Development and Testing of a Consensus
Model.“ Human Resource Management, Vol. 51, No. 3, 361-385.
in der zweiten Untersuchungsgruppe, welche die Thermosfla-
sche erhalten hat.
Die Autoren erklären die Ergebnisse ihrer Studie mit der Re-
densart „der Gedanke zählt“. Die Mühen des Arbeitgebers, ein
Geschenk zu besorgen und schön zu verpacken, werden dabei
wertgeschätzt und mit mehr Arbeitsanstrengung honoriert.
Schlichte Gehaltserhöhungen konnten diesen Effekt nicht auf-
weisen. Nicht-monetäre Aspekte der Entlohnung in der Arbeit-
geber- und Arbeitnehmerbeziehung scheinen also von großer
Bedeutung zu sein. Positive Reziprozität kann mit Geld allein
nicht induziert werden.
Besprochen von
Julian Conrads,
Seminar für ABWL, Unterneh-
mensentwicklung und Wirtschaftsethik, Universität zu Köln