Seite 33 - PERSONALquarterly_2012_04

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Abstract
Forschungsfrage:
Wie lassen sich in Restrukturierungsprojekten die auftretenden Interes-
sengegensätze zwischen den Betriebsparteien in Einklang mit dem Betriebsverfassungsge-
setz konstruktiv bewältigen?
Methodik:
Auf der Basis von über zehn Projekterfahrungen untersucht der Beitrag die
Ursachen für erfolgskritische Konflikte und erarbeitet ein Vorgehen zur Verbesserung des
Konfliktmanagements.
Praktische Implikationen:
Die Anwendung des beschriebenen Vorgehensmodells
(2C-Navigator) und dessen Verankerung im Projekt sichert eine durch die Betriebsparteien
gemeinsam getragene Umsetzung und damit den Erfolg von Restrukturierungsprojekten.
Ergebnis der Vermittlungsarbeit des Experten sind Betriebs-
vereinbarungen, die den Wandel flankieren: Der Arbeitgeber
verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen, die Betriebsräte
stimmen der Zentralisierung von Funktionen und der Bereini-
gung des Leistungsportfolios zu. Ergänzend wird die gemein-
same Erarbeitung eines innovativen Arbeitszeitmodells und
eines leistungsorientierten Vergütungssystems vereinbart.
Durch Fluktuation und sozialverträgliche Maßnahmen wird
die geplante Reduzierung der Belegschaft und die damit ver-
bundene Kostensenkung mühelos erreicht – später stellt sich
sogar heraus, dass zu ehrgeizig Personal abgebaut wurde. Das
Wandlungsprogramm tritt jetzt nach einer kurzen Mobilisie-
rungsphase in die Umsetzungsphase ein. Ohne weitere Blocka-
den kann es sodann erfolgreich realisiert werden.
Exemplarische Problemfelder und Fragestellungen
Vier Problemfelder und entsprechende Fragestellungen sind
exemplarisch zu erkennen:
1. Das Änderungsprojekt folgt nicht einem durchgängigen
Vorgehen, vom Projektanstoß bis zur erfolgreichen Umset-
zung. Die Frage lautet also: Wie kann ein standardisiertes,
systematisches Vorgehensmodell aussehen, das sämtliche
anfallenden Aufgaben eines Betriebsänderungsprojekts
transparent abdeckt?
2. Die Lösung der Sachfragen (sach-rationale Problemebene)
und die personalen und sozialen Fragen (sozio-emotionale
Problemebene) werden zeitlich und inhaltlich nicht mit-
einander verknüpft. Es dominiert die Erarbeitung eines
Sachkonzepts, hier, wie oft, durchgeführt durch Manage-
mentberater. Fast zwangsläufig treten im weiteren Verlauf
Konfliktpotenziale und Widerstände in Erscheinung. Als
Fragestellung wird deutlich: Wie sieht ein Vorgehensmo-
dell aus, das in integrierter Weise die Entwicklung eines
Sachkonzepts der Veränderung mit der Erarbeitung eines
Akzeptanzkonzepts verbindet?
3. Bei konfliktbelasteten Betriebsänderungen werden die Mit-
wirkungs- und Mitbestimmungsrechte nicht (ausreichend)
in den Projektablauf integriert. Sie brechen sich stattdessen
auf eruptive Weise im Verlauf des Projekts Bahn, wirken
blockierend und effizienzmindernd. Häufige Ursache hierfür
ist eine mangelhafte Information und Kommunikation. Da-
raus ergibt sich die dritte prozessbezogene Frage: Wie sieht
ein Vorgehensmodell aus, das in konstruktiver Form die
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer
an den dafür geeigneten Punkten verankert und eine durch-
gehende Information und Kommunikation sicherstellt?
4. Als Folge der prozessbezogenen Schwachstellen fehlt es
der Organisation von Änderungsprojekten an einer klar ge-
regelten Zuständigkeit für die Aufgaben des Konflikt- und
Mitbestimmungsmanagements. Zu klären ist also die orga-
nisatorische Frage: Welche Möglichkeiten gibt es, in einer
gegebenen Projektorganisation eine spezialisierte Position
für die Handhabung von Konflikten bei Betriebsänderungen
einzurichten und wer kommt – allgemein gesehen – für die
Besetzung einer solchen Stelle in Betracht?
Prozessualer Lösungsansatz
Als Grundlage des Vorgehens bei Betriebsänderungen wird
hier ein standardisiertes Vorgehensmodell, der sog. 2C-Navi-
gator, empfohlen (siehe Abb. 1 – 2C steht für „Change“ und
„Conflict“). Der Prozess der Betriebsänderung durchläuft da-
rin fünf Phasen. Jede Phase enthält Aufgaben zur Erarbeitung
des unternehmensbezogenen Sachkonzepts der Veränderung,
hier als Aufgaben des Wandlungsmanagements („Change“)
bezeichnet. Sie entsprechen in analoger Anwendung den
aus der Change-Management-Theorie bekannten Aufgaben
(Krüger, 2009, S. 45 ff.). Zusätzlich eingebaut sind nun die
jeweils erforderlichen Aufgaben der Identifikation, Analyse
und Bewältigung von interessenbezogenen Spannungen und
Gegensätzen.
Diese Aktivitäten, die zusammengefasst das Konfliktma-
nagement („Conflict“) bilden, richten sich auf die Erstellung
eines mitarbeiterbezogenen Akzeptanzkonzepts. Wandlungs-
management und Konfliktmanagement machen gemeinsam
den Wandlungsprozess aus. Dies allerdings erst, nachdem
auch noch die verschiedenen gesetzlich vorgesehenen Mitwir-
kungsrechte des Betriebsrats berücksichtigt wurden (Fitting
et al., 2010, S. 1703 ff.). Sie greifen als Mitbestimmungspro-
zess in den Wandlungsprozess ein und sind in der zweiten
Phase, der Konzipierung, verankert.