Seite 32 - PERSONALquarterly_2012_04

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Neue Forschung
_Konfliktmanagement
B
etriebsverfassungsgesetz und Mitbestimmungsgesetz
zeichnen dem Management sowie den Mitarbeiter-
vertretungen zwar vielfältige Wege und Prozeduren
zur Interessenwahrung und Konfliktbewältigung bei
Betriebsänderungen vor (Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
und Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG); (Fitting et al., 2010,
S. 55 ff.)). Die Praxis in Betrieb und Unternehmen zeigt aber
immer wieder, dass es den Beteiligten nicht gelingt, zu einer
konstruktiven Problembewältigung zu kommen. Nicht selten
wird der Konflikt sogar nach außen getragen. Die interessierte
Öffentlichkeit sieht dann z. B. professionelle Betriebsräte, die
ihre Standpunkte in Fernsehinterviews vertreten, und Werker,
die mit Trillerpfeifen und roten Fahnen vor den Werkstoren
demonstrieren oder Mahnwachen abhalten. Wo eigentlich ein
gut organisiertes Wandlungsprojekt ablaufen sollte, herrscht
ein kaum zu kontrollierender Ausnahmezustand, dessen Fol-
gen weit über das einzelne Projekt hinausreichen (Drumm,
2008, S. 46).
Systematische empirische Erhebungen, die sich, beide Be-
triebsparteien erfassend, den Problemursachen und möglichen
Lösungskonzepten widmen könnten, sind auf diesem heiklen
mikropolitischen Terrain aus naheliegenden Gründen kaum
möglich. Wenn man allerdings – wie die Autoren dieses Bei-
trags – über Jahre hinweg in mehreren Projekten beratend
für beide Parteien in konfliktbelasteten Betriebsänderungspro-
jekten tätig war, baut sich umfangreiches Erfahrungswissen
auf, das hier stellvertretend zurate gezogen werden kann. Das
folgende anonymisierte Fallbeispiel nimmt daher für sich in
Anspruch, ein typisches Konflikt- und Problemmuster zu zei-
gen, wie wir es in über zehn Projekten in den letzten Jahren
erlebt haben.
Fallbeispiel: Konfliktbelastete Betriebsänderung
Nach Jahren der Stagnation und erodierenden Ergebnissen
wird eine tief greifende Restrukturierung des Geschäfts ge-
plant. Unter anderem sollen dezentrale Funktionen zentra-
lisiert, nicht mehr profitable Leistungen aufgegeben und
administrative Funktionen fremdvergeben werden. Eine nam-
hafte Unternehmensberatung durchleuchtet das gesamte Un-
ternehmen und identifiziert für den Fall der Durchführung
Von
Dr. Henrik Steinhaus
(excellence in change GmbH & Co. KG) und
Prof. (em.) Dr. Wilfried Krüger
(Justus-Liebig-Universität Gießen)
eines tief greifenden Wandlungsprogramms ein Einsparungs-
potenzial von ca. 30 % der Belegschaft in den von Verände-
rungen betroffenen Einheiten. Noch vor Abschluss der Planung
werden im Unternehmen die Restrukturierungsmaßnahmen
bekannt. Es kommt zu einem massiven Konflikt mit dem Be-
triebsrat und einer starken Verunsicherung der Belegschaft.
Statt Produktivitätsfortschritt kommt es aufgrund Verunsiche-
rung, wachsender Fehlzeiten, unkontrollierter Fluktuation und
Dienst nach Vorschrift zu Ineffizienzen auf einem nicht mehr
wettbewerbsfähigen Niveau.
Mit Bekanntwerden der Restrukturierungspläne stellt der
Betriebsrat jedes kooperative Verhalten ein. Notwendige
Überstunden werden nicht mehr genehmigt, notwendige Stel-
lenbesetzungen blockiert, und die Verhandlungen über be-
triebsändernde Maßnahmen ausgesetzt. Bereits bevor also in
die Umsetzung der erarbeiteten Pläne eingestiegen werden
kann, gibt es massive Widerstände und Akzeptanzprobleme
gegenüber dem Wandlungsprogramm.
Erst durch den Einsatz eines wirtschaftlichen Sachverstän-
digen wird schließlich die Wiederaufnahme der nach den
Mitbestimmungsgesetzen notwendigen Informations- und Be-
ratungsphasenmöglich. Gemeinsammit demSachverständigen
entwickelt der Betriebsrat Gegenvorschläge zu den vorgeschla-
genenMaßnahmen, die allerdings zunächst vollständig und oh-
ne Begründung von der eingeschalteten Managementberatung
abgelehnt werden. Nur durch die Vermittlung des Externen,
der sich durch seine Kompetenz in Mitbestimmungsprozes-
sen und sein betriebswirtschaftliches Wissen zunehmend zu
einem Konfliktmanager entwickelt, kommt es zu ernsthaften
Beratungsgesprächen über die Konzepte. Vorbedingung hier-
für war, dass er sich das Vertrauen beider Seiten erwarb. Letzt-
lich lenkt das Management des Unternehmens auf Basis der
Vermittlung ein und nimmt ernsthafte Verhandlungen mit dem
Betriebsrat auf. Dabei werden Fehler der Managementberater
in den Konzepten korrigiert und Einsparabsichten teilweise
reduziert. Aber letztlich finden die so geänderten Pläne die
Akzeptanz des Betriebsrats.
Abschließend wird an den möglichen Umsetzungsplänen des
für das Unternehmen nunmehr von beiden Seiten als notwen-
dig erachteten Wandels gearbeitet.
Konfliktmanagement bei Betriebsänderungen
– Mitbestimmung konstruktiv gestalten