personalquarterly 04 / 12
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Schwerpunkt
_evidence-based management
Existenz von HR-Praktiken zu fragen. Auf dieseWeise und unter
Einsatz entsprechender Analyseverfahren (Mehrebenenanaly-
sen) war es möglich, Mitarbeiter mit faktisch verschiedenen
Rahmenbedingungen innerhalb eines Unternehmens nicht in
einen Topf zu werfen. Ein weiteres wichtiges Kriterium, gene-
ralisierbare und damit belastbare Aussagen zu erhalten war,
dass die Arbeitsleistungen von Mitarbeitern unabhängig und
möglichst objektiv von deren Vorgesetzten beurteilt wurden. So
konnten Verzerrungen durch subjektive Selbsteinschätzungen
vermieden werden. Insgesamt wurden so 1.540 Mitarbeiter
aus 75 Unternehmenseinheiten von 20 Unternehmen verschie-
dener Branchen sowie deren 602 direkte Vorgesetzte mit ent-
sprechend aufeinander abgestimmten Erhebungsinstrumenten
befragt. Um eine möglichst gute Messqualität und Vergleich-
barkeit sowohl innerhalb als auch über die Stichprobe hinaus
zu erhalten, wurde der Fragebogen ausschließlich mit wissen-
schaftlich überprüften und erprobten Skalen konzipiert. Ge-
messen wurde neben soziodemografischen Variablen und den
bereits erwähnten in den Unternehmen genutzten Personalfüh-
rungsinstrumenten vor allem arbeitsrelevante Einstellungen
wie Arbeitszufriedenheit und -motivation, Unternehmensbin-
dung und tatsächliche Arbeitsleistungen sowie einige psycho-
logische Indikatoren.
Altersdifferenzierung – ein Wettbewerbsvorteil
Bereits die zu Beginn der Untersuchung ausgeführte Zusam-
menstellung des aktuell wissenschaftlich gesicherten Stands
der Dinge stellt einige althergebrachte Klischees – gerade von
Personalverantwortlichen – infrage: Das omnipräsente Defi-
zitmodell, das den Alterungsprozess von Menschen im Allge-
meinen und von Erwerbstätigen im Besonderen als generellen
Abbauprozess beschreibt, ist nicht haltbar. Die Analysen der
Daten der hier skizzierten Untersuchung zeigten insbesondere
zwei Dinge:
Unternehmen treiben den Alterungsprozess ihrer Mitarbei-
ter aktiv voran! Unternehmen setzen Personalführungsins
trumente mit dem Ziel ein, die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter
auf das Erreichen der Unternehmensziele auszurichten. Ein
Teil des genutzten Arsenals von Personalinstrumenten kommt
aber vorrangig jüngeren Mitarbeitern zugute. Insbesondere
solche HR-Praktiken, die auf die Förderung von Wissen, Fer-
tigkeiten und Fähigkeiten im Unternehmen ausgerichtet sind
(z. B. Personalauswahl, Aus- und Weiterbildungsangebote und
Vergütungsniveau) als auch solche, die die Motivation von
Mitarbeitern fördern sollen (z. B. Mitarbeiterbeurteilung, Be-
förderungsmöglichkeiten und variable Vergütung) kommen
älteren Mitarbeitern längst nicht mehr so häufig oder in dem
Maße zugute wie den jüngeren Kollegen. Ist ein Mitarbeiter
einmal jenseits der Mitte vierzig oder älter gibt es genannte
Förderungen nur noch erheblich seltener bzw. in geringerem
Umfang. Mit verheerenden Folgen für die subjektiven Perspek-
tiven. Ältere Mitarbeiter bekommen auf diese Weise subtil aber
nachhaltig mitgeteilt, dass für sie das „Ende der Fahnenstan-
ge“ im Erwerbsleben naht oder erreicht ist. Ein Rückzug mit
entsprechenden Folgen für Arbeitszufriedenheit und Unter-
nehmensbindung ist die Folge. Mit anderen Worten: Durch
die Reduktion bis hin zum faktischen Vorenthalten genannter
förderlicher Personalführungsinstrumente werden alternde
Mitarbeiter aktiv in den Rückzug auf ihr Altenteil gedrängt.
Auch „Alte“ wollen im Job noch wachsen
Das Spektrum der den Unternehmen zur Verfügung stehenden
HR-Praktiken, die den wirtschaftlichen Unternehmenserfolg
nachweislich fördern, lässt sich grundsätzlich in zwei Gruppen
unterteilen. Zum einen gibt es solche Instrumente, die auf die
Weiterentwicklung von Mitarbeitern ausgerichtet sind. Solche
wachstumsförderlichen HR-Praktiken, wie z. B. Aus- und Wei-
Abb. 2:
Die subjektive Zeitperspektive übersetzt
HR-Praktiken in Einstellungen der Mitarbeiter
Quelle: Korff et al., 2011
Quelle: Korff et al., 2012
Abb. 3:
HR-Praktiken wirken in Abhängigkeit des
Mitarbeiteralters