Seite 18 - PERSONALquarterly_2012_04

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personalquarterly 04 / 12
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Schwerpunkt
_evidence-based management
S
chenkt man dem gängigen Klischee Glauben, ist es nicht
gut bestellt um die Konkurrenzfähigkeit deutscher Wirt-
schaftsunternehmen, die durch den demografischen
Wandel – also den beschleunigten Alterungsprozess
der deutschen Bevölkerung und folglich ihrer Erwerbstätigen
– vor großen Problemen stehen. Nach Überzeugung der über-
wiegenden Zahl Personalverantwortlicher in deutschen Unter-
nehmen zeichnen sich ältere Mitarbeiter insbesondere durch
Defizite ihrer Flexibilität, Belastbarkeit, Lernfähigkeit und Lern-
bereitschaft aus (Boockmann/Zwick, 2004), was in der Folge
zu der sehr hohen Beliebtheit von Altersteilzeitprogrammen
(ATZ) bei Unternehmen und Mitarbeitern geführt hat. Dieser
„goldene Handschlag“ ist für viele Unternehmen aber in jün-
gerer Zeit, die durch einschlägige Arbeitsmarktveränderungen
mit Phänomenen wie Facharbeitermangel und „war for talents“,
spätestens jedoch seit Wegfall staatlicher Subventionen, kein
gangbarer Weg mehr. Ein schlichtes Ausmustern der aus Sicht
zahlreicher Personalverantwortlicher weniger produktiven, bei-
nahe leistungsgeminderten Senioren ist zu teuer und nicht mehr
zielführend; insbesondere bei einer Verschärfung der demogra-
fischen Gesamtsituation in greifbarer Zukunft.
Vor diesemHintergrund sahen sich einige Unternehmen ver-
schiedener Größenordnungen, Branchen und Unternehmens-
kulturen veranlasst, ein Forschungsprojekt
1
mit dem Ziel zu
initiieren, Lösungsansätze für ein Personalmanagement mit
praktisch umsetzbaren Handlungsoptionen zu generieren. Von
zentraler Bedeutung war hier vor allem, belastbare – d. h. reale
Gegebenheiten und nicht vage Vermutungen widerspiegelnde
– Antworten auf Fragen zu finden, wie der Umgang mit deut-
lich alternden Belegschaften durch ein adäquates Personalma-
nagement zukünftig aussehen kann: Welche Auswirkungen
sind durch alternde Belegschaften tatsächlich zu befürchten?
Wie lassen sich die Instrumentarien des Personalmanage-
ments gezielt einsetzen, um die demografisch bedingten Ver-
änderungen im Personalstamm konstruktiv zu managen? An
welchen Stellen ist eine Altersdifferenzierung bei Personalfüh-
rungsinstrumenten sinnvoll? Wo nicht?
Differenziertes Personalmanagement für
alternde Belegschaften
Von
Dr. Jörg Korff
(EnBW)
Stand der Dinge: Fakten statt Stereotype
In einem ersten Schritt wurde der aktuelle Stand der wissen-
schaftlichen Erkenntnisse zusammengetragen, die für die ge-
gebene Fragestellung von Belang waren. Gesicherte Befunde
aus der psychologischen Forschung als auch betriebswirt-
schaftliche – genauer: personalwirtschaftliche – Forschungs-
ergebnisse jüngeren Datums lieferten wichtige Erkenntnisse,
die Forschungsfragen angemessen auszurichten. Grundlage
für diese einleitende Bestandsaufnahme waren sowohl wich-
tige Einzelstudien mit kontrollierter methodischer Qualität
als auch Metaanalysen, also die Zusammenfassung von zahl-
reichen wissenschaftlichen Einzeluntersuchungen, die einen
ausgezeichneten Überblick über den Forschungsstand geben.
Zu den wichtigsten Ergebnissen, manche den landläufigen Er-
wartungen entsprechend, manche für den Praktiker durchaus
überraschend, gehören die folgenden Befunde:
3
Der Einsatz von HR-Praktiken bewirkt tatsächlich Unterneh-
menserfolg (Huselid, 1995).
3
Zu den Personalpraktiken, die Unternehmensleistungen
maß­geblich beeinflussen, gehören z. B. Personalauswahl,
Aus- und Weiterbildung, Leistungsbeurteilungen, Beförde-
rungsmöglichkeiten und andere mehr (Combs/Liu/Hall/
Ketchen, 2006).
3
Ausschlaggebend für den Erfolg von HR-Praktiken ist nicht
die schiere Existenz im Unternehmen, sondern die faktische
Wahrnehmung durch die Mitarbeiter (Nishii/Lepak/Schnei-
der, 2008).
3
HR-Praktiken wirken auf Einstellungen und Verhalten von
Mitarbeitern, die wiederum für den Unternehmenserfolg
verantwortlich sind (Messersmith/Patel/Lepak, 2011).
3
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Lebensalter und
Arbeitsleistungen (Ng/Feldman, 2008).
3
Kognitive Leistungsfähigkeit (Intelligenz) nimmt mit stei-
gendem Lebensalter in manchen Teilbereichen ab, in man-
chen bleibt sie bis ins höchste Alter stabil (Hedden /Gabrieli,
2004); alle Teilbereiche lassen sich durch gezielte Maßnah-
men positiv beeinflussen (Jaeggi/Buschkuehl/Jonides/Per-
rig, 2008; Mercado, 2008).
3
Mit steigendem Lebensalter verändern sich Persönlich-
keitszüge (Jones/Meredith, 1996), Ziele und Werthaltungen
1 Dieses Forschungsprojekt wurde im Rahmen des WDN – WISE Demografie Netzwerk mit den
Mitgliedsunternehmen Deutsche Bahn AG, Deutsche Bank AG, Daimler AG, EnBW – Energie Baden Würt­
temberg AG, Lonza Group Ltd., Mars GmbH, Otto Group GmbH & Co. KG und Volkswagen AG angestoßen.