personalquarterly 04 / 12
16
Schwerpunkt
_EVIDENCE-BASED MANAGEMENT
die oben genannte Studie von Lazear (2000)) zeigen hinge-
gen überwiegend positive Effekte variabler Vergütung.
2. Relevante Ziele blieben unberücksichtigt:
Management-
probleme sind in der Regel komplex. Selbst wenn ein Effekt
von Geschlechterdiversität auf den Teamerfolg nicht nach-
weisbar ist, mögen andere Faktoren für die Förderung von
Geschlechterdiversität in Teams sprechen, beispielsweise
weil da Diversität ein eigenes Ziel an sich darstellt oder
man sich durch die Ansprache bisher wenig berücksichtig
ter Mitarbeiter- oder Bewerbergruppen neue Talentpools
erschließen möchte. Es ist aber hier wichtig, präzise und
diszipliniert zu argumentieren, um die wirklichen Gründe
für eine Maßnahme gegenüber möglichen anderen Nach-
teilen sauber abzuwiegen. Gerade hier unterscheidet sich
ja die seriöse wissenschaftliche Herangehensweise von der
Herangehensweise eines Beraters oder auch eines Politikers
– Argumente sollten nicht allein aus rhetorischen Gründen
benutzt werden – sondern allein weil sie dem Erkenntnisin-
teresse dienen.
3. Alternative Quellen sind aktueller oder problemnä-
her:
Wir haben eingangs darauf hingewiesen, dass sich
die Qualität der Daten nicht am Autor, sondern an der Ein-
haltung von Qualitätsstandards misst. Wissenschaftliche
Studien haben den Vorteil einer tendenziell höheren me-
thodischen Stringenz, häufig jedoch den Nachteil, dass die
verwendeten Daten älter sind. Der Personalpraktiker ist
an Aussagen über die Zukunft interessiert. Kritisch wird
dies erst, wenn der begründete Verdacht vorliegt, dass die
Zusammenhänge, die in der Vergangenheit galten, in der
Zukunft nicht mehr gelten, ein sogenannter Strukturbruch.
Glücklicherweise sind die meisten personalwirtschaftlichen
Zusammenhänge stabiler als dies in der durch Innovation
und Neuartigkeit getriebenen Wirtschafts- und Fachpresse
suggeriert wird, z. B. der Hype um die angeblich völlig neu-
artige Generation Y (vergleiche hierzu Twenge et al. 2010).
Dem faktenorientierten Personalmanager sollte die Richtig-
keit wichtiger sein als die Neuartigkeit; belastbare Fakten
helfen ihm, nachhaltige Trends von temporären Moden zu
unterscheiden.
Wann lohnt sich ein evidenzbasiertes Vorgehen?
Es liegt bisher kein übergreifender wissenschaftlicher Nach-
weis vor, dass die Anwendung eines evidenzbasierten Manage-
mentansatzes betriebswirtschaftlich nützlich ist. Nachweisen
und monetär bewerten lässt sich aber die Vorteilhaftigkeit
der Vermeidung von personalwirtschaftlichen Fehlentschei-
dungen. So ist beispielsweise im Bereich der Personalauswahl
eine Quantifizierung des zusätzlichen Nutzens aus der Anwen-
dung wissenschaftlich fundierten Personalauswahlverfahren
relativ leicht zu berechnen (siehe PERSONALquarterly 2012
Heft 1, Biemann/Weckmüller, 2012). Grundsätzlich können
wissenschaftliche Fakten das Fehlerrisiko reduzieren, d. h.,
sie schaffen keine absolute Sicherheit und der Nutzen der Zu-
satzinformation muss die Kosten der Informationssammlung
übersteigen. Für das Beispiel der Personalauswahl lässt sich
also auch mit den empirisch besten Verfahren keine fehlerlose
Auswahl realisieren, allerdings kann die Anzahl der Fehlent-
scheidungen teilweise drastisch reduziert werden.
Aus diesen kurzen Überlegungen wird deutlich: Die Einbe-
ziehung empirischer Evidenz lohnt sich, wenn strategische Ent-
scheidungen unter hoher Unsicherheit getroffen werden. Der
Einsatz ist zudem lohnender, wenn gesicherte wissenschaft-
liche Erkenntnisse zu einem Themenfeld vorliegen und wenn
ein großer Unterschied zwischen den verbreiteten Meinungen
und den gesicherten Fakten besteht. Bei vielen Entscheidungen
im Tagesgeschäft, die schnell getroffen werden müssen, kann
der Personalpraktiker meist auf seine Erfahrung setzen. Bei
erfolgskritischen, strategischen Entscheidungen mit höherer
Unsicherheit wäre es jedoch fatal, existierende wissenschaft-
liche Forschung zu ignorieren.
Zusammenfassung und praktische Empfehlungen
3
Die Verwendung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse
kann die Entscheidungsqualität im Personalmanagement ver-
bessern und das Risiko von Fehlentscheidungen reduzieren.
3
Wissenschaftliche Studien sollten komplementär zu anderen
Informationsquellen genutzt werden.
3
Der Informationsgewinn resultiert aus der gezielten „Befra-
gung der Wissenschaft“ und der kritischen Übertragung der
Ergebnisse auf das eigene Unternehmen.
3
Personalpraktiker benötigen Grundlagenkenntnisse wich-
tiger empirischer Methoden in der Personalforschung.