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zusammenfassen („Rapid Evidence Assessment“). Dies können
Personalmanager entweder selbst durchführen, Rückgriff auf
einen ihnen bekannten empirisch arbeitendenWissenschaftler
nehmen oder mit einer Hochschule kooperieren.
Erfolgskritisch ist die konkrete Übertragung der Ergebnisse
auf das Entscheidungsproblem im eigenen Unternehmen. Wis-
senschaft zielt tendenziell auf verallgemeinerbare Aussagen
über spezifische Mechanismen. Betriebliche Praxis will die
beste Lösung für das eigene Unternehmen für ein praktisches
Problem, bei dem meist mehrere überlagernde ökonomische
oder psychologische Mechanismen eine Rolle spielen. Grund-
sätzlich empfehlen wir hier das Prinzip der „Umkehr der Be-
weislast“: Wenn wissenschaftliche Ergebnisse eine eindeutige
Entscheidung nahelegen, so müssten spezifische Faktoren im
Unternehmen angeführt werden, warum diese hier gerade
nicht gelten sollen. Vielleicht liegt in der Abweichung vom
Durchschnitt gerade der strategische Wettbewerbsvorteil des
Unternehmens.
Darüber hinaus beinhalten auch wissenschaftliche Studien
schon teilweise sehr hilfreiche Differenzierungen. So unter-
scheiden die Studien zum Zusammenhang zwischen Diversität
und Teamerfolg nicht nur zwischen verschiedenen Arten von
Diversität (Alter, Geschlecht, Ausbildung etc.), sondern darüber
hinaus z. B. auch zwischen unterschiedlichen Aufgaben (bspw.
kreative Aufgaben), was die Ableitung konkreter Handlungs-
empfehlungen für das eigene Unternehmen erleichtert.
Informationsquellen und die eigene Erfahrung einbeziehen
Abschließend sollte ein Abgleich mit anderen Informations-
quellen (Kollegen, Beispiele anderer Unternehmen, eigenen
Erfahrungen etc.) erfolgen. Sofern ein Widerspruch zwischen
wissenschaftlichen Ergebnissen und diesen Quellen vorliegt,
sollte versucht werden, diesen vor der Entscheidungsfindung
aufzulösen. Häufig wird sich zeigen, dass solche Widersprü-
che in unterschiedlichen Konnotationen zu Begriffen liegen. Je
präziser die gestellte Frage formuliert ist, desto leichter wird es
sein, den Widerspruch aufzulösen. Sofern der Widerspruch in
der besseren Methodik wissenschaftlicher Studien begründet
liegt, sollten die wissenschaftlichen Ergebnisse entscheidungs-
leitend sein.
Aber auch der umgekehrte Fall kann eintreten und ist insbe-
sondere in den folgenden drei Fällen möglich:
1. Die wissenschaftlichen Ergebnisse basieren auf spezi-
fischen Untersuchungsgruppen und die Übertragbar-
keit ist fraglich:
Das Beispiel intrinsische Motivation mag
dies verdeutlichen. Es existieren zahlreiche Studien und Me-
taanalysen zur Frage, ob die Zahlung einer (monetären) Be-
lohnung die Motivation verstärkt oder nur die zuvor bereits
vorhandene intrinsische Motivation verdrängt (crowding-
out). Diese Frage ist betriebswirtschaftlich hochrelevant,
zielt sie doch auf die Wirksamkeit variabler Vergütungssy-
steme. In der Tat weisen Studien den Crowding-out-Effekt
nach. Viele davon beruhen aber auf der Untersuchung von
Schulkindern, in denen gemessen wird, ob diese auch nach
der Zahlung einer Belohnung freiwillig zu einer zuvor ausge-
übten Tätigkeit, wie beispielsweise dem Malen eines Bildes,
zurückkehren. Andere sind Laborexperimente bei denen die
Probanden Studierende sind, die eine Aufgabe zum ersten
Mal ausführen. Diese Ergebnisse sind für die psychologische
und ökonomische Motivationsforschung hochinteressant,
für die betriebliche Praxis – für die sie nicht entwickelt,
jedoch dennoch regelmäßig als „Beweis“ herangezogen wer-
den – aber nur begrenzt relevant. Die existierenden Stu-
dien auf der Basis von Unternehmensdaten (so wie z. B.
Formulierung
einer konkreten
Fragestellung
Übertragung des
Entscheidungspro-
blems in beant-
wortbare Frage
Rapid Evidence
Assessment
Kurzgutachten
zu verfügbaren
wissenschaftlichen
Fakten
Übertragung auf
das eigene Unter-
nehmen
Abgleich der all
gemeinen Ergebnisse
mit den Besonder-
heiten des eigenen
Unternehmens
(„Umkehr der Be-
weislast“)
Abgleich mit
anderen Informa-
tionsquellen
Identifizierung
von Unterschieden
zu eigener Erfahrung,
Kollegeneinschät-
zung oder belast-
baren Fakten aus
unternehmensspezi-
fischen Daten
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 3
Vorgehen bei der Übertragung auf das eigene Unternehmen