Seite 14 - PERSONALquarterly_2012_04

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Schwerpunkt
_EVIDENCE-BASED MANAGEMENT
sind. In der oben angeführten McKinsey-Studie (2007) wird
die Performance von Unternehmen mit hoher und niedriger
Frauenquote verglichen. Jedoch stammen die Unternehmen
in der Studie aus unterschiedlichen Branchen, haben unter-
schiedliche Historien, Wettbewerbspositionen und -strategien.
Unternehmen mit hohem und geringem Frauenanteil sind da-
her schwer vergleichbar. So könnten beispielsweise jüngere
Unternehmen einen höheren Frauenanteil haben (da der Anteil
von Frauen unter den Hochschulabsolventen stetig gestiegen
ist) und eher in innovativen und somit profitableren Branchen
tätig sein. Dann würde man auch ohne jeden Kausalzusam-
menhang dennoch eine Korrelation zwischen Frauenanteil und
Profitabilität beobachten.
Wann keine Selektionseffekte auftreten
Selektionsverzerrungen treten dann nicht auf, wenn durch
einen „exogenen“ Grund (der unabhängig von wesentlichen,
nicht gemessenen Charakteristika ist), Veränderungen für
manche Unternehmen oder Unternehmensteile erzwungen
werden wie in oben genannter Studie zur Evaluation der Ein-
führung der Frauenquote in Norwegen.
Bei Studien zur Wirksamkeit personalwirtschaftlicher
Instrumente in einzelnen Unternehmen können auch bei-
spielsweise zeitliche Verschiebungen bei der Einführung in
unterschiedlichen Unternehmensteilen ausgenutzt werden. So
nutzt eine sehr bekannte Studie von Lazear (2000) zur Wir-
kung der Einführung eines variablen Vergütungssystems aus,
dass das betroffene Unternehmen das System nicht in allen
Niederlassungen gleichzeitig, sondern schrittweise eingeführt
hat. So gibt es zu jedem Zeitpunkt während der Einführungs-
phase jeweils Niederlassungen, die das neue System nutzen
und andere, dies es noch nicht nutzen – es entstehen also
Treatment- und Kontrollgruppen ohne dass das Unternehmen
wirklich ein „Experiment“ bewusst geplant hat – der kausale
Effekt der Systemeinführung (hier ein substanzieller Anstieg
der Performance) kann sauber abgeschätzt werden. Etwaige
Drittvariablen wie Konjunktur- oder Zeiteffekte können das
Ergebnis nicht treiben.
Alternative zur Kontrolle von Drittfaktoren
Ein alternativer Weg der Kontrolle von Drittfaktoren sind Re-
gressionsmodelle, bei denen der Einfluss möglicher weiterer
Einflussfaktoren berücksichtigt wird. Allerdings ist es hier
von zentraler Bedeutung, alle wichtigen Drittvariablen zu be-
rücksichtigen – und häufig ist die Verfügbarkeit von wichtigen
Drittvariablen eingeschränkt. Ein wirklich randomisiertes
Experiment oder Quasi-Experiment wird also einer Regres-
sionsanalyse, bei der nicht vollkommen klar ist, von welchen
Faktoren die untersuchte Kernvariable selbst beeinflusst wird,
immer überlegen sein bezüglich der Fähigkeit, kausale Effekte
abzuschätzen.
Entlang der oben genannten drei Kernfragen kann der metho-
disch geschulte Personalmanager unterschiedliche empirische
Ergebnisse selbstständig bewerten. Ein pragmatischer Weg
besteht im Rückgriff auf Veröffentlichungen in wissenschaft-
lichen Zeitschriften, die einem „Peer Review“ unterliegen,
d. h., bei denen in der Regel jeder Beitrag von typischerwei-
se mindestens zwei anonymen Gutachtern geprüft wird und
häufig gerade bei den sehr renommierten wissenschaftlichen
Zeitschriften mehrere Revisionsrunden durchlaufen hat, in
denen die Gutachter die Autoren häufig zu weitergehenden
Überprüfungen ihrer Hypothesen antreiben und die Methodik
hinterfragen. Peer Reviews arbeiten nicht fehlerfrei, die Ver-
öffentlichung methodisch fragwürdiger Studien wird jedoch
substanziell reduziert. Zudem hat es in den letzten Jahren sehr
große Fortschritte bezüglich der Anforderungen der Zeitschrif-
ten an eine hochwertige empirische Analyse gegeben.
Keine blinde Übertragung von Forschungsergebnissen
Wir plädieren bewusst für eine komplementäre Verwendung
wissenschaftlicher Forschungsergebnisse bei der betrieblichen
Entscheidungsfindung neben anderen Informationsquellen.
Dies liegt in den Möglichkeiten aber auch den Grenzen wissen-
schaftlicher Ergebnisse begründet. So werden die Ergebnisse
grundsätzlich typischerweise hilfreich bei der Entscheidungs-
findung sein, aber weniger bei der konkreten Implementierung.
Die folgenden Schritte können bei der Nutzung für betriebliche
Entscheidungsprobleme als Orientierung dienen.
Eine konkrete Fragestellung formulieren
Die Wissenschaft muss konkret befragt werden, um inhaltlich
wertvolle Aussagen zu erhalten. Schlagworte und Program-
matiken wie „Work-Life-Balance“ oder „Diversity“ sind meist
nicht sehr hilfreich – da sie typischerweise eine ganze Reihe
sich überlagernder und teilweise in unterschiedliche Richtung
wirkender Mechanismen umfassen. Denise Rousseau und Eric
Barends (2011) empfehlen beispielsweise als ersten Schritt,
diese in beantwortbare Fragen zu überführen: „Sind geschlech-
tergemischte Teams erfolgreicher als homogene Teams?“ oder
„Welche Art von Diversity erhöht den Teamerfolg?“ Dies scheint
auf den ersten Blick dem eher ganzheitlichen Arbeiten eines
Managers zu widersprechen, der vielfältige Interdependenzen
und unterschiedliche Zielsetzungen verschiedener Stakeholder
berücksichtigen muss. Die analytische Zerlegung in Teilfragen
erhöht jedoch auch für den Praktiker die Klarheit bezüglich des
zu lösenden Problems, solange er die Ganzheitlichkeit nicht
aus dem Blick verliert (siehe Abb.3).
Ergebnisse auf das Unternehmen übertragen
Aufbauend auf der konkreten Fragestellung, erfolgt die gezielte
Suche nach den besten verfügbaren Fakten zur Beantwortung
der Frage. Die Ergebnisse lassen sich in einem Kurzgutachten