Seite 13 - PERSONALquarterly_2012_04

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Was sind gesicherte Fakten?
Gute empirische Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass
die gewählte Methode angemessen und für den Leser nach-
vollziehbar ist und lässt sich somit grundsätzlich von jedem
beurteilen. Ausgangspunkt der Bewertung kann das Experi-
ment als Idealbild wissenschaftlicher Forschung sein (Angrist/
Pischke, 2009): Wie müsste eine Studie aufgebaut sein, damit
sie für meine praktische Fragestellung eine eindeutige Empfeh-
lung liefert? An dieses Idealbild nähert sich die medizinische
Forschung durch die Verwendung von randomisierten Expe-
rimenten an. Durch gezielte Durchführung einer Maßnahme
in einer „Treatmentgruppe“ (Medikament gegeben) bei gleich-
zeitiger Beobachtung der Ergebnisse in einer unveränderten
„Kontrollgruppe“ (Plazebo gegeben) lassen sich sauber kau-
sale Effekte identifizieren. Auch Ökonomen nutzen in wach-
sendem Umfang kontrollierte Experimente, auch wenn diese
aus praktischen Erwägungen in Unternehmen häufig schwer
durchführbar sind. Ausgenutzt werden können aber auch so-
genannte Quasi-Experimente oder natürliche Experimente,
die beispielsweise durch gesetzliche Änderungen zustande
kommen, die in bestimmten Unternehmen Änderungen her-
beiführen, andere jedoch unbeeinflusst lassen. Bei komplexen,
vielschichtigen, durch Interdependenzen geprägten Problemen
der betrieblichen Praxis kann sich betriebswirtschaftliche For-
schung diesem Idealbild nur annähern.
Die drei Kernfragen stellen
Wie weit man in einem spezifischen Fall von diesem entfernt
ist, lässt sich mithilfe von drei Kernfragen ermitteln:
1. Verzerrt die gewählte Erhebungsmethode das Ergebnis?
Bei sogenannten „statistischen Artefakten“ wird das Ergeb-
nis wesentlich durch die gewählte Untersuchungsform be-
stimmt. Klassisches Beispiel ist hier das Antwortverhalten
der sozialen Erwünschtheit bei Befragungen, bei dem die
Befragten nicht ihre tatsächliche Meinung äußern, sondern
ihr Antwortverhalten an eine antizipierte, sozial akzeptierte
Meinung anpassen. Dies taucht beispielsweise bei Gehalts-
studien auf. Fragt man Probanden direkt nach ihrer Ein-
schätzung über die Wichtigkeit der Höhe des Einkommens,
so wird diesem typischerweise nur eine geringe Bedeutung
beigemessen. Wird die Bedeutung jedoch indirekt erhoben,
indem Probanden beispielsweise nach ihren Präferenzen
über verschiedene Jobangebote mit unterschiedlichen Ei-
genschaften befragt werden, so stellt man eine höhere Be-
deutung des Einkommens für die Entscheidung fest. Eine
naheliegende Erklärung für das Phänomen ist, dass Men-
schen nicht gerne zugeben, wie wichtig ihnen Geld tatsäch-
lich ist (Rynes/Gerhart/Minette, 2004).
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.
Existiert ein Zusammenhang zwischen personal-
wirtschaftlichem Instrumenteneinsatz und betriebs-
wirtschaftlichem Organisationserfolg?
Zielsetzung
personalwirtschaftlicher Maßnahmen ist der betriebswirt-
schaftliche Erfolg. Evidenzbasierte Manager benö­tigen
Studien, die eine Beziehung zwischen dem personalwirt-
schaftlichen Maßnahmeneinsatz und dem Organisati-
onserfolg herstellen. Untersuchungen, die lediglich den
Verbreitungsgrad von Instrumenten oder subjektive Ein-
schätzungen zur Wirksamkeit ermitteln, sind am Ende
meist deutlich weniger hilfreich. Ein direkter Zusammen-
hang zwischen den ökonomischen Erfolgsgrößen eines
Unternehmens und dem Einsatz personalwirtschaftlicher
Instrumente ist häufig jedoch nur schwer herzustellen. Be-
lastbare Studien zeichnen sich dadurch aus, dass sie zumin-
dest einen Zusammenhang zu Erfolgsgrößen herstellen, die
in direkter und bereits nachgewiesener Verbindung mit öko-
nomischen Erfolgsgrößen stehen. So werden beispielsweise
imBereich Retention-Management regelmäßig Trendstudien
und Befragungen von Personalpraktikern zur Einschätzung
der relativen Bedeutung von Retention-Management im All-
gemeinen oder zum Einsatz und der Einschätzung der Wirk-
samkeit einzelner Retention-Maßnahmen durchgeführt.
Diese können immer nur die subjektive Einschätzung der
Personaler spiegeln. Studien, die dagegen den Zusammen-
hang zwischen personalwirtschaftlichen Maßnahmen und
der tatsächlich gemessenen ungewollten Fluktuation unter-
suchen, sind dagegen meist deutlich aussagekräftiger. Ein
unmittelbarer Nachweis des Effekts auf eine ökonomische
Erfolgsgröße des Unternehmens (z. B. Gewinn) ist nicht für
jede einzelne Studie erforderlich, denn Unternehmen kön-
nen beispielsweise die Kosten ungewollter Fluktuation als
individuellen Business Case abschätzen.
3. Wird wirklich ein kausaler Zusammenhang zwischen
den betrachteten Variablen nachgewiesen?
Eine wesent-
liche Problemstellung personalwirtschaftlicher Forschung
besteht in der Ermittlung von Wirkzusammenhängen, d. h.
kausalen Beziehungen. Werden in einer Studie zum Beispiel
gleichzeitig Frauenanteil und Unternehmenserfolg erhoben,
sind zunächst verschiedene Interpretationen möglich: Ers­
tens könnten Frauen im Führungsteam tatsächlich den
Unternehmenserfolg erhöhen, beispielsweise durch das Ein-
bringen neuer Sichtweisen. Zweitens könnten es sich gerade
erfolgreiche Unternehmen „leisten“, Frauen ins Führungs-
team aufzunehmen, um so die geforderte Gleichbehandlung
zu demonstrieren. Dann wäre also der Erfolg die Ursache
für den höheren Frauenanteil. Drittens könnten weitere Ein-
flussgrößen existieren, die sowohl den Frauenanteil als auch
die Veränderung des Unternehmenserfolgs erklären.
Selektionseffekte werden zum Problem
Ein grundlegendes ProblembeimStreben nach der Aufdeckung
kausaler Effekte sind hier Selektionseffekte. Diese treten auf,
wenn Treatment- und Kontrollgruppe nicht direkt vergleichbar