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_READER‘S DIGEST
PERSONALquarterly Oktober_2011
D
ie bisherige Forschung zur Karriereentwicklung
hat sich auf Karrierefortschritte konzentriert. Aber
was passiert eigentlich mit Mitarbeitern, deren
Karriere durch einschneidende Erlebnisse unterbro-
chen wird? Wieso gelingt es manchen, sich mit ihrer Situation
abzufinden und beruflich neu zu orientieren, während andere
berufsunfähig werden? Michael Haynie und Dean Shepherd
haben US-amerikanische Soldaten untersucht, die bei einem
Kriegseinsatz verwundet wurden und ihren Beruf nicht länger
ausüben konnten. Diese Stichprobe ist besonders interessant,
weil das Militär seine Mitarbeiter zu absoluter Loyalität und
kollektiver Identität ausbildet. Diese Mitarbeiter identifizieren
sich meist sehr stark mit ihrer Organisation – umso schwie-
riger ist es für sie, die eigene berufliche Rolle zu verlieren und
sich beruflich neu orientieren zu müssen.
In ihrer intensiven qualitativen Studie identifizieren die
Autoren mehrere Faktoren, die zu einer erfolgreichen
Neuorientierung im beruflichen Werdegang dieser Soldaten
Traumatische
Karrierebrüche meistern
J. Michael Haynie
(Syracuse University),
Dean Shepherd
(Indiana University Bloomington), (2011). Toward a Theory of
Discontinuous Career Transition: Investigating Career Transi-
tions Necessitated by Traumatic Life Events. Journal of Applied
Psychology, Vol. 96, No. 3, 501–524.
derweise senkt die Diversität der ethnischen Herkunft und
des Geschlechts die Teamleistung. Keinen Einfluss haben
dagegen die Diversität in Bezug auf das Alter, die Höhe der
Abschlüsse, die Dauer der Teamzugehörigkeit und die Dauer
der Betriebszugehörigkeit.
In der Personalpraxis sollte deshalb der funktionale Hinter-
grund der einzelnen Teammitglieder bei der Zusammenstel-
lung von Teams (vor allem bei kreativen und innovativen
Aufgaben) berücksichtigt werden. Für Teams der obersten
Führungsebene ist dagegen die Diversität des Bildungshinter-
grunds entscheidend für die Teamleistung. Die reine Erhöhung
der Diversität in Bezug auf ethnische Herkunft oder Geschlecht
ist bei der Teamzusammenstellung dagegen eher nachteilig
für die Teamleistung. Unternehmen sollten daher zunehmend
in Personalentwicklungsmaßnahmen investieren, welche die
Vorbehalte von Teammitgliedern gegenüber unterschiedlicher
ethnischer Herkunft oder des Geschlechts verringert.
Besprochen von
Marius Wehner
, Personalmanagement,
Mittelstand und Entrepreneurship, Justus-Liebig-Universität
Gießen
D
ie Möglichkeit, einen persönlichen Beitrag zu
Unternehmensangelegenheiten zu leisten und ein
Mitspracherecht zu haben (sog. voice), hat eine
positive Wirkung auf die Arbeitsleistung von Be-
schäftigten, ihre Beziehung zum Arbeitgeber und ihre Inten-
tion, bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber zu bleiben. Autoren
um Derek Avery von der Temple University in Philadelphia
untersuchten mittels Regressionsanalysen, ob die Dauer
der Betriebszugehörigkeit den positiven Effekt von Mitspra-
cherecht beeinflusst. Ihre Untersuchung basiert auf einer
Befragung von fast 2.000 Beschäftigten, die je zur Hälfte in
den Vereinigten Staaten und Großbritannien arbeiten.
Die Ergebnisse bestätigen die bisherigen Befunde zur posi-
tiven Wirkung von Mitspracherecht auf die Intention, beim
derzeitigen Arbeitgeber zu bleiben. Gleichzeitig wird dieser
Beschäftigungsdauer und
Mitspracherecht
Derek R. Avery
(Temple University),
Patrick F. McKay
(Rutgers
University),
David C. Wilson
(University of Delaware),
Sabrina
D. Volpone
(Temple University),
Emily A. Killham
(Gallup Or-
ganization). (2011). Does Voice Go Flat? How Tenure Diminishes
the Impact of Voice. Human Resource Management, Vol. 50, No.
1, 147-158.
führten. Obwohl ihre Stichprobe sehr speziell ist, liefern die
Ergebnisse wichtige Anhaltspunkte auch für andere Berufs-
zweige. Sie zeigen, dass eine Karriereunterbrechung dann
besser gemeistert wird, wenn die Person aktiv darum bemüht
ist, sich ein neues Selbstbild aufzubauen. Wer es schafft, die
eigenen Grundannahmen zur Karriere neu zu überdenken
und sich selbst eine neue berufliche Identität aufzubauen,
der kann selbst traumatische Erlebnisse als Chance für
die berufliche und persönliche Weiterentwicklung nutzen.
Dabei muss nicht nur eine neue berufliche Rolle gefunden
werden, sondern es müssen auch Kompetenzen erworben
werden, um diese auszufüllen. Bisher genutzte berufliche
Kompetenzen können leichter auf eine neue Rolle übertragen
werden, wenn es gelingt, sich eine neue Basis für die eigene
berufliche Identität zu schaffen. Im Fall der hier untersuchten
ehemaligen Soldaten fiel die Wahl schließlich auf berufliche
Selbstständigkeit, um einen größeren Handlungsspielraum
aktiv gestalten zu können.
Besprochen von
Nale Lehmann-Willenbrock
, Dipl.-Psych.,
TU Braunschweig, Institut für Psychologie, Lehrstuhl für
Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie