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PERSONALquarterly Oktober_2011
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STATE OF THE ART
_LEISTUNGSANREIZE
Gruppenorientierte Vergütungsschemata
Die Nutzung solcher Maße führt automatisch zu gruppenorien-
tierten Vergütungsschemata. Deren Bedeutung hat zugenom-
men, da immermehr Aufgaben in heutigenUnternehmen durch
eine interdependente Gruppe von Mitarbeitern gelöst werden,
eine Einzelleistung also schwerer quantifizierbar wird. Grup-
penorientierte Vergütung bietet sich also auch immer dann an,
wenn die Arbeitsaufgaben verzahnt sind, Konkurrenzdenken
zwischen den Mitarbeitern zu Produktivitätsverlusten führen
könnte und gegenseitige Hilfe besonders wichtig ist. Aller-
dings gibt es auch Argumente, die eine Abschwächung der
Anreizwirkung bei gruppenorientierter Vergütung aufzeigen.
So kann die „Free-rider“-Problematik gerade bei sehr großen
Gruppen dazu führen, dass einzelne Beschäftigte nicht ent-
sprechend beitragen, was direkt zu geringerer Gesamtproduk-
tivität führt. Jedoch gibt es bemerkenswerte Befunde, die den
Erfolg von Gruppenanreizen aufzeigen. So finden Knez und
Simester (2001) Evidenz für die Wirksamkeit eines sehr ein-
fachen Gruppenanreizsystems bei Continental Airlines, nach
dem jeder Mitarbeiter des Unternehmens in jedem Monat ei-
nen Scheck in Höhe von 65 $ bekommt, wenn Continental zu
den pünktlichsten Fluglinien der USA gehört.
Einstellungen und Fähigkeiten der Mitarbeiter
Grundlegend für die Wirkung von Anreizen sind auch Unter-
schiede in den Einstellungen und Fähigkeiten der Mitarbeiter.
So zeigen empirische Studien, dass sich die Selektionsfunktion
finanzieller Anreize bestätigt. Leistungsfähigere Mitarbeiter
legen mehr Wert auf eine leistungsabhängige Vergütung und
wechseln mit höherer Wahrscheinlichkeit das Unternehmen,
wenn sie ihre Leistungen nicht entsprechend vergütet sehen.
Auch bleiben leistungsschwächere Mitarbeiter eher in Unter-
nehmen, in denen die Verbindung von Gehalt und Leistung nur
schwach ausgeprägt ist. Allerdings ist dies nicht der einzige
Selektionseffekt. Beispielsweise werden auch risikoaverse Per-
sonen von variablen Vergütungssystemen eher abgeschreckt
(siehe für einen Überblick dieser Studien Gerhart, Rynes und
Fulmer, 2009).
Finanzieller Anreiz und intrinsische Motivation
Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang die
Beziehung zwischen finanziellen Anreizen und intrinsischer
Motivation. Intrinsische Motivation beschreibt den Drang, ei-
ne (Arbeits-)Tätigkeit um ihrer selbst willen zu tun. In der
sogenannten Crowding-out-Hypothese wird argumentiert, dass
finanzielle Anreize die intrinsische Motivation zerstören kön-
nen. Aufgrund der Vielzahl an Einzelstudien beschäftigen sich
mehrere Meta-Studien mit dieser Fragestellung und kommen
zu unterschiedlichen Ergebnissen (Deci, Koestner und Ryan,
1999, und Cameron, Pierce, 1994). Zu beachten ist, dass diese
Studien ein sehr breites Spektrum an Motivationsfragen wie
auch das Lernverhalten von Kindern umfassen. Deshalb wird
als Ergebnisgröße nicht allein ein Arbeitsergebnis betrachtet,
sondern z. B. das Ausmaß des geäußerten Interesses an einer
Tätigkeit, die Freizeit, die für eine Aufgabe investiert wird,
oder die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit. Diese Größen sind
jedoch in privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen
eher indirekt mit dem Unternehmensergebnis verbunden. Ar-
beitsverhältnisse sind darüber hinaus typischerweise dadurch
gekennzeichnet, dass eine Entlohnung für geleistete Arbeit
grundsätzlich erwartet wird. Im Gegensatz zu Deci, Koestner
und Ryan (1999) nutzten Cameron und Pierce (1994) auch
die Produktivität als abhängige Variable und konnten keine
signifikanten Crowding-out-Effekte feststellen. Insbesondere
hat der Aufgabeninhalt keinen signifikanten Einfluss auf die
Wirkung finanzieller Anreize: Ein generelles Versagen finan-
zieller Anreize bei Aufgaben, die durch intrinsische Motivation
gekennzeichnet sind, lässt sich also nicht nachweisen. Bedeut-
sam ist zudem die Art, in der Anreize mit der Aufgabenerfül-
lung verknüpft werden. Wird die reine Aufgabendurchführung
überwacht und belohnt, nimmt das Interesse an der Tätigkeit
eher ab, als wenn das Arbeitsergebnis incentiviert ist. Im letz-
teren Fall, der für die praktische Ausgestaltung realer variabler
Vergütungssysteme höhere Relevanz haben dürfte, wird die
intrinsische Motivation häufig sogar verstärkt, indem der Mit-
arbeiter die Belohnung als Anerkennung und Wertschätzung
wahrnimmt. Vor dem Hintergrund dieser Differenzierungen
lässt sich der eingangs erwähnte Befund der ausbleibenden
Produktivitätssteigerung bei Lehrern erklären, wenn man das
untersuchte System genauer betrachtet. Aufgrund der Komple-
xität des Systems war für den einzelnen Lehrer nicht transpa-
rent, wie er durch sein eigenes Verhalten die Auszahlung eines
Bonus beeinflussen kann.
Variable Vergütungssysteme: Business Case
Die empirischen Befunde zeigen ganz überwiegend einen
positiven Einfluss variabler Vergütungssysteme auf die Pro-
duktivität. Gleichzeitig sind mit der Einführung jedoch Ko-
sten verbunden. Um den betriebswirtschaftlichen Vorteil zu
ermitteln, ist eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen
erforderlich. Häufig wird der durchschnittliche Produktivitäts-
gewinn auf ca. 20 % oder sogar höher geschätzt (Lazear, 2000,
Condly, Clark und Stolovitch, 2003, Bandiera, Barankay und
RASUK, 2007). Dem gegenüber stehen die administrativen
Kosten und die zusätzlichen Personalkosten. Die gesamten
Personalkosten können bei der Einführung variabler Vergü-
tungssysteme zwar steigen, die Höhe der variablen Vergütung
sollte jedoch typischerweise die Produktivitätsgewinne nicht
übersteigen. Dennoch existiert kein „one-size-fits-all“-Ansatz.
Vielmehr muss die Implementierung vor dem Hintergrund
der unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen und auf
Basis eines Business Cases erfolgen, der zumindest direkte