Oktober_2011  PERSONALquarterly
            
            
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              den. Die Qualität hingegen wird durch finanzielle Anreize in
            
            
              der Regel nicht gesteigert, es kommt aber auch nicht zu einer
            
            
              qualitativen Verschlechterung der Arbeitsergebnisse durch
            
            
              die Mengenerhöhung. Andere Meta-Analysen kommen zu ähn-
            
            
              lichen Ergebnissen (vgl. die Diskussion in Gerhart, Rynes und
            
            
              Fulmer, 2009). Es lässt sich also das wichtige Zwischenfazit
            
            
              ziehen, dass von finanziellen Anreizen eine im Durchschnitt
            
            
              positive Wirkung auf die Produktivität ausgeht.
            
            
              Trotzdem gibt es auch Beispiele, in denen von keinem oder
            
            
              sogar einem negativen Effekt finanzieller Anreize auf die Leis-
            
            
              tung berichtet wird. Mit finanziellen Anreizen kann ein Unter-
            
            
              nehmen also viel gewinnen – aber auch verlieren, wenn das
            
            
              Anreizsystem schlecht gestaltet ist. Die Stärke und Richtung
            
            
              dieses insgesamt positiven Zusammenhangs kann von einer
            
            
              Vielzahl verschiedener Faktoren beeinflusst werden, die teil-
            
            
              weise vom Unternehmen gesteuert werden können, teilweise
            
            
              aber auch in der Unternehmensumwelt begründet liegen.
            
            
              
                Welche Faktoren beeinflussen die Wirkung?
              
            
            
              Die Wirkung finanzieller Anreize hängt in starkem Ausmaß
            
            
              ab von den Arbeitsaufgaben der betroffenen Mitarbeiter, von
            
            
              den Einstellungen und Fähigkeiten der Mitarbeiter und der
            
            
              Ausgestaltung des Vergütungssystems. Zentral für die Beur-
            
            
              teilung der Wirkungsweise von Anreizsystemen ist dabei der
            
            
              Zusammenhang von Arbeitsaufgaben und der für diese Auf-
            
            
              gaben verfügbaren Leistungsmaße. Leistungsmaße können
            
            
              subjektive oder objektive Indikatoren sein. Subjektive Leis-
            
            
              tungsindikatoren werden in der Regel über Vorgesetztenur-
            
            
              teile erfasst. Objektive Maße beruhen auf quantifizierbaren
            
            
              Ergebnisgrößen, beispielsweise etwa dem Umsatz eines Au-
            
            
              ßendienstmitarbeiters.
            
            
              Objektive Indikatoren haben meist den Vorteil, dass sie we-
            
            
              niger manipulierbar sind, sie sind jedoch nicht immer für alle
            
            
              Aufgaben eines Mitarbeiters verfügbar. Denn sehr häufig bear-
            
            
              beiten Mitarbeiter eine größere Zahl von Aufgaben, und nicht
            
            
              alle Aufgaben sind in gleichemAusmaß messbar. Es besteht die
            
            
              Gefahr sogenannter Multitasking-Probleme (Holmström und
            
            
              Milgrom, 1991): Werden nur einzelne gut messbare Aufgaben
            
            
              entlohnt (z. B. die produzierte Quantität), so können andere
            
            
              schlechter messbare Aufgabenbestandteile leiden (z. B. die
            
            
              Qualität). Es kommt zu verhaltenssteuernden Fehlanreizen,
            
            
              wie z. B. unangemessen risikoorientiertes Verhalten, Kurzfrist-
            
            
              orientierung oder eine unangemessene Fokussierung auf eine
            
            
              bestimmte Zielgröße. Auswahl, Bewertung und systematische
            
            
              Kontrolle der Zielgrößen sind folglich erfolgskritisch bei der
            
            
              praktischen Implementierung variabler Vergütungssysteme.
            
            
              Werden jedoch sehr viele objektive Indikatoren als Vergütungs-
            
            
              grundlage kombiniert, so steigt die Komplexität des Anreizsys-
            
            
              tems und diese kann die Wirkungsweise unterminieren, da
            
            
              Mitarbeiter den Überblick über das System verlieren.
            
            
              Subjektive Leistungsbeurteilung kann hier helfen, da mehr
            
            
              Aspekte der Leistung erfasst werden können. Allerdings zeigt
            
            
              eine umfassende empirische Literatur, dass subjektive Beurtei-
            
            
              lungen häufig verzerrt sind und unterschiedliche Vorgesetzte
            
            
              nach unterschiedlichen Kriterien bewerten. Ein typischer Be-
            
            
              fund ist, dass Vorgesetzte zu wenig zwischen leistungsstarken
            
            
              und leistungsschwachen Mitarbeitern differenzieren. Dies wie-
            
            
              derum führt in der Regel zu einer Reduktion der Anreize (Bol
            
            
              2011, Kampkötter und Sliwka 2011). Um die Bewertungsskala
            
            
              ganz auszuschöpfen, setzen einige Unternehmen sogenannte
            
            
              Forced-Distribution-Systeme bei der Bewertung ein, die vorge-
            
            
              ben, wie viele der Mitarbeiter in die jeweilige Notenkategorie
            
            
              fallen sollen. Es zeigt sich, dass sich darüber ein Selektionsef-
            
            
              fekt erzielen lässt, leistungsschwächere Mitarbeiter also das
            
            
              Unternehmen eher verlassen. Zudem gibt es Evidenz für einen
            
            
              positiven Anreizeffekt. Jedoch wird dieses Verfahren von Mitar-
            
            
              beitern als weniger fair wahrgenommen, und Anreize zur Koo-
            
            
              peration zwischen den Mitarbeitern können deutlich reduziert
            
            
              werden. Insbesondere bei variablen Vergütungssystemen, die
            
            
              auf subjektiven Bewertungen beruhen, kommt der Qualität und
            
            
              der wahrgenommenen Gerechtigkeit (Ergebnis- und Verfah-
            
            
              rensgerechtigkeit) des Bewertungssystems eine große Bedeu-
            
            
              tung zu. Überwiegender Eindruck auf der Basis bestehender
            
            
              Forschung ist jedoch, dass subjektive Beurteilungssysteme in
            
            
              der Regel den Aufwand wert sind, und Designprobleme sollten
            
            
              nicht als Entschuldigung herangezogen werden, auf variable
            
            
              Vergütungssysteme zu verzichten. Zudem lohnt sich meist eine
            
            
              Kombination aus subjektiver Leistungsbeurteilung und objek-
            
            
              tiven Indikatoren. Dabei ist zu beachten, dass objektive Leis-
            
            
              tungsmaße häufig nicht nur von der Leistung eines einzelnen
            
            
              Mitarbeiters abhängig sind, sondern von vielen Mitarbeitern
            
            
              gemeinsam beeinflusst werden. Ein typisches Beispiel sind
            
            
              Finanzkennzahlen, wie Gewinngrößen oder Maße wertorien-
            
            
              tierter Unternehmenssteuerung wie der EVA.
            
            
              
                Meta-Analysen
              
            
            
              Die rasante Expansion empirischer Forschung führt einer-
            
            
              seits zu einem Erkenntnisgewinn, andererseits aber auch zu
            
            
              einer Heterogenität und zum Teil Widersprüchlichkeit von
            
            
              Forschungsergebnissen. Zu interessanten Forschungsfragen
            
            
              lassen sich regelmäßig Einzelstudien finden, die zu diametral
            
            
              entgegengesetzten Ergebnissen kommen. Meta-Analysen
            
            
              fassen empirische Einzelstudien zu einer spezifischen
            
            
              Fragestellung systematisch, d. h., unter Berücksichtigung
            
            
              von Untersuchungsumfang und Design zusammen. Mit
            
            
              speziellen statistischen Verfahren wird eine Synthese von
            
            
              Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen zu einem
            
            
              aussagekräftigen Gesamtbild erreicht. Häufig zitiertes Bei-
            
            
              spiel ist die Studie von Schmidt, Hunter (1998) zur Validität
            
            
              von Personalauswahlverfahren.