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Oktober_2011 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Mit welchen Herausforderungen ist eine Entsendung nach Indien
verbunden?
Methodik:
Der vorliegende Beitrag stützt sich auf Literaturanalysen und aktuelle For-
schungen (Holtbrügge/Friedmann 2011).
Praktische Implikationen:
Indien gewinnt für die Entsendung von Fach- und Führungs-
kräften zunehmend an Relevanz. Kandidaten für eine Entsendung müssen daher ange-
sichts der besonderen kulturellen und gesundheitlichen Herausforderungen hinsichtlich
ihrer Eignung sorgfältig geprüft werden. Neben der organisatorischen Begleitung ist eine
interkulturelle Vorbereitung unbedingt notwendig.
Tochtergesellschaft in Indien vielfältige materielle und organi-
satorische Verflechtungen mit Unternehmenseinheiten in an-
deren Ländern aufweist. Stammhausdelegierte sprechen nicht
nur die gleiche Sprache wie die Mitarbeiter in der Muttergesell-
schaft, sondern verfügen durch ihre frühere Tätigkeit dort auch
über ein engmaschiges Beziehungs- und Kommunikations-
netzwerk. Auch wenn die länderübergreifende Kommunikation
durch neue Kommunikationsmedien erheblich erleichtert wird,
kommt diesen persönlichen Bindungen eine wichtige Koordi-
nationsfunktion zu. Nicht zuletzt dient die Entsendung von
Stammhausdelegierten auch als Instrument der Personalent-
wicklung. Da Indien im Rahmen der weltweiten Strategie vieler
Unternehmen eine wachsende Bedeutung besitzt, versuchen
diese vielfach, die Zahl der Mitarbeiter mit indienspezifischen
Kenntnissen und Erfahrungen zu erhöhen.
Virtuelle Entsendung als Alternative
Eine Alternative zur Tätigkeit in Indien stellen virtuelle Entsen-
dungen dar (vgl. Holtbrügge/Schillo 2008). Virtuelle Entsandte
sind physisch im Heimatland ansässig, interagieren während
eines Großteils ihrer Arbeitszeit jedoch mit Mitarbeitern, Kun-
den und Lieferanten in Indien. Wohn- und Arbeitsort sind so-
mit getrennt. Diese Führung auf Distanz wird vor allem durch
moderne Informations- und Kommunikationstechnologien er-
möglicht. Virtuelle Entsendungen sind deshalb vor allem in der
IT-Branche verbreitet. Ihre Vorteile sind die Reduzierung von
Entsendungskosten für die Unternehmung sowie die bessere
Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben für die Mitarbeiter.
Dem stehen sehr hohe Anforderungen an die Kommunikations-
fähigkeit gegenüber.
Die Auswahlkriterien
Bei der Auswahl von Entsandten müssen mehrere Kriterien
berücksichtigt werden: Tätigkeitsbezogen-fachliche Kriterien
sind vor allem bei der Verlagerung anspruchsvoller Technolo-
gien und Managementkonzepte nach Indien bedeutsam. Die
fachliche Kompetenz der Entsandten ist zudem dann besonders
wichtig, wenn die Qualitätsanforderungen in der indischen Toch-
tergesellschaft sehr hoch sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn
ausgeprägte Liefer- und Leistungsverflechtungen mit der Mut-
tergesellschaft und anderen Tochtergesellschaften bestehen.
Die Bedeutung verhaltensbezogener Kriterien resultiert
daraus, dass Stammhausdelegierte in Indien häufig über ein
größeres Aufgabenspektrum als im Heimatland verfügen. Die
Gründe dafür sind der zumeist geringere Spezialisierungsgrad
sowie das Fehlen von Stabsabteilungen zur Entscheidungsun-
terstützung. Ausländische Entsandte haben in Indien zudem
oft nicht nur fachliche Aufgaben, sondern ihnen kommt – auf-
grund des ausgeprägten hierarchischen und patriarchalischen
Führungsstils – auch eine persönliche Vorbildfunktion zu.
Interkulturell-umweltbezogene Kriterien zielen auf die spe-
zifischen Anforderungen einer Tätigkeit in Indien ab, die sich
durch die großen kulturellen Unterschiede zu Deutschland
ergeben. In Indien spielen Kaste, Religion und Herkunft ei-
ne wichtige Rolle im täglichen Leben und sind auch am Ar-
beitsplatz von Bedeutung (vgl. Kakar/Kakar 2006). Ohne eine
detaillierte Kenntnis der indischen Kultur ist deshalb eine er-
folgreiche Tätigkeit kaum möglich.
Nicht zuletzt müssen bei der Auswahl persönliche Kriterien
wie das Alter sowie die physische und psychische Belastbarkeit
berücksichtigt werden. Aufgrund des subtropischen Klimas
in den meisten Landesteilen und der damit verbundenen phy-
sischen Belastung maßen bereits die Briten zu Kolonialzeiten
Quelle: Mercer 2011
Rang innerhalb Indiens Rang weltweit
Stadt
1
85
New Delhi
2
95
Mumbai
3
180
Bengaluru
4
194
Chennai
5
207
Kolkata
Abb. 1:
Lebenshaltungskosten für Expatriates in in-
dischen Städten im weltweiten Vergleich 2011