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NEUE FORSCHUNG
_ENTSENDUNG
PERSONALquarterly Oktober_2011
B
ei der Entsendung von Mitarbeitern nach Indien sind
Unternehmen mit besonderen Herausforderungen
konfrontiert. Diese beginnen mit der richtigen Aus-
wahl des Entsandten, der Vorbereitung auf die großen
kulturellen und strukturellen Unterschiede, der Beachtung
der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen und
schließlich einer umfassenden Reintegrationsplanung.
Die Bedeutung Indiens für deutsche Unternehmen hat in den
letzten Jahren stark zugenommen (vgl. Holtbrügge/Friedmann
2011). Nachdem lange Zeit vor allem Großunternehmen in dem
Land investiert haben, werden nun auch immer mehr kleine
und mittelständische Unternehmen dort tätig. Eine große He-
rausforderung stellt dabei die Entsendung deutscher Fach- und
Führungskräfte dar. Im Folgenden werden die in den einzelnen
Phasen auftretenden Probleme skizziert und Lösungsansätze
entwickelt.
Auswahl geeigneter Entsandter
Ausländische Unternehmen stehen vor der grundsätzlichen
Entscheidung, ob vakante Fach- oder Führungspositionen in
Indien mit einem indischen Mitarbeiter oder einem Entsand-
ten der deutschen Muttergesellschaft besetzt werden sollen.
Beide Alternativen der Besetzungspolitik weisen spezifische
Vor- und Nachteile auf. Indische Mitarbeiter sind in einem ho-
hen Maße mit den lokalen Bedingungen vertraut und verfügen
zumeist über ein umfangreiches und in Indien sehr wichtiges
persönliches Beziehungsnetz. Sie verursachen zudem deutlich
geringere Personalkosten. Vor allem für hochrangige Fach- und
Führungspositionen stehen jedoch vielfach nicht genügend
geeignete Stellenbewerber mit internationaler Erfahrung zur
Verfügung. Eine Alternative sind deshalb Non-Resident-Indi-
ans (NRI), d. h. indische Auslandsrückkehrer (vgl. Abb. 2).
Diese sind dann besonders geeignet, wenn sie zuvor in der
Muttergesellschaft tätig waren. Auch indische Auslandsstu-
denten können für Fach- und Führungspositionen rekrutiert
werden. Alleine in den USA sind mehr als 104.000 indische
Studenten eingeschrieben (vgl. Chow/Cho 2011). Dagegen ist
die Zahl indischer Studenten in Deutschland mit 4.000 pro
Jahr nur gering. NRI, die lange Zeit im Ausland gelebt haben,
sind jedoch häufig nicht mehr mit den sich schnell wandelnden
Entsendungsprozesse gestalten: Entsendung
von Fach- und Führungskräften nach Indien
Von
Prof. Dr. Dirk Holtbrügge
und
Carina B. Friedmann
(Universität Erlangen-Nürnberg)
Bedingungen in Indien vertraut. Zudem genießen sie bei in-
dischen Mitarbeitern häufig nur eine geringe Wertschätzung.
Die Zahl der entsandten Mitarbeiter aus der Muttergesellschaft
ist dagegen in Indien weitaus geringer als etwa in China. Indien
gilt in vielen Unternehmen als wenig attraktives Entsendungs-
land. Kulturelle und gesundheitliche Probleme stellen sowohl
beruflich als auch privat für die Mehrheit aller Entsandten
die größten Herausforderungen dar (Crown Relocations 2008).
Daher sind Mitarbeiter der Muttergesellschaft oft nur bei er-
heblichen finanziellen Zulagen zu einer Entsendung in dieses
Land bereit. Zudemmuss berücksichtigt werden, dass für diese
neben dem Grundgehalt weitere Kosten (z. B. Umzugskosten,
Wohnkostenzulage, Beiträge zur Sozialversicherung, etc.) an-
fallen, die insgesamt zwischen 200 und 300 % über den di-
rekten Lohnkosten liegen können. Ein Beispiel hierfür sind die
hohen Mietkosten. Nach der Cost of Living Survey von Mercer
(2011) nehmen New Delhi den 85. und Mumbai den 95. Platz
unter den teuersten Städten der Welt ein (vgl. Abb. 1).
Stammhausdelegierte sind unerlässlich
Trotz der hohen Kosten ist die Entsendung von Stammhaus-
delegierten vor allem in der Aufbauphase einer Tochterge-
sellschaft zur Übertragung von Management-, Produkt- und
Verfahrens-Know-how unerlässlich, da diese Aufgaben zumeist
nicht durch lokale Mitarbeiter bewerkstelligt werden können.
Zu den Aufgaben der Stammhausdelegierten zählt dabei i. d.
R. nicht nur die möglichst reibungslose Einführung moder-
ner Technologien und Managementkonzepte, sondern auch
die Schulung einheimischer Mitarbeiter. Westliche Fach- und
Führungskräfte genießen dabei nach empirischen Studien von
Sinha (2004) und Awasthy/Gupta (2009) eine höhere Wert-
schätzung als indische Manager oder Manager aus anderen
asiatischen Ländern.
Darüber hinaus werden Stammhausdelegierte häufig zur
Steuerung und Kontrolle eingesetzt. Hinter dieser Zielsetzung
steht die Annahme, dass indische Mitarbeiter aufgrund ihrer
Eingebundenheit in den lokalen Kontext eine geringe Unter-
nehmensloyalität besitzen. Stammhausdelegierte sollen zudem
zur effizienten Kommunikation mit der Muttergesellschaft
beitragen. Diese ist insbesondere dann bedeutsam, wenn die