Seite 37 - PERSONALquarterly_2011_01

Basic HTML-Version

37
Oktober_2011 PERSONALquarterly
struktionen sehen kein Weisungsrecht gegenüber dem Frei-
en Mitarbeiter vor. Als Freie Mitarbeiter bevorzugt eingesetzt
werden hoch qualifizierte Spezialisten, die erfahrungsgemäß
mit starker Selbstkontrolle, Wunsch nach persönlicher Wei-
terentwicklung, überdurchschnittlich stark ausgeprägten
Meta-Qualifikationen wie z.B. Selbstorganisation, Sozial- und
Kommunikationsfähigkeiten, Besitz von umfassendem Public
Knowledge wie z.B. Best Practise-Wissen innerhalb einer be-
stimmten Branche, Aufgabenfokussierung statt Loyalität, hohe
Flexibilität sowie Bedürfnis nach Selbstständigkeit und Souve-
ränität ausgestattet sind (Kaiser/ Paust/ Kampe 2007, S. 17ff).
Sie entsprechen in einem hohen Maß den Modellvorstellungen
zum „Arbeitskraftunternehmer“ (Voß/ Pongraz 1998, S. 131ff;
Wilkens 2004), der seine Arbeitskraft, sein Wissen und Kön-
nen selbst vermarktet und im Grundsatz keine langfristige
Bindung an ein Unternehmen anstrebt.
Die aktuelle Rolle der Personalmanager beim Einsatz Freier
Mitarbeiter wird im Allgemeinen sehr negativ beurteilt: „Die
Personalabteilung ist nicht zuständig oder überfordert“ (Kai-
ser/ Paust/ Kampe 2007, S. 47). Dieser Befund darf allerdings
nicht verallgemeinert werden. Werden „Freie Mitarbeiter“
unmittelbar im Personalbereich eingesetzt, verhalten sich die
Personalabteilungen zunehmend als professionelle Grenzgän-
ger, die im Vorfeld des Vertragsabschlusses intensive Netz-
werkpflege betreiben, eine systematische Auswahl der Freien
Mitarbeiter auf der Suche nach geeigneten Kooperationspart-
nern vornehmen, den Inhalt der Kooperation nach Art, Umfang
und Inhalt vertraglich festlegen, den Prozess der Kooperation
interaktiv mitgestalten und etwaige Konflikte und Störfälle in
der Kooperation frühzeitig zu entdecken und durch Verhand-
lungen zu lösen versuchen.
Netzwerkbasierte Kooperation mit
externen Personaldienstleistern
Das Profil der Personalmanager als „Grenzgänger“ wird beson-
ders deutlich bei der Analyse der bestehenden Netzwerk- und
Kooperationsbeziehungen mit externen Personaldienstleistern.
Letztere sind rechtlich selbstständige Unternehmen, die im Ge-
gensatz zumbereits behandelten Fremdpersonal ihre werk- oder
dienstleistungsvertraglichen Leistungen für den Auftraggeber
ausschließlich oder zumindest überwiegend an Einsatzorten er-
bringen, die sich außerhalb des Betriebs des auftraggebenden
Netzwerkunternehmens befinden.
Die DGFP-Pilotstudie 2008 (Armutat et al 2009; DGFP 2008)
gewährt mit einer Befragung von n=148 Personalmanagern
erstmals einen vertieften Einblick in den gegenwärtigen Istzu-
stand, der durch die bereits weit fortgeschrittene Kooperations-
häufigkeit und -intensität in nahezu allen Handlungsfeldern
der Personalarbeit überrascht. Es zeigt sich, dass 93 % der
befragten Personalmanager den Service eines oder mehrerer
externer Dienstleistungspartner nutzen, meist in der Absicht,
(=Werkunternehmer), die Arbeitnehmer entsenden, und dem
auftraggebenden Unternehmen (=Werkbesteller) richtet sich
nach dem Werkvertragsrecht und hat zum Ziel, eine Sache
herzustellen bzw. zu verändern oder einen anderen Erfolg
herbeizuführen. Anders als bei der Arbeitnehmerüberlassung
erhält der Werkbesteller kein Weisungsrecht gegenüber dem
Fremdpersonal, was die Einflussmöglichkeiten des Personal-
managements erheblich reduziert.
Wichtige Ausnahmeregelungen betreffen die Zulässigkeit
von Einzelanweisungen bzgl. Art, Umfang, Qualität, Zeit und
Ort, falls diese zur Vollendung des Werks erforderlich sind.
Im Übrigen aber bleibt die Autonomie des Werkunternehmers
beim Fremdpersonaleinsatz bestehen (Kock 1990, Schlie-
pharke 1995). Die Rolle der Personalmanager beim werkver-
traglichen Fremdpersonaleinsatz wird häufig unterschätzt.
Fach- und Sozialkompetenz der Personalexperten wird schon
bei den strategischen Vorentscheidungen gefordert, ob und
wie viel Fremdpersonal von welcher Qualifikation wann und
wo - in welchen Einsatzfeldern - zum Zuge kommen sollten,
um Eigenpersonal zu ergänzen oder zu ersetzen, ebenso bei
den Verhandlungen mit dem Betriebsrat, beim Aufstellen von
Qualifikationskriterien und bei der Auswahl der Fremdfirmen
als Kooperationspartner.
Dies gilt noch mehr in der Implementierungsphase des werk-
vertraglichen Fremdpersonaleinsatzes, wenn die bestehende
Fürsorgepflicht des Werkbestellers gegenüber dem Werkper-
sonal wahrgenommen, latente oder bereits akut gewordene
Konflikte und Störungen in der Zusammenarbeit zwischen
Fremdpersonal und Eigenpersonal gehandhabt und Linien-
vorgesetzte auf den Umgang mit Fremdpersonal in ihrem
Verantwortungsbereich vorbereitet, geschult und unterstützt
werden sollen. Führung ohne die gewohnte Weisungsbefugnis
ist nicht ganz einfach und stellt z.B. andere Anforderungen an
den Führungsstil als die Führung des weisungsgebundenen
Eigenpersonals. Weitere Einflussmöglichkeiten des Personal-
managements auf die Ausgestaltung der Kooperationsbezie-
hungen ergeben sich z.B. bei der Schaffung leistungsfördernder
Arbeitsbedingungen und bei der Qualifikationsprüfung des an-
gebotenen Fremdpersonals.
Der Einsatz Freier Mitarbeiter/Freelancer
Die Kooperation mit einem oder mehreren Freien Mitarbeitern
unterscheidet sich von den anderen, bereits behandelten Fällen
des Fremdpersonaleinsatzes durch die Besonderheit, dass die
im Betrieb tätigen Freien Mitarbeiter als selbstständige Un-
ternehmer mit dem auftraggebenden Netzwerkunternehmen
in einer direkten vertraglichen Beziehung stehen. Wird der
Werkvertrag gewählt, ist der Freie Mitarbeiter Werkunterneh-
mer und schuldet dem Werkbesteller – wie bereits oben aus-
geführt – den Erfolg, dagegen beim Dienstvertrag lediglich
das Erbringen der vereinbarten Leistung. Beide Vertragskon-