Seite 32 - PERSONALquarterly_2011_01

Basic HTML-Version

32
PERSONALquarterly Oktober_2011
NEUE FORSCHUNG
_BONUSSYSTEME
S
eit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 werden
variable Vergütungssysteme vor allem für den Banken-
und Finanzdienstleistungsbereich zunehmend infrage
gestellt und als einer der Auslöser der Krise genannt.
Die grundlegenden Fragen in der Diskussion sind u. a.: Wel-
che Auswirkungen auf die individuellen Vergütungselemente
zeigen sich während und nach der Finanzkrise? Haben Unter-
nehmen unterschiedlich auf die Krise reagiert oder sind Fixge-
hälter und Boni zwischen Unternehmen heute weitestgehend
standardisiert? Haben sich die Vergütungssysteme von den Er-
folgskennzahlen der Unternehmen abgekoppelt oder findet sich
auch in der Krise ein Zusammenhang zwischen Vergütung und
Unternehmens-Performance wieder? Der vorliegende Beitrag
gibt einen Überblick über aktuelle Antworten auf diese Fragen
am Beispiel einiger Studien über den deutschen Banken- und
Finanzdienstleistungssektor (Emmerich et al. (2009), Emme-
rich et al. (2010), Kampkötter/Sliwka (2011) und Kampkötter et
al. (2011)). Bisher wurden diese Fragestellungen überwiegend
für die Vorstandsebene untersucht und basierten oftmals auf
kleinzahligen Datensätzen (Ausnahmen sind z.B. Gerhart/Mil-
kovich (1990) und Stroh et al. (1996)). Weiterhin gibt es für die
Jahre der jüngsten Finanzkrise vornehmlich nur spekulative
Aussagen und wenig empirische Evidenz.
Einfluss der Finanzkrise auf die individuellen Vergütungen
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse vorgestellt,
die sich bei der Analyse der individuellen Vergütungspakete
im Zeitraum 2005-2010 gezeigt haben. Der in der Finanzbran-
che sehr hohe Anteil bonusberechtigter Mitarbeiter (in Vor-
krisenjahren bis zu durchschnittlich 90 %) ist im Zuge der
Finanzkrise leicht rückläufig und sinkt auf 80 %. Gerade in
wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann es zudem vorkommen,
dass prinzipiell bonusberechtigten Mitarbeitern kein Bonus
ausgezahlt wird. Interessant ist daher eine Analyse des Anteils
der prinzipiell bonusberechtigten Mitarbeiter, die auch einen
(positiven) Bonus ausbezahlt bekommen. Die Erwartungen im
Zuge der Finanzkrise, dass die Banken mehrheitlich den bo-
nusberechtigten Mitarbeitern keine Boni auszahlen würden,
können nicht bestätigt werden. Denn nur eine Minderheit
der Angestellten, die bonusberechtigt sind, erhält tatsächlich
keine positive Bonuszahlung: Dieser Anteil sinkt von 95 % in
Vorkrisenzeiten auf 91 % im Jahr 2010. Jedoch zeigt sich eine
beachtliche Einschränkung der Bonuspools. Nach teilweise ho-
hen Steigerungsraten in der Vergangenheit ist ein drastischer
Rückgang der Bonuszahlungen in der Finanzkrise zu beobach-
ten. Im Jahr 2009 sinken die Boni im Durchschnitt um 40 %.
Aber die manchmal geäußerte Vermutung, dass besonders Be-
schäftigte auf unteren Ebenen von Bonuskürzungen betroffen
sind, kann nicht bestätigt werden, denn der starke Rückgang
wird primär von den höchsten Ebenen getrieben (Rückgang
der Bonuszahlungen z. B. bei den Abteilungsleitern beträgt
40% , bei Bereichsleitern über 50 %, auf den untersten Ebe-
nen nur Rückgänge um ca. 20 %). Nach Geschäftssegmenten
analysiert, finden sich die höchsten Bonusrückgänge in den
oft kritisierten kapitalmarktbasierten Funktionsbereichen wie
z. B. dem Investment Banking und Asset-Management sowie im
Geschäftskundensegment (Rückgänge um bis zu 60 %).
Die Krise führt außerdem zu einer Veränderung im Gesamt-
vergütungsmix der Beschäftigten im Finanzdienstleistungssek-
tor, was besonders am Verhältnis der kurzfristigen variablen
Vergütung zum Grundgehalt (Bonus to Base Ratio) deutlich
wird. Dieser Anteil lag für einen Beschäftigten vor der Krise
bei durchschnittlich 18 %, auf Bereichsleiterebene sogar bei bis
zu 75 %. Doch die Krise führt zu einem massiven Rückgang auf
durchschnittlich 12 % im Jahr 2010, der vor allem auf den höchs-
ten Ebenen sichtbar wird. Auf Bereichsleiter-Ebene ist z. B. ein
Einbruch des Anteils auf 40 % zu verzeichnen, während auf den
unteren Ebenen nur leichte Rückgänge festzustellen sind.
Eine weitere interessante Frage ist, ob sich im Zuge der
Finanzkrise die Unterschiede in Fixgehältern und Bonuszah-
lungen zwischen den Unternehmen verändert haben. Um die
zu analysieren, werden verschiedene Regressionsanalysen
durchgeführt, die durch die Berücksichtigung von unterschied-
lichen Kontrollvariablen validere Aussagen erlauben als rein
deskriptive Vergleiche. Hierzu wird das sogenannte Bestimmt-
heitsmaß (R-Quadrat) der einzelnen Modelle verglichen, d. h.
der Anteil der durch diese Modelle erklärten Streuung an der
Bonussysteme und Unternehmens-
Performance in der Finanzkrise
Von
Dr. Patrick Kampkötter
(Universität zu Köln)
1 Datengrundlage ist eine Beobachtung pro Unternehmen und Jahr. Die hier vorgestellten Ergebnisse
umfassen zusätzliche Daten und Auswertungen aus dieser Studie.
2 Die Bonuszahlungen sind hier dem jeweiligen Geschäftsjahr zugeordnet.