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                SCHWERPUNKT
              
            
            
              _KARRIERE
            
            
              PERSONALquarterly  Oktober_2011
            
            
              Ernüchternd an diesem Ergebnis ist, dass die ersten drei
            
            
              dieser Kompetenzen – wie der vorherige Untersuchungsschritt
            
            
              zeigte – in den Forschungsteams den männlichen Forschern
            
            
              zugeschrieben werden. Bei der Chancenverteilung spielten die
            
            
              den Frauen zugeschriebenen Kompetenzen so gut wie keine
            
            
              Rolle.
            
            
              Welche Konsequenz kann dies haben? Weil die Kompe-
            
            
              tenzen, die Entscheidungsgrundlagen für das Einräumen von
            
            
              Karrierechancen darstellen, eher Männern als Frauen zuge-
            
            
              schrieben werden, werden solche Karrierechancen vermutlich
            
            
              – wenn auch marginal – leichter an Männer als an Frauen
            
            
              vergeben.
            
            
              Die Ergebnisse decken sich mit Befunden der qualitativen
            
            
              Studie, die auch weitere Ursachen für das mangelnde Aufstei-
            
            
              gen von Frauen in Führungspositionen aufdeckt. In den Ex-
            
            
              pertInneninterviews, durch Nummerierungen wie P1, P2, P3
            
            
              ... anonymisiert, findet sich ebenfalls die Konnotierung von
            
            
              zeitlicher Verfügbarkeit mit männlichen Wissenschaftlern.
            
            
              „[…] aber es ist leider so, dass Männer eben eher diese Vo-
            
            
              raussetzungen mitbringen, weil sie halt oft jemanden haben,
            
            
              der für diesen anderen Teil ihrer persönlichen Interessen, also
            
            
              für die Familie, zuständig ist. Sie können sich eher auf eine
            
            
              Karriere konzentrieren“ (P3). Die Konnotierung von Frauen
            
            
              mit Familie und damit mit geringerer zeitlicher Verfügbarkeit
            
            
              zeigt sich auch in anderen karriererelevanten Themen wie der
            
            
              Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Führungsposition
            
            
              in Teilzeit.
            
            
              Zwar wurde von den InterviewpartnerInnen auch explizit
            
            
              darauf hingewiesen, dass die Vereinbarkeitsproblematik nicht
            
            
              geschlechterspezifisch sei: „Führungsposition in Teilzeit, das
            
            
              hat ja nichts zu tun mit dem Geschlecht. Das ist einfach per
            
            
              se schwierig“ (P8). Dennoch erfolgte die Erstnennung der
            
            
              Thematik bei den InterviewpartnerInnen fast durchgängig
            
            
              frauenspezifisch oder es wurden Beispiele von weiblichen
            
            
              Führungspersonen mit Familien genannt (P1). Dieses Schema
            
            
              findet sich in mehreren Zitaten.
            
            
              Die Interviews weisen darüber hinaus auch auf eine Sanktio-
            
            
              nierung der Anpassung von Männern an Lebens- und Erwerbs-
            
            
              verläufe hin, die, beispielsweise durch den bewussten Verzicht
            
            
              auf beruflichen Aufstieg zugunsten anderer Lebensbereiche,
            
            
              als traditionell „weiblich“ angesehen werden. So wird die Nicht-
            
            
              erfüllung des männlichen Rollenstereotyps mehr oder weniger
            
            
              subtil sanktioniert: „Es ist ja durchaus so, dass manche Leute
            
            
              gar nicht diese Führungsverantwortung übernehmen wollen.
            
            
              Das betrifft übrigens Männer wie Frauen auch. Also ich kann
            
            
              mich da an einen Fall erinnern, wo sich wirklich alle gewundert
            
            
              haben, warum sich da Herr Z nicht beworben hat“ (P8).
            
            
              Die Gleichsetzung von Frauen mit Vereinbarkeitsproblema-
            
            
              tiken und geringerer zeitlicher Verfügbarkeit sowie Leistungs-
            
            
              fähigkeit hat jedoch fatale Folgen (Lind, 2007). Die potenzielle
            
            
              Mutterschaft und ihre potenzielle Vereinbarkeitsproblematik
            
            
              disqualifiziert Wissenschaftlerinnen a priori; oft sogar schon
            
            
              vor einer Mutterschaft. Wirkliche Leistung und tatsächliche
            
            
              Verfügbarkeit werden damit aber übersehen.
            
            
              
                Karriereorientierte und geschlechtergerechte Führung
              
            
            
              Benachteiligungen weiblicher Karrieren entstehen also eher
            
            
              subtil und verdeckt, wie die empirischen Ergebnisse des Pro-
            
            
              jekts zeigen. Weiblichen und männlichen Wissenschaftlern
            
            
              werden – entsprechend den stereotypen Rollenzuweisungen
            
            
              an beide Geschlechter – berufliche Kompetenzen und Karri-
            
            
              erechancen in Form von Arbeitsaufgaben unterschiedlich zu-
            
            
              gewiesen.
            
            
              Wie weitreichend und doch unbemerkt diese Mechanismen
            
            
              ihre Wirkung entfalten, zeigt beispielsweise der Befund, dass
            
            
              geschlechtsbezogene Kompetenzzuschreibungen zum Nach-
            
            
              teil der Frauen nicht nur von männlichen, sondern ebenso
            
            
              auch von weiblichen Teilnehmern der Onlinebefragung sowie
            
            
              der qualitativen Interviews vorgenommen werden. Diese Zu-
            
            
              schreibungen finden nicht im luftleeren Raum, sondern in der
            
            
              Interaktion des Teams statt. Auch die qualitativen Interviews
            
            
              zeigen, dass Teams der Ort sind, an dem Arbeit verteilt wird
            
            
              und Chancen vergeben werden.
            
            
              Basierend auf diesen Erkenntnissen sollten Führungskräf-
            
            
              te verstärkt darüber reflektieren, wie sie die tägliche Zu-
            
            
              sammenarbeit im Team gleichermaßen karriereorientierter
            
            
              und chancengerechter gestalten können, um diesen subtilen
            
            
              Benachteiligungen entgegenzuarbeiten. Dabei sollte ein
            
            
              Schwerpunkt auf der dezidierten, bewussten Gestaltung von
            
            
              
                Abb. 3:
              
            
            
              
                Geschlechtsbezogene Kompetenzzuschreibungen
              
            
            
              
                getrennt nach Geschlecht (N=621)
              
            
            
              Kompetenzen mit der höchsten Relevanz
            
            
              für Drittelmittelakquise und Publizieren
            
            
              Kompetenzen mit der geringsten
            
            
              Relevanz für Drittelmittelakquise und
            
            
              Publizieren
            
            
              theoretische Kompetenz
            
            
              zeitliche Verfügbarkeit
            
            
              technische Kompetenz
            
            
              Interesse
            
            
              soziale Kompetenz
            
            
              Führungsfähigkeit
            
            
              eher Männern
            
            
              zugeschrieben
            
            
              -2,0 -1,0
            
            
              1,0 2,0
            
            
              0
            
            
              eher Frauen
            
            
              zugeschrieben
            
            
              weibl.
            
            
              Respondent
            
            
              männl.
            
            
              Respondent
            
            
              weder noch
            
            
              Quelle: Eigene Darstellung