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SCHWERPUNKT
_KARRIERE
PERSONALquarterly Oktober_2011
gen wissenschaftlichen Arbeitsleistungen zu identifizieren, die
die Aussicht auf eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere
erhöhen. Ebenso wurden Arbeitsleistungen identifiziert, die
weniger karrieredienlich sind. Dieser Kriterienkatalog wur-
de durch Führungskräfte der Forschungsgesellschaften er-
gänzt und bestätigt. Dann wurden die TeilnehmerInnen der
Onlinebefragung zunächst dazu befragt, wie wichtig sie die
verschiedenen Leistungskriterien für eine erfolgreiche wis-
senschaftliche Karriere einschätzen (vgl. Abb. 2). In einem
zweiten Schritt wurden sie um ihre Einschätzung gebeten, wie
gut sie diese unterschiedlich karriererelevanten Leistungen
aktuell erfüllen.
In der Zusammenschau der empirischen Ergebnisse zeigte
sich zweierlei: Erstens wissen Frauen sehr wohl um die kar-
riererelevanten wissenschaftlichen Arbeitsleistungen, und
zweitens zeichnen sich keine Leistungsunterschiede zu ihren
männlichen Kollegen in der Selbsteinschätzung ab. Diese Be-
funde werden von einer aktuellenMeta-Analyse gestützt, in der
bei der Betrachtung objektiv erfasster Leistung ebenfalls keine
Geschlechterdifferenzen gefunden wurden.
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Geschlechterdifferenzen bei Karriereverläufen sind auch im Wissen-
schaftsbereich weit verbreitet. Prominente Erklärungsansätze rekurrieren auf Unterschiede
im Humankapital oder aber Geschlechterrollenstereotype.
Methodik:
Es werden quantitative und qualitative Befunde eines interdisziplinären
Forschungsprojekts berichtet. Demnach entstehen Benachteiligungen weiblicher Wissen-
schaftskarrieren subtil und oftmals unbemerkt, etwa wenn stereotype Kompetenzerwar-
tungen den gleichberechtigten Zugang zu wissenschaftlichen Karrierechancen versperren.
Praktische Implikationen:
Führungskräfte sollten ihre Entscheidungsprozesse daraufhin
hinterfragen und bewusster gestalten.
ne deutschlandweite Onlinebefragung durchgeführt, in der
insgesamt 700 WissenschaftlerInnen aller Fachbereiche und
Qualifikationsstufen der außerhochschulischen Forschung
zu Aspekten ihrer individuellen Arbeitssituation, ihres
Teams, ihrer Karrieresituation und weiteren Bereichen Aus-
kunft gaben.
Sind Männer die besseren Wissenschaftler?
Angesichts der auffallenden Geschlechterdifferenzen bei wis-
senschaftlichen Karriereverläufen in der naturwissenschaft-
lichen Forschung drängt sich in der Tat die provokante Frage
auf, ob Männer eventuell die besseren Wissenschaftler sind.
Die These geschlechterbezogener Leistungsunterschiede zählt
zu den „Klassikern“ unter den psychologischen Karrieremo-
dellen und betrachtet den Aufstieg auf der Karriereleiter als
logische Konsequenz der Beiträge des Individuums zu den
organisationalen Zielen (Turner, 1960). Um Spitzenpositionen
entwickelt sich nach dieser Theorie ein fairer Wettbewerb, bei
dem die erbrachten Leistungen die „Aufstiegswährung“ reprä-
sentieren. Als Voraussetzung für die Erbringung exzellenter
Leistungen gilt einerseits das Wissen, auf welche Leistungen
es langfristig tatsächlich ankommt (z. B. Sitzungsprotokoll
führen oder Fördermittelantrag schreiben?), und andererseits
das sogenannte „Humankapital“, also berufliche Fähigkeiten,
Wissensbestände und Expertise (Ng et al., 2005).
Wird dieses Modell auf geschlechterdifferente Karriere-
verläufe angewendet, dann sollten sich vorgefundene Karri-
eredifferenzen zwischen Frauen und Männern durch zwei
Unterschiede erklären lassen: erstens, in dem Wissen darü-
ber, welche beruflichen Leistungen überhaupt karriererelevant
sind, und zweitens hinsichtlich ihrer tatsächlich erbrachten
beruflichen Leistungen.
Die empirischen Ergebnisse im BMBF-Projekt wider-
sprechen diesen theoretischen Vermutungen deutlich. Im
Gegenteil, sie bestätigen einmal mehr, dass weitaus mehr
Ähnlichkeiten als Unterschiede zwischen den Geschlechtern
bestehen. Im Rahmen des Projekts wurden zuerst karrierere-
levante Leistungskriterien recherchiert mit dem Ziel, diejeni-
Abb. 1:
Fächerspezifischer Frauenanteil an außerhoch-
schulischen Forschungseinrichtungen nach Status
(in %).
Quelle: Dautzenberg et.al., 2011