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SCHWERPUNKT
_KARRIERE
Oktober_2011 PERSONALquarterly
G
eschlechterdifferenzen bei Karrierechancen und be-
ruflichen Aufstiegsmöglichkeiten stellen anhaltende
Probleme dar, die weite Teile der Gesellschaft betref-
fen. Die Aktualität dieser Thematik ist ungebrochen,
wie aktuelle Debatten um Frauenquoten für Spitzenpositionen,
den unverändert großen Gender Pay Gap und die „gläserne
Decke“ für Frauen auf dem Weg an die Spitze zeigen. Obwohl
in den letzten Jahren eine Fülle gleichstellungspolitischer Maß-
nahmen angestoßen wurde, ist neben der Privatwirtschaft auch
der Wissenschaftsbereich von der Benachteiligung weiblicher
Karrieren betroffen.
Kaum Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen
Besonders massiv tritt die Unterrepräsentanz von Frauen in
wissenschaftlichen Führungspositionen im Bereich der außer-
hochschulischen Forschungslandschaft auf. Dazu zählen wis-
senschaftlich exzellente Institutionen, die Namen mit Weltruf
tragen: Fraunhofer, Leibniz, Helmholtz oder Max Planck. Der
Anteil der Institutsleiterinnen betrug dort im Jahr 2010 lediglich
6,7 % (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, 2011). Eigene fä-
cherspezifische Datenerhebungen zur Personalsituation in den
außerhochschulischen Forschungseinrichtungen aus den Jahren
2009/2010 zeigen, dass gerade in der Mathematik und den Na-
tur- und Ingenieurwissenschaften der Frauenanteil besonders
niedrig ist (Dautzenberg et al., 2011). Mit Ausnahme der soge-
nannten W2-/C3-Professuren fallen hier die weiblichen Anteile
über alle Besoldungsgruppen hinweg noch geringer aus als an
den Universitäten. Auf die klassischen „Lehrstühle“ (C4-/W3-
Professuren), attraktiver nicht nur durch die persönliche Ver-
gütung, sondern auch durch deren finanzielle Ausstattung und
Ansehen, gelangen nach wie vor kaum Frauen. Zwar liegt der
Schwerpunkt außerhochschulischer Forschungseinrichtungen
überwiegend in den Natur- bzw. Ingenieurwissenschaften, also
in den Fächerdisziplinen, in denen ohnehin wenige Frauen ein
Studium aufnehmen. Doch selbst wennman dies berücksichtigt,
sind Frauen in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert.
Vergleicht man den Anteil von Frauen in den höchsten wissen-
schaftlichen Positionen mit dem Anteil der Doktorandinnen,
wird der dramatische „Verlust“ von Frauen auf dem Weg in die
Leitungspositionen unübersehbar (vgl. Abb. 1).
Benachteiligung weiblicher Karrieren
in der naturwissenschaftlichen Forschung?
Von
Dr. Annett Hüttges, Dr. Patricia Graf, Sylvia Schmid
und
Prof. Dr. Doris Fay
(Universität Potsdam)
Wie kommt es, dass gerade in den Naturwissenschaften mit
ihrem positivistischen Grundverständnis und dem expliziten
Bemühen um rationale, transparente Kriterien wissenschaft-
licher Exzellenz so wenige Frauen den Weg bis zur Professur
schaffen? Die wissenschaftlichen Erklärungsansätze für die
weibliche Unterrepräsentanz – jenseits der populären Rhetorik
von einparkversierten Männern und schuhbesessenen Frauen
– sind vielfältig und empirisch unterschiedlich gut bestätigt.
Exemplarisch werden hier zwei zentrale theoretische Perspek-
tiven näher erläutert, die als Forschungsfragestellungen in die
Konzeption und Durchführung des BMBF-Projekts „Frauen
und ihre Karriereentwicklung in naturwissenschaftlichen For-
schungsteams“ an der Universität Potsdam eingegangen sind.
Das Forschungsprojekt und seine Studien
Die in diesem Beitrag berichteten empirischen Ergebnisse sind
Bestandteil des interdisziplinären BMBF-Projekts „Frauen und
ihre Karriereentwicklung in naturwissenschaftlichen For-
schungsteams“ (www.f-teams.ceip.de), das seit dem Jahr 2009
in Kooperation von Potsdam Transfer und der Professur für Ar-
beits- undOrganisationspsychologie anderUniversität Potsdam
durchgeführt wird. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der
Analyse geschlechterdifferenter Karriereverläufe in der außer-
hochschulischen naturwissenschaftlichen Forschung. In den
Jahren 2009/2010 wurden fächerspezifische Personaldaten der
Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft Deut-
scher Forschungszentren, der Max-Planck-Gesellschaft sowie
der Wissensgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz erhoben.
Die Daten wurden von den zuständigen Personalreferaten der
Dachgesellschaften zur Verfügung gestellt.
Vor dem theoretischen Hintergrund der Geschlechtsrol-
lenperspektive wurden anschließend leitfadengestützte Ex-
pertInneninterviews mit 16 Personalverantwortlichen und
Gleichstellungsbeauftragten der Dachgesellschaften sowie mit
13 InstitutsdirektorInnen und AbteilungsleiterInnen durchge-
führt. Die Auswertung der vollständig transkribierten Inter-
views erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach
Mayring (2003).
Neben der qualitativen Erhebungsmethodik wurde ein
quantitativer Ansatz verfolgt. Dazu wurde im Jahr 2010 ei-