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PERSONALquarterly Oktober_2011
SCHWERPUNKT
_KARRIERE
I
n Zeiten von Globalisierung, weltweitem Wettbewerb
und einer Konkurrenz um die fähigsten Talente, stellen
Trainee-Programme (TrPr) eine geeignete Möglichkeit dar,
Unternehmen mit qualifizierten Nachwuchskräften zu
versorgen. TrPr sind Personalentwicklungsprogramme, wel-
che sich in der Regel gezielt an Hochschulabsolventen
1
richten
(Thom (1987), S. 220)
2
. Als firmenspezifische Nachwuchsförde-
rung bieten sie die Möglichkeit, die geeignetsten Absolventen
früh kennenzulernen und eine Basis für die zukünftige Zusam-
menarbeit zu schaffen. So vollziehen die Unternehmen einen
entscheidenden Schritt zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähig-
keit (Kloke (2009), S. 1).
Das übergeordnete Ziel von TrPr, die Versorgung mit qua-
lifizierten Nachwuchskräften, lässt sich über vier Teilziele
realisieren. Neben dem Ausbildungs- und Sozialisationserfolg
sollen die Informationsergiebigkeit sowie die Imageverbesse-
rung sichergestellt werden. Während sich das Ausbildungs-
ziel an der Vermittlung fachlicher, methodischer und sozialer
Kompetenzen misst, zeigt sich der Sozialisationserfolg im
Kennenlernen der Werte und Kultur des Unternehmens, im
sozialkompetenten Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen
sowie durch den Aufbau eines Netzwerks. Die Informations-
ergiebigkeit bezieht sich aus Sicht des Unternehmens auf den
Zuwachs an Wissen über Leistung und Potenzial der Trainees.
Schließlich ist anzustreben, dass das TrPr intern über ein po-
sitives Image verfügt, da es auf die Unterstützungsleistung
verschiedener Personengruppen, z. B. der Fachvorgesetzten,
angewiesen ist. Extern soll sich das Image des Unternehmens
auf dem relevanten Arbeitsmarkt verbessern
3
.
.
Der Fachvorgesetzte steht im Fokus
Im Fokus der Betrachtung steht der jeweilige direkte Fach-
vorgesetzte der Trainees. Er ist dem Trainee besonders „nah“
Erfolgreiche Trainee-Programme
durch engagierte Fachvorgesetzte
Von
Kerstin Nesemann
und
Prof. Dr. Norbert Thom
(Universität Bern)
(Schuhen (2008), S. 229). Daher kann vermutet werden, dass
sein Einsatz, definiert als Zeit, die er für die Kommunikation
mit dem Trainee aufwendet, einen entscheidenden Einfluss auf
den Erfolg des TrPr hat. Ergebnisse aus über 20 Jahren Brei-
tenbefragungen zu TrPr durch das IOP in Deutschland und der
Schweiz stützen diesen erfolgsrelevanten Zusammenhang. Seit
1987 identifizieren die teilnehmenden Unternehmen, bis auf
zwei Ausnahmen, immer die zeitliche Überlastung des jewei-
ligen Vorgesetzten als das größte Problem für einen effizienten
und effektiven Ablauf ihres TrPr. Diese Erkenntnisse lassen
darauf schließen, dass der Einsatz des Vorgesetzten einen zen-
tralen Einfluss auf die Zielerreichung von TrPr hat.
Einsatz des direkten Fachvorgesetzten
Im Folgenden sollen die Zusammenhänge zwischen dem Ein-
satz des Vorgesetzten und dem Sozialisations-, dem Ausbil-
dungs- sowie dem Informationsziel näher erläutert werden.
Zur Wirkung des Vorgesetzten auf die Sozialisation neuer
Mitarbeitender lassen sich drei Erklärungsansätze heranzie-
hen. Zum ersten erläutert die „sozial-kognitive Lerntheorie“
4
die Art und Weise, wie der Vorgesetzte Einfluss auf die Sozia-
lisation neuer Mitarbeitender nimmt. Das „Lernen am Modell“
ist zentrales Element dieser Theorie (Bandura (1979)). Durch
Beobachtung eines „Modells“, in diesem Fall des Vorgesetzten,
kann der Lernende, hier der Trainee, Einstellungen, Werte und
Verhalten erkennen und „nachahmen“. Der Trainee strebt nach
vergleichbarer Autorität und Verantwortung und identifiziert
sich mit dem Vorgesetzten (Kram (1985), S. 33). Die dabei ge-
wonnenen Informationen dienen als Handlungsrichtlinie für
seine Rolle als Trainee (Bandura (1979), S. 31).
Zum zweiten kam Graen ((1976), S. 1209) im Rahmen des
„Interpersonalen Rollenmodells zwischen einem Vorgesetzten
und einem Neumitarbeitenden“ zu der Erkenntnis: „The super-
visor legitimately can mediate various organizational outcomes
for the focal person.“ Demnach ist der Vorgesetzte eine wich-
tige Quelle für Feedback, was dem Neumitarbeitenden sowohl
beim Erlernen seiner Rolle als auch der Kultur hilft.
Nach Graen ((1976), S. 1206 f.) hat der Vorgesetzte Erwar-
tungen hinsichtlich einer angemessenen Rolle des Neumitar-
beitenden, in diesem Fall dem Trainee („Rollenerwartungen“).
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten die Verfasser auf die Nennung von weiblicher und
männlicher Form. Es sind jedoch stets beide Geschlechter gemeint und mit eingeschlossen.
2 Die erstgenannte Autorin ist Verfasserin der neusten Studie (Nesemann (2012)). Der zweitgenannte
Autor betreut und begutachtet diese Studie von Beginn an, zudem leitete er alle vorangegangenen
Studien am IOP.
3 Diese Zielkategorien stellen eine Weiterentwicklung von Thom, Norbert/Friedli, Vera (2008), Auf der
Suche nach exzellenten Trainee-Programmen. Die besten Trainee-Programme der Schweiz, Moderne
Personalentwicklung. Mitarbeiterpotenziale erkennen, entwickeln und fördern, 3. Auflage, hrsg. v.
Norbert Thom/Robert J. Zaugg, S. 329-341, Wiesbaden dar.
4 Im englischen Original „social learning theory“ genannt. Siehe Bandura (1979) für weitere Ausfüh-
rungen zu den Inhalten dieser Theorie.