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SCHWERPUNKT
_KARRIERE
PERSONALquarterly Oktober_2011
D
er Fachkräftemangel in Deutschland stellt für viele
Branchen bereits jetzt ein großes Problem dar und
wird in den nächsten Jahren weiter an Brisanz zu-
nehmen: Der aktuelle Demografiebericht der euro-
päischen Union ermittelte Deutschland als das Land mit der
ältesten Bevölkerung (durchschnittlich 44,2 Jahre) innerhalb
der EU. Eine Verschärfung des Wettbewerbs um qualifizierte
Nachwuchskräfte ist absehbar (Directorate-General for Em-
ployment, Social Affairs and Inclusion and Eurostat, 2011).
Im zweiten Quartal diesen Jahres ermittelte das Institut für
Arbeitsmarkt und Berufsforschung knapp eine Million of-
fener Stellen, bei 2,9 Million Arbeitslosen (Erhebung des
Gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots, 08/2011
1
). Viele
Unternehmen reagieren mit steigenden Investitionen in die
Rekrutierung und Entwicklung junger Fachkräfte. Young
Professionals sind attraktiv, sodass Arbeitgeber versuchen,
diese möglichst frühzeitig und langfristig zu binden. Trotz
dieser guten Aussichten für Berufseinsteiger starten die
wenigsten Karrieren reibungslos: Laut Berufsbildungsbe-
richt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
wurden allein im Jahr 2009 22,1 % der Ausbildungsverträge
vorzeitig gelöst
2
. Die Hälfte dieser Verträge wird bereits im
ersten Ausbildungsjahr durch die Auszubildenden beendet.
Die meisten der befragten Auszubildenden gaben an, dass
falsche Vorstellungen über das Unternehmen oder den Beruf
Ursachen für diese Entscheidung waren. Um junge Mitarbei-
ter zu binden, muss einerseits die Informationsweitergabe
über Berufs- und Unternehmensanforderungen verbessert
werden. Andererseits muss aufseiten des späteren Arbeit-
nehmers Klarheit darüber bestehen, welche Erwartungen er
an seinen zukünftigen Beruf bzw. das Unternehmen, in dem
er arbeiten möchte, stellt. Dabei variieren die Erwartungen
an Autonomie, Teamarbeit, Sicherheit, Aufgabenschwierig-
keit oder -klarheit zwischen Personen sehr stark. Besonders
bei jungen Bewerbern ist die Erkenntnis der eigenen Be-
dürfnisse und Wünsche sowie der eigenen Fähigkeiten häu-
fig (noch) nicht vorhanden. Die angestrebte gute Passung
Karriere-Coaching:
Personalentwicklung für Berufseinsteiger
Von
Sina Gessnitzer, Prof. Dr. Simone Kauffeld
und
Isabell Braumandl
(TU Braunschweig)
zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen kann daher nur
bedingt vonseiten der Personalauswahl im Unternehmen ge-
löst werden, wenn Unklarheiten aufseiten der „Person“ vor-
liegen. Selbst unter der Voraussetzung, dass keine solchen
Unklarheiten bestehen und bereits Erkenntnisse über eigene
Stärken vorliegen, stehen die Unternehmen vor einem Pro-
blem: Die bereits dargestellten individuellen Erwartungen
der Mitarbeiter ziehen auch individuelle Bedürfnisse bei der
Personalentwicklung nach sich. Denn das Unternehmen pro-
fitiert nur dann von einem reflektierten Mitarbeiter, wenn
nach der Erkenntnis der eigenen Stärken und Entwicklungs-
felder im zweiten Schritt eine Weiterentwicklung des Mit-
arbeiters und eine konkrete Umsetzung resultieren. Diese
Weiterentwicklung im Rahmen einer unternehmensinternen
Personalentwicklung ist demnach am effektivsten, wenn sie
möglichst handlungsorientiert gestaltet und individuell auf
den Mitarbeiter abgestimmt ist. Eine so gestaltete, effektive
Unterstützung junger Mitarbeiter erhöht die Bindung zum
Unternehmen und rechnet sich für das Unternehmen: Die
Kosten, die Unternehmen durch vorzeitige Ausbildungs-
abbrüche oder unzufriedene Berufseinsteiger entstehen,
können nur in die Millionen geschätzt werden. Allein aus
ökonomischen Gesichtspunkten liegt daher ein gelungener
Karrierestart im Interesse des Unternehmens. Mit Karriere-
Coaching werden Berufsanfänger in der dargestellten Weise
gefördert und in ihrer Selbstreflexion unterstützt.
Unterstützung des Berufseinstiegs nach dem Studium
Das Karriere-Coaching-Konzept, das im Folgenden im Mit-
telpunkt steht, wurde mit zwei Zielsetzungen entwickelt: (1)
Zum einen sollte eigens für die Zielgruppe der Studienabsol-
venten ein Coaching entwickelt werden, das die Studieren-
den zielgerichtet auf ihren Berufseinstieg nach dem Studium
vorbereitet. (2) Zum anderen sollten Psychologiestudierende
am Ende ihres Diplom- bzw. Masterstudiums mögliche Metho-
den und Vorgehensweisen im Coaching kennenlernen. Dazu
durchlaufen die Psychologie-Studierenden nach der theore-
tischen Auseinandersetzung mit Coaching selbst ein indivi-
duelles Karriere-Coaching zu ihren persönlichen Zielen in
der Peer-Gruppe (PeerCoaching), bevor sie Studierenden an-
1 Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (08/2011): Erhebung des Gesamtwirtschaftlichen
Stellenangebots. Nürnberg.
2 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berufsbildungsbericht 2011. Bonn.