Seite 28 - Immobilienwirtschaft_2015_02

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Investment & Entwicklung
i
kolumne
Alle wollen ja auch mehr. Mehr Licht, Luft, Wärme, Normen,
Platz, Schönheit, Technik, Medien, Wohlbefinden usw. Das al-
les kann nur mit der richtigen Sichtweise, Interpretation, dem
passenden Kompass und neuen Ideen gelingen. Alles soll gehen.
Aber daraus wird nicht automatisch eine richtige Lösung, eine
gute Architektur oder eine gute Stadt. Wir müssen differenzierter
denken, vielfältigere Lösungen finden. Denn viele Umgebungen
sind komplizierter und abwechslungsreicher geworden.
Die Fakten sind bekannt
Die Leistungsfähigkeit von Prozes-
soren verdoppelt sich alle 18 Monate, das Wissen der Welt an-
geblich alle acht Jahre, medizinisches Wissen sogar alle fünf Jah-
re. Die Anzahl der Menschen mit wissenschaftlich-technischer
Ausbildung ist zwischen 1950 und 2000 von 10 auf 100Millionen
angestiegen. TimBerners-Leemachte dasWorld-Wide-Web-Pro-
jekt 1991 öffentlich und weltweit verfügbar. Seitdem verbreiten
sich Nachrichten, Trends, Erkenntnisse, Wissen und Ideen in ra-
sendem Tempo. Seit 2001 verkauft Apple den iPod, 2007 wurde
das iPhone vorgestellt. Das ist alles noch nicht allzu lange her.
Die Menschheit, Internetadressen, Bauvorhaben, Pkws, Pop-
songs, wissenschaftliche Veröffentlichungen, täglich fahrende
Züge in Deutschland, alles wird mehr, mehr, mehr. Die Unüber-
sichtlichkeit bedarf der Klärung. Viele wünschen sich einfache
Antworten, erkennbare Sachverhalte, offensichtliche Lösungen:
„Entweder/oder, Ja/Nein“-Lösungen. Viele wünschen sich so sehr
Sicherheit und versuchen Risiken auszuschließen.
G
erade habe ichmeiner Tochter noch die Latein-Vokabeln ab-
gefragt, schon sitze ich imAuto und höre Turandot, die Oper
von Puccini. Um 9.00 Besprechung mit A, B und C zu dem
Grundstück D. Dann E wg. F, tel, tel., tel., anschließend Team1,
T2, T3, Mittagessenmit Hwg. I, nachmittags BDAGalerie, Sport
mit meinem Sohn, Abendessen, Vorstandssitzung.
Vater, Hörer, Architekt, Grübler, Auftragnehmer, Arbeitgeber,
Partner, Kollege, Vorstand, Sportler, Ehemann etc. Diese um-
einander schwirrenden Rollen, dieseWirklichkeiten als Bestand-
teile vonWirklichkeiten sind heutige Realität. Keiner ist nur noch
eine einzige Person.
Diese Vorstellung von den Welten neben und in anderen
Welten beschreibt auch unsere Lebens- und Arbeitsumgebung
ganz gut. Nur sehr selten sind wir auf uns alleine gestellt. Immer
wieder gilt es unterschiedliche Perspektiven zu erkennen, zu be-
werten und zusammenzubringen. Ein Projektentwickler sieht in
einem Projekt etwas deutlich anderes als ein Politiker, ein Stadt-
planer, ein Architekt, ein Nachbar, ein Bauphysiker, Tragwerks-
planer, Behindertenbeauftragter, Arbeitnehmervertreter.
Demnach planen wir innerhalb eines Vorhabens viele Ge-
bäude gleichzeitig. Klar, da ist nach der Fertigstellung das real
existierende, physisch vorhandene einmalige Haus. Aber zusätz-
lich gibt es die vielen Häuser in den Vorstellungen der anderen.
Wenn das so ist, hat das Einfluss auf unser Denken und Handeln.
Immer öfter müssen wir Erkenntnisse von anderen nutzen,
umpassende Antworten für eine anspruchsvollereWelt zu finden.
Im Auge des Orkans
Foto: Dirk Weiß