Seite 33 - Immobilienwirtschaft_2014_07-08

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-8.2014
befinden. So sind die Preise in urbanen Zentren deutlich stärker
gestiegen als in der ländlichen Peripherie. Ja, in makroökono-
misch abgelegenen Regionen Deutschlands sind die Preise auch
für attraktive Lagen vielerorts sogar zurückgegangen.
Des Weiteren haben sich in Ballungszentren Wohnanlagen
stärker verteuert als Häuser, in der Peripherie lagen häufigHäuser
vor Wohnungen. Und öfter ging es um Neubauten und weniger
umWiederverkäufe. In diesenTendenzenmachen sich die Trends
der Immobilienwirtschaft bemerkbar.
Wir beobachten spezifische demografische Prozesse einer al-
ternden Bevölkerung. Die Gesellschaft verändert sichweg von der
Großfamilie hin zu kleinen Haushalten. Die bislang lebenslan-
ge Familienbindung geht über zu wechselnden Partnerschaften
und Patchwork-Wohngemeinschaften. Dies alles verlangt nach
hochflexiblen, passgenau auf die aktuelle Lebenssituation zuge-
schnittenen Immobilienangeboten.
Für die Immobilenwirtschaft heißt dies umlernen. Denn
ebenso wird die Attraktivität der Gegend immer dominanter
werden. Vor allem aber gewinnt neben der Lage die Qualität
weiter an Bedeutung. Es geht dabei nicht nur um Bausubstanz
oder Innenausbau. Es geht vielmehr darum, den vielfältigen Er-
wartungen von Käufern und Mietern gerecht zu werden. Große
(Einfamilien-)Häuser etwa fallen zunehmend aus diesem Rah-
men, auch wenn die Lage stimmen würde. Kleine oder multi-
funktionaleWohnungen hingegen vor allem in Fußgängerdistanz
zu urbanen Subzentren in attraktiven Großstädten dürften den
neuen Trends besser entsprechen.
Lage allein richtet es nicht!
Das Lage-Dogma der Immobilienwirtschaft wird durch
ökonomische, gesellschaftliche und demografische Trends
aufgeweicht.
«
Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut gemeinnützige
GmbH (HWWI), Hamburg Institute of International Economics (HWWI)
J
eder Experte kann im Schlaf die drei wichtigsten Faktoren
benennen, die den Preis einer Immobilie bestimmen: erstens
Lage, zweitens Lage, drittens Lage. Kein Fachbuch, das nicht
auf die fundamentale Bedeutung der Lage einer Immobilie hin-
weist. Stimmt auch: Die Lage ist und bleibt bedeutsam. Doch sie
allein wird nicht mehr genügen, um in der Immobilienwirtschaft
erfolgreich zu sein.
Die Entwicklung der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass die
Immobilienwirtschaft – nach einer langen Durstphase als Folge
der Übertreibungen im Wohnungsbau nach der Wiedervereini-
gung – wieder Tritt gefasst hat. Seit Beginn der laufendenDekade
sind die Preise für Wohnimmobilien deutlich angestiegen – um
durchschnittlich 2¾ Prozent pro Jahr.
*
Ein Sammelsurium von
Faktoren ist dafür verantwortlich:
1. Die Stärke der deutschen Wirtschaft hat für eine stabile Be-
schäftigung, steigende verfügbare Einkommen und neue Zu-
versicht geführt. Das alles hat die Nachfrage nach Wohnraum
gefördert.
2. Die Finanz- und Staatsschuldenkrise ließ das Niveau für Hypo-
thekenkredite auf rekordtiefe Niveaus sinken. Das macht Bauen
auf Pump billig.
3. Gleichzeitig sorgten die tiefen Zinsen dafür – vor allembei fest-
verzinslichen Wertpapieren –, dass Immobilien wegen der sehr
niedrigen Renditen oder hohen Risiken bei anderen (Finanz-)
Anlageformen zu attraktiven Alternativen wurden.
4. Schließlich blieb die Unsicherheit groß, wann wo welche neue
Krise ausbrechen oder die Inflation nach oben schnellen wür-
de. Mit einer Flucht in Sachwerte – also auch durch den Kauf
von Immobilien – konnte man da scheinbar nichts falsch ma-
chen.
So weit, so gut. Aber die Preisentwicklung verläuft nicht
deutschlandweit gleichmäßig. Ein weiteres Indiz, dass Lage al-
lein immer weniger genügt, um Erfolg zu haben. Die Immobilie
muss sich auch in der richtigen – nämlich attraktiven – Region
Die akademische Seite
Prof. Dr. Thomas Straubhaar
*Alle empirischen Belege finden sich in Deutsche Bundesbank,
Monatsbericht Oktober 2013, S. 13-30.