Seite 49 - Immobilienwirtschaft_2014_06

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49
6.2014
Präsentiert von:
Rechtsanwalt Alexander C. Blankenstein
Fachanwalt für Miet- und
Wohnungseigentumsrecht, Düsseldorf
Wohnungs-
eigentumsrecht
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Zugunsten einer Wohnungseigentümerin ist ein Sondernutzungsrecht im Be-
reich des gemeinschaftlichen Gartens begründet. ImBereich des Sondernutzungsrechts
befindet sich eine Zypresse. Die Eigentümer hatten mehrheitlich beschlossen, diese Zy-
presse zu entfernen. Hiergegen wendet sich die sondernutzungsberechtigte Eigentüme-
rinmit einer entsprechenden Beschlussanfechtungsklage. Die Klage war erfolgreich. Die
Zypresse erwies sich als prägend für die Gartenanlage. Die sondernutzungsberechtigte
Eigentümerinwäre durch das Entfernen der Zypresse in erheblichemMaß beeinträchtigt
gewesen. Der weitere auf dem gemeinschaftlichen Grundstück vorhandene Baumbe-
stand bildet eine Art „grünen Hintergrund“. Würde die Zypresse entfernt werden, ginge
dieser optische Eindruck verloren..
FAZIT:
Das Fällen eines die Wohnanlage prägenden Baumes stellt eine Maßnahme der
baulichenVeränderung dar, die der Zustimmung aller eingetragenen Eigentümer bedarf.
Etwas anderes gilt, wenn der Baum „krank“ ist und eine Gefährdung darstellt. Dann
kann das Fällen als Verwaltungsmaßnahme mehrheitlich beschlossen werden.
SONDERNUTZUNG
Fällen eines „prägenden“
Baumes ist eine bauliche
Veränderung
Bei der Entfernung eines Baumes
handelt es sich um eine bauliche Ver-
änderung, wenn der Baum die Anlage
entscheidend prägt bzw. charakteris-
tisch für den optischen Eindruck der
Wohnanlage ist.
LG Hamburg, Urteil v. 29.5.2013, 318 S 5/13
Werden Balkone an einer Fassade ange-
bracht oder wird einDachbalkon errichtet,
dann stellt dies einen auf Dauer angelegten
Eingriff in das Gemeinschaftseigentum
bzw. eine Veränderung des Gemein-
schaftseigentums dar. Wegen der hiermit
verbundenen optischen Veränderung der
Wohnanlage und des massiven Eingriffs
in die Substanz des gemeinschaftlichen
Eigentums handelt es sich um eine all-
zustimmungspflichtige bauliche Verän-
derung. Daher kann keine ordnungsge-
mäße Erstherstellung der Wohnanlage
angenommen werden, die einfachmehr-
heitlich beschlossen werden könnte. Der
Umstand, dass in der Teilungserklärung
eine Duldungsverpflichtung der anderen
Eigentümer für den Fall eines Balkonaus-
FAKTEN:
In der Teilungserklärung ist ge-
regelt, dass die Wohnungseigentümer
den Anbau von Balkonen grundsätzlich
zu dulden hätten. Der Dachgeschossei-
gentümer wollte einen Balkon errichten.
Er stellte einen entsprechenden Antrag
in der Eigentümerversammlung zur Ab-
stimmung, der allerdings mehrheitlich
abgelehnt wurde. Der Dachgeschosseigen-
tümer focht den Negativbeschluss an. Er
ist der Auffassung, aufgrund der Regelung
in der Teilungserklärung handele es sich
nicht um eine bauliche Veränderung des
Gemeinschaftseigentums. Es liege viel-
mehr der Fall einer erstmaligen ordnungs-
mäßigenHerstellung derWohnanlage dar.
Dieser Auffassung konnte sich das Gericht
allerdings nicht anschließen.
Urteil des Monats:
Bauliche Veränderung: Trotz Duldungsverpflichtung Zustimmung erforderlich
Der Umstand, dass in der Teilungserklärung eine Duldungsverpflichtung der anderen Eigentümer für den Fall eines
Balkonausbaus vorgesehen ist, bedeutet lediglich eine vereinbarte Entscheidung über das „Ob“, nicht aber das „Wie“
eines konkreten Balkonanbaus. Es bedarf auch hinsichtlich des „Wie“ der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer.
LG Berlin, Urteil v. 16.7.2013, 55 S 171/12 WEG
baus vorgesehen ist, bedeutet lediglich
eine Entscheidung über das „Ob“.
FAZIT:
Oft führen Regelungen in Teilungs-
erklärungen zu Problemen für die Ver-
walterpraxis. Nicht selten sind insoweit
Vereinbarungen, wonach bauliche Ver-
änderungen des Gemeinschaftseigentums
nur nach vorheriger Zustimmung des Ver-
walters zulässig sind. In der Praxis wenden
sich bauwillige Eigentümer an den Ver-
walter, dieser erteilt seine Zustimmung
und die Baumaßnahme wird umgesetzt.
Dies ist jedoch falsch. Nachdem der Ver-
walter mit dem Begehren des bauwilligen
Eigentümers konfrontiert wurde, muss er
noch einen Beschluss über die begehrte
bauliche Veränderung herbeiführen.
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