Seite 27 - Immobilienwirtschaft_2014_06

Basic HTML-Version

27
6.2014
lohnen? Oder anders gefragt: Wird in Deutschland zu viel in den
Wohnungsbestand investiert undwerden unwirtschaftlicheMaß-
nahmen getätigt?
ZU HOHES INVESTITIONSVOLUMEN
Fehlinvestitionen sind imWoh-
nungsbau nichts Neues. Allerdings finden diese typischerweise im
Wohnungsneubau statt. Man schaue nur auf Spanien und Irland
oder Deutschland und Schweden der 1970er Jahre. Auch Über-
investitionen in die Bestände hat es sehr wohl schon gegeben. Als
Lehrbeispiel hierfür dient Ostdeutschland in den 1990er Jahren.
Dort wurde versucht, mit hohen Sanierungsaufwänden demgras-
sierenden Leerstand Herr zu werden. Doch bei sinkender Ren-
tabilität wurde dieser nur innerhalb der Stadt herumgeschoben.
Diese Strategie hatte fast zu einem kompletten Zusammenbruch
der dortigen Wohnungswirtschaft geführt.
Meine These lautet, dass derzeit vor allem nicht wirtschaft-
liche energetische Sanierungen von Wohnungen zum hohen In-
vestitionsvolumen imLande beitragen. Zudemkönnten sich auch
die Investitionen in Wohnkomfort und Gebäudeoptik vielerorts
als zu hoch erweisen. Dies gilt gerade für Regionenmit schwacher
Wohnungsnachfrage. Hier dürften sich für viele Eigentümer ihre
Investitionen beim Verkauf ihrer Wohnungen und Häuser nicht
auszahlen.
Klar: jeder investiert so viel er will und kann. Doch die Sache
hat einen gravierenden Haken: Die hohen Investitionen erhö-
hen schlicht auch die Kosten für die Mieter. Und berichten nicht
Wohnungsunternehmen wiederholt, dass unsanierte und damit
günstige Wohnungen schneller zu vermieten seien als sanierte?!
Sollten die Investitionsvolumina also tatsächlich zu hoch sein,
so bleibt offen, ob und wann sich dies korrigiert. Es ist jedoch zu
hoffen, dass dies bald geschieht. Denn derzeit sind die Kapazitäten
der Bauwirtschaft ohnehin durch ansteigendende Neubauaktivi-
täten an der Auslastungsgrenze.
Fehlinvestitionen fallen jedem auf die Füße
30 bis 40 Prozent der Mieterlöse investieren
viele Eigentümer pro Jahr in ihre Wohnungen.
Vorsicht! Das ist oft unwirtschaftlich.
«
Prof. Dr. Harald Simons, empirica ag, Berlin
D
er deutsche Wohnungsbestand entwickelt sich. Seine Qua-
lität erhöht sich kontinuierlich – sowohl in Bezug auf ener-
getische Effizienz als auch in Bezug auf denWohnstandard.
Zentralheizungen gibt es heute flächendeckend, Einheiten ohne
mindestens ein Duschbad nur noch sehr selten. Die Küchen sind
fast immer gefliest. Türen und Fenster schließen in der Regel
gut. Kurzum: Die meisten Gebäude sehen ordentlich aus und
der Energieverbrauch der Wohnungen sinkt.
Der hohe und weiter steigende Standard ist zwar erfreulich,
aber kostet nun einmal Geld. In sage und schreibe 62 Prozent
aller deutschen Wohnungen wird laut der Bauvolumensrech-
nung des DIW jährlich Geld hineingesteckt, im Mittel 4.300
Euro. Im Geschosswohnungsbau ist es zwar mit 56 Prozent oder
3.000 Euro etwas weniger. Aber gleichwohl beeindrucken auch
diese Zahlen. Insgesamt kommen so jährlich für den deutschen
Wohnungsbestand ohne Neubau rund 110Milliarden Euro netto
(130 Milliarden Euro brutto) für Instandhaltung, Renovierung,
Modernisierung oder Sanierung zusammen. Dies ist nach einer
Untersuchung von euroconstruct im Jahr 2013 innerhalb der
Europäischen Union nach Dänemark der zweithöchste Wert. So
wird, je Einwohner gerechnet, in Frankreich und den Niederlan-
den nur 60 Prozent des deutschen Werts investiert, in Schweden
rund 45 Prozent und in Österreich und Großbritannien sogar
nur rund 40 Prozent – und das seit Jahren.
UNWIRTSCHAFTLICHE MASSNAHMEN?
So weit, so gut. Doch die
Frage lautet, inwieweit sich diese Investitionen auch wirtschaft-
lich lohnen. Denn den jährlich 3.000 Euro Investitionen in 56
Prozent aller Geschosswohnungen steht laut Mikrozensus eine
durchschnittliche Bestandsmiete von lediglich 350 Euro pro
Monat gegenüber. Damit entsprechen im Mittel über alle Ge-
schosswohnungen die jährlichen Bestandsinvestitionen rund 40
Prozent der Mieterlöse. Auch die im GdW organisierten Woh-
nungsunternehmen geben an, fast 30 Prozent ihrer Mieterlöse
allein für die Instandhaltung aufzuwenden. Kann sich das alles
Die akademische Seite
Prof. Dr. Harald Simons