Pinguine in der Antarktis besuchen?
Lego entdecken? Seit April braucht
man dafür nur noch bis Oberhausen
zu fahren. 15 Millionen Euro ließ sich
Merlin-Entertainment die Erweiterung
ihrer Aquawelt kosten. Eine Million
mehr Besucher soll sie dem Shopping-
und Freizeitkomplex bringen. 2012 zog
es 23 Millionen Besucher in die „Neue
Mitte“, knapp 450.000 blieben über
Nacht. Zahlen, die belegen: Der Wan-
del von der verblichenen Industriestadt
zum Tourismusmagneten funktioniert.
Wendepunkt ist der 12. September 1996.
Ab da floss keine Stahllegierung mehr,
sondern Kohle auf der 83-Hektar-Indus-
triebrache. Allen voran in Deutschlands
größter Mall, dem CentrO, mit mittler-
weile 119.000 Quadratmetern Brutto-
Verkaufsfläche.
Marode Malocherstädte
„Die umliegenden Gemeinden fürch-
teten die Handelsmacht, entsprechend
steinig war der Genehmigungsweg“,
erinnert CentrO-Anwalt Dr. Johannes
Grooterhorst, der das Projekt bis vor
das Bundesverwaltungsgericht vertei-
digte. Ein Vorhaben dieser Größe hatte
schon damals hohe Klippen zu nehmen,
aber viele glückliche Umstände trafen
zusammen: Wiedervereinigungsbedingt
lag das Investoreninteresse im Osten
und die Ruhrstadt nach Verlust von
47.000 Arbeitsplätzen in Agonie. Das
verkehrstechnisch traumhaft angebun-
dene 143-Hektar-Thyssenareal suchte
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05 | 2013
Mitte
Rahel Willhardt, Köln
eine Nachnutzung und Stadtdirektor
Burkhard Drescher peitschte das visi-
onäre Projekt gegen alle Widerstände
durch. Mit Eddie Healey hatte er einen
solventen Entwickler gefunden, gewillt
zu beweisen: Marode Malocherstädte
sind wiederbelebar. Dass man das nach
US-Vorbild geformte Einkaufsvergnü-
gen „Neue Mitte“ taufte, war ein genialer
Schachzug, der Skeptikern Wind aus den
Segeln nahm.
Wer heute Oberhausen sagt, meint
in der Regel „Neue Mitte“. Das CentrO
ist eine echte Alternative zur City. Für
den Shoppingcenterexperten der ersten
Stunde, Peter Fuhrmann, ist klar: Die
Mischung macht’s! Dazu muss man wis-
sen: Bei Angloamerikanern galten Malls
bereits als Ausflugsziele – hier eher als In-
nenstadtplagiat. Entsprechend skeptisch
beäugte die Branche Nova wie Flanier-
promenade, Multiplex-Kino oder den
1.200-sitzplatzstarken Foodcourt. „Wie-
so auf zahlungsschwächere Unterhal-
tungsangebote mit Magnetkraft setzen,
wenn mietstarke Filialisten zur Hand
sind?“, schüttelten Handelsexperten den
Kopf. Mittlerweile sind sie schlauer. Das
CentrO funktionierte vom ersten Tag
an, die Lernkurve im Freizeitareal war
höher. Es leistete Pionierarbeit: Aus der
Modellbahnwelt wurde die der Spiona-
ge; die Musical Hall kam erst dank Stage
Entertainment und 20 Millionen Euro
von Extrainvest in Schwung; und der ka-
russelgespickte Freizeitpark erblüht nun
unter Merlin-Entertainments Fittichen
zum Sealife-Park. So betrachtet ist es ein
Echtzeitversuchslabor, das Oberhausen
zu einer vitalen Mitte verhalf.
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CentrO.
Für 2,1 Milliarden D-Mark legte sich Oberhausen
vor 17 Jahren eine „Neue Mitte“ zu. Wieso funktioniert
diese Stadt aus der Retorte?
Pinguine in der
Einkaufswelt
Wer heute Oberhausen
sagt, meint in der Regel
die „Neue Mitte“ und
das CentrO.