Seite 63 - Immobilienwirtschaft_2012_01

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12-01 | 2012
hat einen besonders starken Zuzug an
qualifizierten Arbeitskräften, die sich
nicht nur teure Klamotten aus dem
Areal rund um die Frauenkirche leisten
können, sondern von Fall zu Fall auch
eine schicke Eigentumswohnung in den
Stadtteilen Alt-Bogenhausen, Lehel oder
Schwabing.
Analog gilt auch für Büros: Nicht
die Spur einer allgemeinen Blasenbil-
dung, stattdessen klare Differenzierung
zwischen einerseits Core, also Büros in
Toplagen mit moderner Ausstattung ein-
schließlichGold- oder Platinzertifikat für
1913
entsteht in den USA das Federal
Reserve-System, eine von privaten Banken
ausgehandelte Lizenz zur beliebigen Geld-
vermehrung, die bis heute für eine gigan-
tische Dollar-Blasenbildung rund um den
Erdball sorgt.
1923 ›
erleidet Deutschland eine Hyperin-
flation. Die Geldblase platzt, auch Immo-
bilieneigentümer werden zur Kasse gebe-
ten.
1929 ›
platzt die Aktienblase in den USA
und anderswo mit einem lauten Knall, weil
Groß- und Kleinanleger sich über Aktien-
käufe auf Kredit verspekuliert haben. Die
Folge: Weltwirtschaftskrise.
1948 ›
kommt es in Deutschland zur Wäh-
rungsreform. Wer westdeutsche Immobili-
en und die richtigen Aktien besitzt, kann
aufatmen, während Papiergeld, Anleihen
und Lebensversicherungen wegen der in
den 30er- und 40er-Jahren aufgestauten
Inflation fast vollständig an Wert verlieren.
1970
zerfällt die Investmentgesellschaft
IOS, die besonders den deutschen Markt
mit dubiosen Fonds versorgt hat. Ihre rü-
den Verkaufsmethoden werden später von
Banken und Sparkassen nachgeahmt.
1980
erreichen die Preise von Gold und
Silber Rekordhöhen und stürzen dann tief
ab.
1987
Crash an den Weltbörsen. Von da an
pumpt das amerikanische Federal Reserve-
System erst unter Alan Greenspan und spä-
ter unter Ben Bernanke die internationale
Staatsschuldenblase mit Geldgeschenken
auf.
1990
beginnt die Luft aus der japanischen
Immobilien- und Aktienblase zu entwei-
chen. Dauer: Bis heute.
1995,
ein Jahr nach der Pleite des Bau-
löwen Jürgen Schneider, endet fürs Erste
der deutsche Immobilienboom, der 1949
mit der steuerlichen Förderung über Ab-
schreibungen begonnen hat und mit dem
Fördergebietsgesetz zu Beginn der 90er-
Jahre seinem Höhepunkt entgegenstrebt.
Die Folge: Jede Menge Firmen- und Pri-
vatinsolvenzen.
2000
platzt die internationale Aktienblase.
2008 ›
kommt es im Gefolge der geplatzten
amerikanischen Häuserblase und der Pleite
der US-Bank Lehman Brothers zur globalen
Finanzkrise. Sie reißt auch Immobilienmärk-
te nach unten, wie in Spanien und Irland.
Abhilfe: Konjunkturprogramme und noch
mehr Staatsschulden.
2010
Der Euro gerät ins Wanken, weil
mehrere Euro-Länder viel zu hohe Schulden
haben. Die Europäische Zentralbank macht
es wie ihre amerikanische Schwester: Sie
bläst das Finanzsystem mit Geld auf.
2011
werden die alten Staatsschulden
einiger Euro-Länder gestrichen und viel
höhere neue gemacht. Die Folge: Anleger
fliehen in Gold und Immobilien. Dauer: Bis
auf Weiteres.
Die größten Blasen des 20. und 21. Jahrhunderts
Nachhaltigkeit, und andererseits Nicht-
Core von Value Ad bis Opportunistic.
Wobei durch die mit der Qualität der
Immobilien abnehmende, auch wegen
der Staatsschuldenkrise eingeschränkte
Bereitschaft der Banken, Nicht-Core zu
finanzieren, die Differenz zu Core noch
größer werden lässt.
Fazit: Es wird noch Jahre dauern, bis
am deutschen Immobilienmarkt eine Bla-
se entstehen könnte, die auch nur in etwa
mit den bisherigen großen Blasen seit
1913 zu vergleichen wäre. Andere Märkte
sind da aktuell viel mehr gefährdet.
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durch realwirtschaftliche Umstände zu
rechtfertigenden Preisanstieg auszeich-
net. Wesentliches Merkmal ist dabei ein
Anstieg der Immobilienpreise unabhän-
gig von objektspezifischen Kriterien.“
Also wie in den neuen Bundesländern
nach der Wende generell bei Wohn- und
Gewerbeimmobilien oder in den USA bis
2007 bei Eigenheimen (siehe Kasten).
Viel billiges Geld
Lässt man die größten Blasen des 20. und
21. Jahrhunderts Revue passieren, fällt
auf, dass Immobilien dabei zwar auch
eine große Rolle spielten, dann aber nicht
so dominant waren, dass man vor allem
den mit ihnen jonglierenden Speku-
lanten die Schuld an den anschließenden
Krächen zuschieben könnte. Denn jede
Blasenbildung beginnt mit viel billigem
Geld und/oder steuerlichen Anreizen,
kredit- und/oder fiskalinduziert eben.
Am Anfang machen die ganz Cleveren
mit, im Geschäft mit Immobilien etwa
Projektentwickler der ersten Stunde, ihre
steuerlichen Berater, Banken und Initia-
toren mit einer immer größer werdenden
Vertriebsgefolgschaft. Dann lassen sich
zunehmend Kunden überzeugen oder
überreden, es entsteht ein Herdentrieb,
Risiken werden verdrängt, Kontrollen
umgangen. „Gier frisst Hirn“, wie es im
Branchenjargon so unschön heißt.
Von all dem ist der deutsche Im-
mobilienmarkt insgesamt noch weit
entfernt, sieht man von der einen oder
anderen Übertreibung bei Wohn- und
Einzelhandelsimmobilien in München
und demnächst wohl auch in den an-
deren deutschen Metropolen ab. Doch
München heute ist nichts im Vergleich
zu Spanien, Irland, USA, Dubai und an-
deren Ländern gestern, zu Zürich und
Genf heute oder wahrscheinlich zu halb
China morgen, wo die kreditinduzierte
Blasenbildung sich schon in einem fort-
geschrittenen Stadium befindet.
Außerdem gibt es, anknüpfend
an die Definition von baufi-info24, in
München und anderswo in Deutschland
keinen allgemeinen Anstieg der Immo-
bilienpreise „unabhängig von objektspe-
zifischen Kriterien“. Gerade München