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12-01 | 2012
die Preise in die Höhe.“ In der Tat ist
in Schweden der klassische Mittelstand
kaum ausgeprägt; im sozialdemokra-
tischen Wohlfahrtsstaat wurden Exis-
tenzgründungen und Eigeninitiative
nicht gefördert. Auch haben die drei
kommunalen Wohnungsbauunterneh-
men bisher keine gute Figur gemacht.
Anstatt preisgünstige Mietwohnungen
für einkommensschwache Gruppen zur
Verfügung zu stellen und das Geschäft
mit Eigentumswohnungen Privaten zu
überlassen, veräußern sie in hohem Maß
Mietwohnungen, die in Eigentumswoh-
nungen umgewandelt werden.
Die lokal regierende Partei der Mo-
deraten verweist darauf, dass durch den
Verkauf von Mietwohnungen bisher
umgerechnet fast 1,8 Milliarden Euro in
die Kassen der Stadt gespült worden sei
– Geld, das wiederum für soziale Zwe-
cke und Infrastruktur verwendet wer-
den könne, so die Argumentation. Eine
Sprecherin der gemeinnützigen Svenska
Bostäder bestätigt: „Die politisch Ver-
antwortlichen ermuntern uns weiterhin,
Miet- in Eigentumswohnungen zu ver-
wandeln.“ In den vergangenen 20 Jahren
ist der Anteil von Mietwohnungen von
75 auf 55 Prozent gesunken, obwohl es
kaum Eigenheime in der Innenstadt gibt,
sondern vorwiegend Mehrfamilienhäu-
ser. Der Leerstand in kommunalen Woh-
nungen ist gleich null.
Neue Wohnungen gibt es kaum
Das wäre an und für sich nicht schlimm
– wenn nicht gleichzeitig kaum mehr
Mietwohnungen gebaut würden. Für
Privatinvestoren lohnt sich das Modell
wegen der Baukosten nicht. Die durch-
schnittlichen Grundstücks- und Baukos-
ten für Mehrfamilienhäuser lagen zuletzt
bei umgerechnet fast 4.000 Euro pro
Quadratmeter. Auf Brachen, etwa ehe-
maligen Hafenflächen, kommt die Alt-
lastensanierung hinzu. Es würde viel zu
Stockholm. Eng sind in Schwedens
Hauptstadt nicht nur die Gassen,
sondern auch der Wohnungsmarkt.
Viele Menschen warten jahrelang
auf eine passende Bleibe.
lange dauern, bis diese Kosten über Mie-
ten in die Kassen der Immobilienfirmen
zurückkommen. Die Kommune könnte
Privatfirmen Anreize geben, solche Pro-
jekte trotzdem zu wagen; oder etwa den
Bau bestimmter Wohnungstypen för-
dern. Das tut sie aber nicht.
Zuletzt kostete eine Eigentumswoh-
nung in der Innenstadt im Durchschnitt
mehr als 57.000 Kronen pro Quadratme-
ter, das sind etwa 6.270 Euro. Im noblen
Stadtteil Östermalm können es auch
einmal 8.000 Euro pro Quadratmeter
sein. Zum Vergleich: Schon in der Re-
gion sinkt der Preis pro Quadratmeter
auf etwa 3.720 Euro. Dazu kommen teils
happige Monatsabgaben: Man kauft sich
nämlich im Prinzip nur ein dauerhaftes
Nutzungsrecht an einer Wohnung, das
sogenannte Bostadsrätt. Damit wird man
Teil einer Eigentümergesellschaft, an die
man eine monatliche Abgabe zahlt; dazu
kommen die Betriebskosten. Bei Neu-
bauten können diese Kosten fast so hoch
sein wie eine reguläre Miete.
Deutlich wird die brisante Situation
vor dem jährlichen Semesterstart. Stu-
denten bleibt oft nur, der Preise wegen ins
weit entfernte Umland und in unattrak-
tive Wohnungen zu ziehen. 80.000 Stu-
dierende konkurrieren um 12.000 Plätze
in Wohnheimen. Regelmäßig geistern
Bilder zeltender Studienanfänger durch
die Medien. Die Königlich-Technische
Hochschule hat jüngst angekündigt,
Container auf dem Campus aufzubauen.
Inzwischen scheint die Po-
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