Gegen den Strom
Für die Bewertung einer Immobilie ist
vor allem eines wichtig: Lage, die Lage
und nochmals die Lage. Dieser Grund-
satz hat bei Unternehmen gerade jetzt ei-
nen besonders hohen Stellenwert. Wird
die Zentrale verlegt, werden Produkti-
onskapazitäten erweitert, dann stehen
Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main,
Hamburg oder München bei Firmen
als Immobilienstandorte hoch im Kurs.
Denn diese Städte gelten als urbane
Boom-Zentren in Deutschland, die über
eine hervorragende Infrastruktur verfü-
gen und auch sonst viel zu bieten haben.
Bochum, Wuppertal, Duisburg, aber
auch viele Städte in den neuen Bundes-
ländern dagegen haben im Poker um
Unternehmensansiedlungen häufig das
Nachsehen. Doch hin und wieder ge-
lingt es gegen den Trend, Firmen etwa
für das Ruhrgebiet als Aktionsbasis zu
begeistern. Das gilt etwa für die neue
Konzernzentrale des Stahlkochers Thys-
senKrupp. „Die Entscheidung, die Ver-
waltungsspitze des Konzerns nach Duis-
burg und Essen zu verlegen, ist ein klares
Bekenntnis zum Standort Ruhrgebiet“,
sagte der damalige ThyssenKrupp-Vor-
standschef Ekkehard Schulz.
McKinnon geht nach Wuppertal
Ebenfalls „Pro Ruhrpott“ gestimmt ist
der BP-Konzern. Im Rahmen der Fusion
mit Aral und Veba Oel waren mit von der
Partie: Bochum und Gelsenkirchen. Das
südlich des Ruhrgebiets liegende Wup-
pertal muss kleinere Brötchen backen.
Die (noch) 350.000 Einwohner zäh-
lende Stadt macht selten mit positiven
Schlagzeilen von sich reden. Wer sich
in Wuppertal mit Wirtschaftsförderung
befasst, braucht Geduld. Doch auch die
wird manchmal belohnt. So kündigte der
amerikanische Mittelständler Columbus
McKinnon Industrial Products an, sei-
ne Europa-Zentrale nach Wuppertal zu
verlagern. Der Fördertechnikspezialist
schätzt an Wuppertal vor allem die gute
Verkehrsanbindung.
In Ostdeutschland hat es gerade Me-
cklenburg-Vorpommern nicht leicht,
Investoren für sich zu begeistern. Der
Schweizer Nestlé-Konzern entschied
sich trotzdem – gegen den Strom – für
die Landeshauptstadt Schwerin als Pro-
duktionsort zur Herstellung von Kaffee-
kapseln für Deutschland, Skandinavien
und Osteuropa. 220 Millionen Euro wer-
den investiert, 450 Arbeitsplätze werden
entstehen, die Produktion soll Ende 2013
anlaufen. „Die Anbindung an unsere
Beschaffungs- und Absatzmärkte ist op-
timal“, so Nestlé. „Zudem sind Gewerbe-
grundstücke günstiger zu haben und es
gibt großzügige Wirtschaftsförderung.“
Dass es gerade Mittelständler immer
wieder nach Osten zieht, ist nichts Neues.
Auch Voith Turbo Advanced Propeller
Technologies zeigt dort Flagge. Sie entwi-
ckelt und baut in Rostock auch Propeller
für Windkraftanlagen. Die Hansestadt ist
der einzige Tiefwasserhafen an der deut-
schen Ostsee und somit die ideale Basis
für Offshore-Projekte. Letztlich ist eben
alles eine Frage der Lage.
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Manchmal schlagen
Underdogs
auch
Boom-Regionen
Standorte.
Berlin, Hamburg oder Frankfurt sind in. Auch wenn es widersinnig
erscheinen mag, manche Firmen gehen lieber nach Wuppertal oder Schwerin.
Norbert Jumpertz, Staig
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Graffiti
06 | 2012
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»Wer sich in
Wuppertal mit
Wirtschaftsförderung be-
fasst, braucht Geduld. Doch
auch die wird manchmal
belohnt.«
Fotos: ducu59us; elanur us/shutterstock.com