Seite 80 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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BGB §§ 558 ff.
Mieterhöhungsverlangen; Mietspiegel der Nachbargemeinde
Von Vergleichbarkeit zweier Gemeinden kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Gemeinden nach der wirtschaftlichen, kulturel-
len und sozialen Infrastruktur, dem Grad der Industrialisierung, der verkehrstechnischen Erschließung und der Anbindung an Versor-
gungszentren vergleichbar sind.
LG Potsdam, Urteil vom 14. März 2014, 13 S 86/13
Bedeutung für die Praxis
Hat der Vermieter das Mieterhöhungsverlangen entgegen § 558 a
Abs. 1 BGB nicht ausreichend begründet, ist dieses unwirksam. Grund
hierfür ist, dass die Begründung dem Mieter die Möglichkeit geben soll,
die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen,
um überflüssige Prozesse zu vermeiden. Hierfür ist es aber erforderlich,
dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche
Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, damit er während der
Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und
sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zu-
stimmt oder nicht. Von Vergleichbarkeit bei Gemeinden kann nur dann
gesprochen werden, wenn die Gemeinden nach der wirtschaftlichen,
kulturellen und sozialen Infrastruktur, dem Grad der Industrialisierung,
der verkehrstechnischen Erschließung und der Anbindung an Versor-
gungszentren vergleichbar sind. Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund
einer umfassenden vergleichenden Betrachtung der vorgenannten
Merkmale festgestellt werden. Ein Teilvergleich mit einzelnen Stadt-
teilen ist dabei unzulässig. Wenn in § 558 a Abs. 4 Satz 2 BGB von dem
Mietspiegel einer „vergleichbaren Gemeinde“ die Rede ist, dann ist da-
mit ein Rechtsbegriff gewählt, der in Art. 28 GG und ihm folgend in den
Gemeindeordnungen der Bundesländer eine feste Bedeutung hat. Auch
die Systematik spricht für eine enge Auslegung, denn in § 558 c Abs. 2
BGB unterscheidet das Gesetz sehr genau zwischen „Gemeinden“ und
„Gemeindeteilen“. Auch wird die ortsübliche Vergleichsmiete selbst nur
gebildet aus den „üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer
vergleichbaren Gemeinde“ erzielt werden (§ 558 Abs. 2 BGB). Maßgeb-
lich ist also allein der Vergleich der Gemeinden als Gebietskörperschaf-
ten in ihrer Gesamtheit. Ein Teilvergleich ist unzulässig.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 585, 585 a, 594
Optionsrecht auf Pachtverlängerung
Ein vertraglich vereinbartes Optionsrecht auf Verlängerung eines
Miet- oder Pachtvertrags erlischt mit Ablauf der regulären Vertrags-
dauer. Wird das Miet- oder Pachtverhältnis nach Ablauf der regulären
Vertragszeit auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, so bleibt das Options-
recht nicht bestehen und lebt auch nicht wieder auf.
OLG Celle, Urteil vom 12. März 2014, 7 U 164/13
Bedeutung für die Praxis
Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte sein Optionsrecht nicht recht-
zeitig und damit im Ergebnis nicht wirksam ausgeübt. Denn unabhängig
davon, ob man eine formlose Ausübung des Optionsrechts für weitere
fünf Jahre durch schlüssiges Verhalten zulässt oder im Hinblick auf
§ 585 a BGB eine schriftliche Ausübung der Option für erforderlich hält,
gilt jedenfalls der für Verlängerungsoptionen allgemein geltende Grund-
satz, dass das Optionsrecht mit Ablauf der regulären Vertragsdauer
erlischt. Wird das Miet- oder Pachtverhältnis nach Ablauf der regulären
Vertragszeit auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, so bleibt
das Optionsrecht nicht bestehen und lebt auch nicht
wieder auf.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
Bedeutung für die Praxis
Eine unredliche Prozessführung durch bewusst wahrheitswidrigen
Parteivortrag ist zwar grundsätzlich geeignet, einen Grund zur außer-
ordentlichen und ordentlichen Kündigung eines Vertragsverhältnisses
darzustellen. Denn nicht nur der Arbeitnehmer im Kündigungsschutz-
prozess, sondern auch der Mieter im Räumungsprozess verletzt die dem
Vertragspartner geschuldete Rücksichtnahme auf dessen Interessen
(§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst
wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen An-
gaben den Prozess nicht gewinnen zu können. Nicht jeder wahrheitswid-
rige Tatsachenvortrag des Mieters im Räumungsprozess indes rechtfertigt
eine außerordentliche oder ordentliche Beendigung des Mietverhält-
nisses. Ob nur offensichtlich wahrheitswidriger Tatsachenvortrag des
Mieters im Räumungsprozess kündigungsbewehrt ist, kann dahinstehen.
Denn um der Pflichtverletzung des Mieters das für den Ausspruch einer
Kündigung hinreichende Gewicht zu verleihen, muss sein wahrheitswid-
riger Prozessvortrag zumindest ein (Gegen-)Vorbringen des Vermieters
betreffen, das für die Schlüssigkeit der Räumungsklage unerlässlich ist
und nicht hinweggedacht werden kann. Dies gilt unabhängig, aber erst
recht angesichts des für die Gesamtabwägung maßgebenden Grundsatzes,
dass die Vertragspartei, die die andere zu einer Vertrags-
verletzung herausgefordert hat, deswegen grundsätzlich
nicht kündigen kann.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
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RECHT