Seite 70 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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Abschnitt 2: Mieterschutz durch
Wohnungseigentumsrecht?
Während bis zum großen Bauboom Anfang der
1970er Jahre die Eigentumswohnung im Neubau
das vorherrschende Produkt war, begann Ende
der 1970er Jahre eine Welle der Umwandlung
von Miet- in Eigentumswohnungen. Und so ragt
in der Zeit ab Mitte der 1980er Jahre der Streit
über die Anforderungen an die Abgeschlossen-
heit einer Wohnung heraus. Der Streit war nicht
nur geeignet, die praktische Verbreitung des
Wohnungseigentums nachhaltig zu behindern,
sondern fand auch erst durch eine der äußerst
seltenen Entscheidungen des Gemeinsamen Se-
nats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes ein
versöhnliches Ende.
Wohnungseigentum entsteht häufig durch Um-
wandlung von Altbauten (§ 8 WEG), die im Zuge
der Aufteilung teils aufwendig saniert werden.
Der damit verbundene Verlust preiswertenWohn-
raums und die Verdrängung der Altmieter sind seit
über 25 Jahren Gegenstand einer wohnungs- und
rechtspolitischen Diskussion. Im Zusammenhang
mit sog. Milieuschutzsatzungen nach § 172 I 1
Nr. 2, 4 BauGB ist das Thema heute aktueller denn
je. Über den städtebaulichen Milieuschutz ist den
Ländern und Kommunen seit der BauGB-Novelle
1998 die Möglichkeit eröffnet, die Umwandlung
von Altbauten in eigens festgelegten Erhaltungs-
gebieten nur noch unter den engen Voraussetzun-
gen des § 172 IV BauGB zuzulassen. Hamburgwar
seit 2003 lange das einzige Bundesland, das hier-
von Gebrauch gemacht hatte; im Frühjahr 2014
kam Bayern hinzu.
Abgeschlossenheitsbescheinigung –
der Fall München
Schon in den 1980er Jahren war die bayerische
Hauptstadt München Ausgangspunkt der Kont-
roverse. Die Begründung vonWohnungseigentum
durch Teilung erfordert nach §§ 8 II 1, 3 II 1 WEG,
dass die Wohnungen in sich abgeschlossen sein
sollen. ZumNachweis ist demGrundbuchamt nach
§ 7 IV Nr. 2 WEG eine (vor der WEG-Reform 2007
noch zwingend) von der Baubehörde auszustellen-
de Abgeschlossenheitsbescheinigung beizufügen.
Dabei hatte seit jeher Einigkeit bestanden, dass
der Begriff der Abgeschlossenheit rein zivilrecht-
lich zu deuten sei. Er sollte nicht die Einhaltung
eines bautechnischen Mindeststandards sicher-
stellen, sondern Streitigkeit über die Abgrenzung
der einzelnen Wohnungen vermeiden, sodass es
genügte, wenn dieWohnungen durch Decken und
Wände räumlich getrennt waren.
Umdie fortschreitendeUmwandlung vonAltbauten
aus wohnungspolitischen Gründen zu verhindern,
änderte die StadtMünchenMitte der 1980er Jahre
ihre Verwaltungspraxis und erteilte Abgeschlos-
senheitsbescheinigungen nur noch, wenn für
Wohnungstrennwände und -decken die Einhal-
tung der im Zeitpunkt der Aufteilung geltenden
bauordnungsrechtlichen Vorschriften z. B. über
Wärme- und Schallschutz nachgewiesen wurden.
Da insbesondere Altbauten mit Holzbalkendecken
nur durch Entkernung einen normgerechten Schall-
schutz erreichen konnten, also ein unvernünftiger
finanzieller Aufwand zur Erfüllung der neueren
bauordnungsrechtlichen Vorgaben erforderlich
wurde, machte dies eine Aufteilung meist wirt-
schaftlich unmöglich. Als Argument verwies die
Stadt auf eineVerwaltungsvorschrift, die allerdings
keine Gesetzeskraft hatte, sondern lediglich eine
bundesweit einheitlicheAuslegung des Begriffs der
Abgeschlossenheit sicherstellen sollte.
Dennoch bestätigte der BayVGH am 8. Mai 1989
die „Münchener Linie”
2
. Das hiergegen gerichtete
Rechtsmittel wies das BVerwG am 26. Juli 1989
zurück, ebenso wie das BVerfG am 30. November
Plenum im neuen Veranstaltungszentrum Fiskina 1990
Quelle: ESWiD
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8|2014
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