Seite 69 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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Abschnitt 1: Erste Novellierungsversuche
des WEG scheitern
Breiter diskutierten Novellierungs- oder Rege-
lungsbedarf für das Wohnungseigentumsrecht gab
es bis 1975 nicht. Ab demJahre 1976 änderte sich
dies jedoch. Es gab eine lebhafte Diskussion über
das Verständnis geltenden Rechts und über den
Änderungsbedarf des WEG. Auslöser waren hier-
für die Novellierungsvorschläge der Bayerischen
Staatsregierung vom Februar 1976. Der Entwurf
sah u. a. vor, dass die Begründung vonWohnungs-
eigentum mit mehr als 100 Wohnungseinheiten
verboten werden sollte. Nach damals kontrovers
diskutierter Auffassung der Bayerischen Staats-
regierung und weiterer Kommentatoren sollte
dadurch das Mitwirkungsrecht der Wohnungsei-
gentümer bei der Verwaltung gemeinschaftlichen
Eigentums und damit die Geltendmachung ihrer
Eigentumsrechte in der Gemeinschaft gestärkt
werden.
Die Novellierungsvorschläge der Bayerischen
Staatsregierung waren geprägt von den Erfah-
rungen des Baubooms Anfang der 1970er Jahre
inMünchen, insbesondere durch das „Olympische
Dorf“. Dieses gehörte zu dem Modellprojekt, die
„Stadt der Athleten“ nach den olympischen Spie-
len (1972) in Wohneigentum aufzuteilen und zu
verkaufen. Das olympische Dorf mit 220.000 m
2
Wohnfläche für 12.000Menschenwurde inwenige
Eigentümergemeinschaften aufgeteilt. Der Ver-
kauf ging schleppend voran – nicht etwa, weil das
gesamte Baukonzept mit unterirdischer Erschlie-
ßung, autofreiem Gelände, neuartigen Baukonst-
ruktionen und -elementen sowie ungewöhnlichen
Ver- und Entsorgungskonzepten zu innovativwar,
sondern wegen der Hochzinsphase, die die hefti-
ge Blüte des Wohnungseigentums zu Beginn der
1970er Jahre zum Erlöschen brachte.
Jahrelange juristische Auseinandersetzungen zwi-
schen „basisdemokratischen“ Selbstverwaltungs-
organisationen und den Bauträgern prägten die
Eigentümergemeinschaften von Beginn an: Zehn
Jahre nach Fertigstellung titelt der Spiegel: „So
etwas wird keiner mehr bauen“
1
. Heute steht das
olympische Dorf unter Ensembleschutz, hat 3.500
Wohneinheiten und gehört zu den beliebtesten
Stadtteilen Münchens.
Der Entwurf der Staatsregierung von 1976 bein-
haltete auch Überlegungen, die wir heute unter
dem Begriff der Öffnungsklauseln kennen. Es
sollten Vereinbarungen der Wohnungseigentü-
mer, also auch die Gemeinschaftsordnung, durch
qualifiziertenMehrheitsbeschluss – nämlich 75%
der Eigentümer nach Köpfen – geändert werden
können. Ferner sollte ein schriftliches Umlauf-
verfahren eingeführt werden, das Mehrheitsbe-
schlüsse nach dem gesetzlichen Kopfprinzip vor-
gesehen hätte. Schließlich war die Übernahme
gerichtlicher Hausgeldverfahren in die streitige
Gerichtsbarkeit vorgesehen.
Dies alles waren heiß diskutierte Vorschläge. Zur
Novellierung kam es indes nicht. Alles verlief im
Sande – bis zur großen Änderung des Gesetzes am
26. März 2007, in Kraft seit 1. Juli 2007. Hier fin-
den sich zu einemnicht geringen Teil seinerzeitige
Änderungsvorstellungen. Langfristiges Bemühen
war erfolgreich.
Bauträgerrecht und Wohnungseigentums-
recht: grundlegende Entscheidung des BGH
Die Entscheidung des BGH vom 10. Mai 1979
zum Bauträgerrecht sorgte für Aufmerksamkeit.
Der VII. Zivilsenat bejahte die Befugnis der Woh-
nungseigentümer, durch Mehrheitsbeschluss zu
bestimmen, welche Gewährleistungsansprüche
wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum
geltend gemacht werden sollen. Der BGH nahm
ferner zur Frage Stellung, ob der Bauträgervertrag
ein Kauf- oder, soweit es um die Herstellungsver-
pflichtung des Bauträgers geht, ein Werkvertrag
sei. Die Beantwortung der Frage hatte wesentliche
Auswirkungen auf die Länge der Verjährungsfris-
ten. Heute ist dies alles im Sinne des Werkver-
tragsrechts unstreitig.
Die Veranstaltungsreihe des ESWiD „Partner im
Gespräch” war einwichtiges Forum, umdie gegen-
sätzlichen Fragen zu diskutieren. Aus den jährlich
stattfindenden Veranstaltungen heraus wurden
Entwicklungen in Gang gesetzt, die ohne diese
Veranstaltungsreihe zumindest so nicht vorstell-
bar sind. Insbesondere auch die Rechtsprechung
des BGHwar und ist unbestreitbar von diesen Ge-
sprächen beeinflusst.
Instandhaltung und Instandsetzung:
Zyklus einer Immobilie
So war 1980 die Instandhaltung und Instandset-
zung des gemeinschaftlichen Eigentums ein zent-
rales Thema in Fischen. Dabei wurde der gesamte
Zyklus der Instandsetzung betrachtet, beginnend
mit der Ermittlung des lang-, mittel- und kurz-
fristigen Instandsetzungsbedarfs bei Neubauten
und umgebauten Altbauten, ihm folgend die Vor-
bereitung von Beschlussfassungen hierzu bis hin
zur Umsetzung gefasster Beschlüsse einschließ-
lich der Durchführung von Modernisierungs- und
energiesparenden Maßnahmen. Diese Thematik
war – wieman heute weiß – essenziell und voraus-
blickend. Instandhaltungs-, Instandsetzungs- und
Modernisierungsfragen haben von ihrer Tragweite
und Komplexität bisher nichts eingebüßt und sind
heute aktueller denn je.
Das Podium des Fischener WEG-Gesprächs im Jahr 1984, v. l.: Prof. Weitnauer,
ESWiD-Geschäftsführer Dr. Seuß, Bundesbauminister Oskar Schneider, Prof. Bärmann
Prof. Maruyama aus Japan ist seit 1979 jedes Jahr dabei
Quelle: ESWiD
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