Seite 63 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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Viele Kommunen sehen den Schwerpunkt der Ge-
schäftstätigkeit der Wohnungsgenossenschaften
imMarktsegment der sozialen Wohnraumversor-
gung. Die Genossenschaften wollen jedoch – aus-
gerichtet an denWünschen der Mitglieder – guten
und bezahlbarenWohnraum für alle Einkommens-
und Altersgruppen zur Verfügung stellen. Hierzu
gehören zwar auch Niedrigeinkommens- und
Transfereinkommensbezieher, aber auch Ziel-
gruppen inMarktsegmenten oberhalb der sozialen
Wohnraumversorgung. Das gewünschte stärkere
Engagement der Wohnungsgenossenschaften im
Bereich des öffentlich gefördertenWohnungsbaus
sollte im Kontext der Stadtentwicklung gesehen
und durch flexible Kooperationsvereinbarungen
geregelt werden.
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Angesichts der demografischen Entwicklung und
der Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur
wird die Wohnraumversorgung durch spezielle
Angebote für bestimmte Zielgruppen, vor allem
die Versorgung älterer Menschen sowie von jun-
gen Familien (mit und ohne Kinder), zukünftig
weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei können
auch neue Wohnformen (z. B. Mehrgenerationen-
wohnen) das Angebot erweitern. Kooperationen
sind sinnvoll und sollten einen möglichst ganz-
heitlichen Ansatz verfolgen: Bei der Versorgung
älterer Menschen z. B. sind nicht nur bauliche An-
passungsmaßnahmen wie barrierearme Wohnun-
gen wichtig, sondern das gesamte Wohnumfeld
wie die Anbindung an den öffentlichen Nahver-
kehr, das Vorhandensein von Einkaufsmöglich-
keiten und Arztpraxen, Angebote von Pflege
auf Dauer sowie viele kleine Hilfsleistungen, die
nicht immer nur von Professionellen geleistet
werden können. In den Kommunen sollten Im-
pulse geschaffen werden, um das ehrenamtliche
Engagement zu stärken, wobei viele Wohnungs-
genossenschaften aufgrund ihrer Struktur hierfür
besonders prädestiniert sind.
Bei der Vergabe von Wohnungen werden die
Wohnungsgenossenschaften neben einer guten
sozialen Durchmischung in den Objekten auch
darauf achten, dass Ausgrenzungen vermieden
werden, indem sie die Einbindung und Integration
von benachteiligten Bevölkerungsgruppen sowie
Menschen mit Migrationshintergrund noch mehr
unterstützen. Die diesbezügliche Partnerschaft
zwischen Kommunen und Genossenschaft könnte
auch durch einen Kooperationsvertrag geregelt
werden. Hierbei ist jedoch das Prinzip von Leistung
und Gegenleistung zu beachten. Wenn Genossen-
schaften staatliche Wohlfahrtsleistungen erbrin-
gen, sollten sie hierfür Vergünstigungen z. B. in
Form verbilligter Grundstücke erhalten.
Wohnungsgenossenschaften leisten wertvolle
Beiträge für die Gesellschaft. Es ist deshalb sinn-
voll, wenn die Bedeutung genossenschaftlichen
Wohnens in Deutschland noch weiter steigt,
wenn sich mehr Wohnungen in der Hand von
Wohnungsgenossenschaften befinden. Dies kann
neben Neugründungen auch durch das Wachstum
bestehender Genossenschaften – durch Neubau
oder die Übernahme von Bestandswohnungen an-
derer Eigentümer – erfolgen. Hierbei brauchen
die Wohnungsgenossenschaften Unterstützung
vor allembeimZugang zu Grundstücken und dem
Erwerb von Wohnungsbeständen, weil es ihnen
in der Regel nicht möglich ist, einen gegenüber
anderen Geschäftsmodellenwettbewerbsfähigen
Kaufpreis zu zahlen.
Gemeinsames Engagement der Bau- und Siedlungsgenossenschaft Allgäu eG und der Stadt Kempten:
neu gestalteter Marktplatz mit Bürgertreff im Stadtteil Sankt Mang
Handlungsfelder für eine Kooperation zwischen Wohnungsgenossenschaften und Kommunen; BMVBS (Hrsg.):
Aktivierung von Potenzialen genossenschaftlichen Wohnens, Evaluierung der Empfehlungen der Expertenkom-
mission Wohnungsgenossenschaften im Forschungsprogramm ExWoSt
„Wichtig ist, die gegenseitige Erwartungshaltung zu definieren und das
gemeinsame Bild der Region bzw. des Quartiers abzustimmen, die Strategien
gegenseitig abzugleichen und klar zu definieren, was man zusammen erreichen
will. Wohnungsgenossenschaften sollten sich dabei als starke Partner der Kom-
munen sehen und in die verschiedenen Handlungsfelder aktiv einbringen.”
Ulrich Bimberg
Quelle: BMVBS-Online-Publikation 25/2010
Quelle: BSG Allgäu
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8|2014