Seite 64 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

Basic HTML-Version

Aus Sicht der Kommunen
DieWohnungsgenossenschaften sind aufgrund ih-
rer Orientierung an denMitgliederinteressen gute
Partner der Städte in der Wohnungs- und Stadt-
entwicklungspolitik. Denn sie sind nicht vorran-
gig an einer kurzfristigen Erwirtschaftung hoher
Renditen, sondern an der langfristigen Versorgung
ihrer Mitglieder mit gutem und bezahlbarem
Wohnraum interessiert. Dementsprechend hoch
ist auch ihre Bereitschaft zu einer nachhaltigen
Bewirtschaftung, zur Instandhaltung undModer-
nisierung ihrer Bestände und zu einer moderaten
Mietenpolitik.
Mit ihrer langfristigen Bewirtschaftungsstrate-
gie und ihrer Ortsverbundenheit bieten sich vor
allem die Wohnungsgenossenschaften – neben
den kommunalen Wohnungsunternehmen – als
potenzielle Partner der Städte für die Umsetzung
von Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung
sowie zur Schaffung und zumErhalt sozial stabiler
Nachbarschaften an. Nicht zuletzt: Nur mit Hilfe
gemeinschaftlicher und solidarischer Lösungen
– ganz im Sinne der genossenschaftlichen Idee –
werden sich viele der anstehenden Zukunftsfragen
lösen lassen.
Sowohl bei der Wohnraumversorgung imAlter als
auch beim Wohnraumangebot für junge Familien
beschränkt sich der Bedarf nicht auf die Bereitstel-
lung einer geeignetenWohnung, vielmehr ist auch
eine geeignete Infrastruktur und ein funktionie-
rendes soziales Netzwerk erforderlich. Gerade in
diesen Bereichen können dieWohnungsgenossen-
schaftenmit geeigneten Angeboten ihren Beitrag
zu einem funktionierenden sozialen Zusammen-
leben in den Städten leisten.
Speziell im Bereich der Wohnraumversorgung
älterer Menschen decken sich die Interessen
von Städten und Wohnungsgenossenschaften:
Die Städte haben ein hohes Interesse daran, ih-
ren Bürgern ein selbstbestimmtes Wohnen und
Leben bis ins hohe Alter zu gewährleisten. Und
die Wohnungsgenossenschaften sind bereits seit
längerem in besonderemMaße imBereich des se-
niorengerechten Umbaus ihrer Wohnungsbestän-
de und der Entwicklung von wohnbegleitenden
Betreuungs- und Serviceangeboten engagiert,
um auch ihren älteren Mitgliedern eine adäquate
Wohnraumversorgung anbieten zu können.
Grundlage für gute Kooperationsbeziehungen
ist die frühzeitige Einbeziehung aller Woh-
nungsmarktakteure und somit auch der Woh-
nungsgenossenschaften in die konzeptionellen
Überlegungen der Stadt. Bei einer Vielzahl klei-
ner Wohnungsgenossenschaften vor Ort stößt
ihre Beteiligung an runden Tischen zur Erörte-
rung grundsätzlicher wohnungspolitischer Pro-
bleme, an einer systematischen kommunalen
Wohnungsmarktbeobachtung und der Erstel-
lung gesamtstädtischer wohnungspolitischer
Handlungskonzepte jedoch an organisatorische
Grenzen: Weder sind die kleinen, oft ehrenamt-
lich geführten Genossenschaften in der Lage,
sich an zeitraubenden Prozessen zu beteiligen,
noch befördert eine zu große Zahl Beteiligter die
zügige Erarbeitung tragbarer Resultate. Hier ist
jeweils vor Ort nach geeigneten Lösungen zu su-
chen, auf welche Weise die Interessen der kleinen
Genossenschaften vertreten und berücksichtigt
werden können.
In Städtenmit BevölkerungswachstumundWohn-
raummangel ist es erforderlich, die Versorgungs-
engpässe durch Wohnungsneubau – vor allem
auch im preiswerten und öffentlich geförderten
Marktsegment – zu schließen. Aus kommunaler
Sicht wäre eine stärkere Beteiligung der Woh-
nungsgenossenschaften amNeubau preiswerten
Wohnraums wünschenswert. Bedauerlicherweise
ist hier jedoch bei vielen Wohnungsgenossen-
schaften eine starke Zurückhaltung festzustel-
len. Dies ist sicher zum Teil darauf zurückzufüh-
ren, dass der preiswerte Mietwohnungsbau in
Anbetracht steigender Grundstückspreise selbst
bei moderaten Renditeerwartungen kaum mehr
möglich ist. Hinzu kommt, dass die Inanspruch-
nahme öffentlicher Förderdarlehen angesichts
des niedrigen Marktzinsniveaus wenig attraktiv
erscheint. Hier lohnen Gespräche der Partner vor
Ort, um nach Möglichkeiten zu suchen, preis-
werte Grundstücke für den geförderten Miet-
wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Ange-
bracht erscheint weiterhin eine Imagekampagne
zugunsten des sozialen Wohnungsbaus, durch
die deutlich wird, dass die Zielgruppen des so-
zialen Wohnungsbaus durchaus mit der Mitglie-
derstruktur der Genossenschaften in Einklang
gebracht werden könnten. Zu wenig bekannt
scheint zudemweiterhin, dass die weitaus größte
Zahl der Städte die ihnen aufgrund öffentlicher
Förderung zustehenden Belegungsrechte inzwi-
schen nicht mehr einseitig, sondern in Absprache
mit den Wohnungsunternehmen ausüben, so dass
mögliche negative Auswirkungen auf die Bewoh-
nerstruktur vermieden werden können. In vielen
„Wohnungsgenossenschaften sind als bestandshaltende Wohnungsunter-
nehmen wichtige Kooperationspartner. Städte und Wohnungsgenossenschaf-
ten sind gleichermaßen an einer gedeihlichen Quartiersentwicklung und der
Bildung sowie dem Erhalt guter Nachbarschaften interessiert.“
Matthias Kock, Vorsitzender der Fachkommission Wohnungswesen des Deutschen Städtetags,
Abteilungsleiter Wohnen, Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung, Hamburg
„Auch aus dem Umstand, dass die Genossenschaften vorrangig ihren Mit-
gliedern verpflichtet sind, lassen sich gemeinsame Interessen ableiten. Die
Mitglieder der Genossenschaften, darunter nicht selten Haushalte mit nied-
rigem oder mit Transfereinkommen, sind Bürger, deren Wohnzufriedenheit
Anliegen auch der Städte ist.“
Matthias Kock
Kooperation der Landes-Bau-Genossenschaft Württemberg eG mit Trägerverein, Stadt, Landkreis und Kirche:
Die Genossenschaft bietet Wohnungslosen eine neue Perspektive durch Vermietung eines modernisierten
Wohnhauses in Sigmaringen. Das Projekt wurde mit dem Preis Soziale Stadt 2012 ausgezeichnet
Quelle: LBG
62
8|2014
MARKT UND MANAGEMENT