Seite 39 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2014_08

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tigkeit systematisch begrenzt wird. Es ist aber kein
unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
Einbau von Lüftungsanlagen und der Schimmel-
häufigkeit feststellbar: ca. 68% der Wohnungen
weisen keine Lüftungseinrichtungen auf, aber nur
ca. 6% der Wohneinheiten weisen lüftungsrele-
vante Schäden auf. Lüftungsanlagen sind nicht
zwingend erforderlich, umdas Schimmelproblem
innerhalb der bisher üblichen Grenzen zu halten.
1
Verschiedene lüftungstechnische Lösungen wei-
sen unterschiedliche Vor- und Nachteile auf.
Fensterlüftung
Für Fensterlüftung sprechen die schon benannten
psychologischen Aspekte und dass sie technisch
immer funktioniert (d. h. kein Ventilator ausfal-
len kann). Natürlich ist Fensterlüftung ansonsten
abhängig von den Druck- und Temperaturver-
hältnissen und damit unterschiedlich effektiv.
Fensteröffnen kann aber mit Fensterdurchlässen
kombiniert werden und passt zu Schlafen bei ge-
öffnetem Fenster. Andererseits führt zu viel Lüf-
tung zu Energieverschwendung. Ein planerisches
Niedrigstenergiegebäude ist meist nicht möglich.
Zu wenig Lüftung birgt hygienische und Gesund-
heitsrisiken, falsche Lüftung wie permanente
Kippstellung im Winter führt zu vermeidbaren
Energieverlusten und Auskühlung der Fenster-
laibungen samt Gefahr der Schimmelpilzbildung.
Schlafen bei geschlossenem (dichten) Fenster
führt zum Anstieg der CO
2
-Konzentration und
Schallschutz besteht bei offenem Fenster nicht.
Abluftanlagen
Abluftanlagen bieten einen definierten Luftwech-
sel, d. h. effektive Lüftung, bei richtiger Auslegung
erfahrungsgemäß gute hygienische Bedingungen,
verursachen kaumNachfolgeaufwand und geringe
Investitionskosten. Die Mehrinvestition liegt oft
bei ca. 10-20 €/m
2
, der jährliche Stromverbrauch
bei ca. 1-2 kWh/(m
2
a). Allerdings wird auf eine
Wärmerückgewinnung verzichtet und bei den Zu-
luftventilen können Zugerscheinungen auftreten.
Zu- und Abluftanlagen mit WRG
Auch Zu- und Abluftanlagen bieten einen definier-
ten Luftwechsel, zusätzlichWärmerückgewinnung
(WRG). Meist sind Niedrigstenergiegebäude nur so
nachweisbar. Durch eine niedrige Konzentration
an Feuchte, CO
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und VOC, durch Schallschutz, Pol-
lenfilter und die Möglichkeit zur Kühlung können
diese Anlagen einen hohen Komfort bieten. In der
Praxis inMietwohnungen inMehrfamilienhäusern
treten aber die geplanten Energieeinspareffek-
te oft nicht ein. Risiken können sich ergeben bei
mangelnder Wartung (bakterieller Bewuchs), bei
falscher Planung oder Ausführung (z. B. Zug-
erscheinungen, Probleme mit Kondensat, Schall-
probleme). Oft ist imWinter die Luft sehr trocken.
Bei mangelnder Nutzerakzeptanz werden Anlagen
außer Betrieb genommen. An Ausgaben entstehen
Investitionskosten (ca. 50-80 €/m
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), Stromkosten
(ca. 3-5 kWh/m
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a) undWartungskosten (ca. 0,60-
1 €/m
2
a). Lüftungsanlagen dienen daher vor allem
dem Komfort, nicht der Kosteneinsparung. Die
Kosten für Wartung und Ventilatorstromentspre-
chen etwa den Einsparungen an Heizkosten durch
die Wärmerückgewinnung.
Richtige Planung entscheidend
Lüftungsanlagen müssen richtig geplant, ausge-
führt und gewartet werden. Benötigt werden eine
guter Ingenieur, eine gute ausführende Firma und
die Akzeptanz der Mieter. Eine Mechanische Lüf-
tung wird oft von den Mietern in ihrer Wirkungs-
weise nicht verstanden und dann auch nicht an-
genommen. Der Verzicht auf eine Lüftungsanlage
ist also besser als eine schlecht geplante, schlecht
ausgeführte oder schlecht gewartete Lüftungs-
anlage.
Der Aufwand und die Kosten für Wartung und Rei-
nigung einer Lüftungsanlage muss von Anfang an
mitgeplant werden. Schlecht- oder nichtgewar-
tete Anlagen führen zu hygienischen Problemen,
z. B. bakteriellem Bewuchs auf Filtern, und ver-
schlechtern die Raumluftqualität. Nach bisheri-
gen Erfahrungen verursachen richtig geplante und
ausgeführte und gut gewartete Lüftungsanlagen
keine hygienischen Probleme. Wohnungslüftungs-
anlagen sollten keine Befeuchtung haben. Die hy-
gienischen Anforderungen bei Befeuchtung sind
erheblich höher. Bei Verwendung von Erd-Luft-
wärmetauschern können imBereich unter der Erde
mikrobielle Verunreinigungen entstehen.
Im Extranet der Verbände ist für Mitglieder eine
technische Information eingestellt, die ergänzend
zu diesen Punkten Hinweise zur richtigen Planung,
ausreichenden Wartung und zur Reinigung von
Lüftungsanlagen gibt. Dort steht eine Reihe von
Literaturhinweisen zu Forschungsberichten und
Checklisten zur Vertiefung des Themas zur Ver-
fügung.
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Siehe Berichtsband zu den Aachener Bausachverständigen-
tagen 2006
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Quelle der Fotos: Hygieneuntersuchung an Lüftungsanlagen
in Wohngebäuden der Wohnbau Westfalen GmbH. Technischer
Bericht, verfasst von Christian Heise, Martin Krajczyczek, Prof.
Dipl.-Ing. Peter Müller (TZWL, Europäisches Testzentrum für
Wohnungslüftungsgeräte e. V.) und Dr. Andreas Winkens (GUI,
Gesellschaft für Umwelt- und Innenraumanalytik mbH)
Zuluftrohr mit regelmäßigem Filterwechsel nach 25 Jahren
Außenluftsegment zwischen Außenregister und Lüftungsgerät – vor Filterung der
Luft. Die Lüftung ist hier in einem absolut nicht wünschenswerten Zustand, in diesem
Fall jedoch hygienisch noch unbedenklich, weil danach noch die Filterung erfolgt
Quelle: TZWL/GUI
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