Seite 81 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_06

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Die überwiegende Anzahl der Erbbaurechtsaus-
geber in Deutschland sind die öffentliche Hand,
die Kirchen und Stiftungen. Nach Studien des
Journalisten Thomas Licher sind 5% der für das
Wohnen genutzten Flächen in Deutschland auf
Erbbaurechten entstanden. Die Bauherren hät-
ten für diesen Grund und Boden rund 50 Mrd. €
ausgebenmüssen. Durch das Erbbaurecht konnte
dieses notwendige Kapital geschont und für die
Herstellung vonWohnraumgenutzt werden. Mehr
als 90% der befragten Kommunen und Kirchen
geben an, Erbbaurechte zu besitzen. Die überwie-
gende Anzahl der Erbbaurechtsausgeber verfügen
dabei über 500-2.000 Erbbaurechte. Auch Privat-
personen undWohnungsbaugesellschaften geben
Erbbaurechte aus.
In den neuen Bundesländern bestand durch das
Sachenrechtsbereinigungsgesetz dieMöglichkeit,
die Bestellung eines Erbbaurechtes zu verlangen.
Hierdurch sind viele Grundstückseigentümer un-
verhofft Erbbaurechtsausgeber geworden.
Erbbaurechte als Mittel
der Kapitalbeschaffung
Wohnungsunternehmen werden in der Regel Erb-
baurechtsnehmer, umsich Boden für Neubauten zu
beschaffen. Als Instrument der Kapitalbeschaffung
ist das Erbbaurecht in der Wohnungswirtschaft
bisher wenig genutzt. Um Kapital für notwendige
Investitionen zu beschaffen, könnenWohnungsun-
ternehmen den Grund und Boden an einen Dritten
veräußern, um im Rahmen eines Erbbaurechtes
die Nutzung der vorhandenenGebäude zu sichern.
Damit entsteht ein dem„sale and lease back“ ähn-
liches „sale and leasehold back“-Verfahren. Viele
der im Deutschen Erbbaurechtsverband organi-
sierten Mitglieder (siehe den folgenden Artikel
in dieser DW) nutzen dieses Geschäftsmodell als
Erbbaurechtsausgeber zur Kapitalanlage.
Erbbaurechte als Instrument
der Portfoliobereinigung
Das Erbbaurecht als eigene Assetklasse wird bei
Wohnungsunternehmen eher zufällig entstanden
sein. Viele Unternehmen sind Erbbaurechtsausge-
ber geworden, umbei der Entwicklung von Eigen-
tumsmaßnahmen alle Grundstücke veräußern zu
können oder weil die Grundstücksnutzer in den
neuen Bundesländern ein Erbbaurecht aufgrund
des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes verlangt
haben. ImRahmen der Portfoliobereinigung wird
dieses Instrument noch viel zu wenig genutzt.
Wohnungsunternehmen können das Gebäude ver-
äußern und ein Erbbaurecht ausgeben. Dadurch
behält sich das Unternehmen dieMöglichkeit vor,
nach Ablauf des Erbbaurechtes die Immobilie wie-
der vollständig nutzen zu können.
Erbbaurechtsverwaltung
als neues Geschäftsfeld
Um Erbbaurechte professionell verwalten zu
können, benötigt man u. a. geeignetes Perso-
nal, eine funktionsfähige IT und eine auf die
Verwaltung von Im-
mobilien ausgerichte-
te Organisation. Diese
Ressourcen sind bei
Wohnungsunterneh-
men grundsätzlich vorhanden. Die notwendige
Mindestanzahl an Erbbaurechten ist bei kommu-
nalen und kirchlichen Unternehmen häufig bei
deren Gesellschaftern vorhanden. Bisher fehlte
oftmals die Möglichkeit, notwendiges Wissen
über die Verwaltung von Erbbaurechten auf –
und auszubauen. Durch die Gründung des Deut-
schen Erbbaurechtsverbandes wird die Ressource
„Informationen“ nunmehr erschlossen. So ist es
Wohnungsunternehmen möglich, auch Dritten
eine professionelle Verwaltung von Erbbaurech-
ten anbieten zu können. Die Hilfswerk-Siedlung
(HWS) ist ein kleiner Erbbaurechtsausgeber, ein
erfahrener Erbbaurechtsnehmer und ein neuer
Erbbaurechtsverwalter. Über die Verwaltung
von kirchlichen Gartenanlagen ist die Hilfswerk-
Siedlung GmbH zu einem Erbbaurechtsverwalter
geworden. Eine erhebliche Anzahl der Gartennut-
zer hat nach der Wiedervereinigung den Antrag
auf Erbbaurechte nach dem Sachenrechtsberei-
nigungsgesetz gestellt. So war es notwendig, die
Schaffung und Verwaltung von Erbbaurechten
zu organisieren. Aufgrund der speziellen Fra-
gestellungen und Fachthemen erschien es der
HWS sinnvoll, diese Verwaltung von der Woh-
nungsverwaltung abzulösen und ein eigenes
Team zu bilden. Die ausgebildeten Kaufleute
der Immobilienwirtschaft wurden im Rahmen
der Personalentwicklung entsprechend geschult
und bilden nun eine Art unternehmensinternen
„Thinktank“. Das neue Team bildet seit letztem
Jahr eine Kauffrau der Immobilienwirtschaft
speziell für die Verwaltung von Erbbaurechten
aus. Diese Verwaltung wird auch anderen, wie
Kommunen und Stiftungen, angeboten.
Modernisiertes HWS-Gebäude in Berlin-Zehlendorf. Es
steht auf einem Erbbaurechtsgrundstücke der Kirche
Das HWS-Erbbaurechtsteam Frau Mandy Schulze (li)
und Frau Sophia Brandt
Die Nutzung von Erbbaurechten setzt Kapital frei, welches für Neubau und Modernisierungsvorhaben genutzt
werden kann. Spatenstich für den Neubau Ramsteinweg 23 im Berliner Stadtteil Zehlendorf-Süd
„Wohnungsunternehmen können als Erbbaurechtsnehmer,
Erbbaurechtsausgeber und Verwalter für Erbbaurechte
auftreten.”
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