Jürgen Steinert:
Ihre Passivhäuser sind also an
das Fernwärmenetz angeschlossen?
Herbert Ludl:
Ja, wir haben bei den Passivhäusern
in der Regel zusätzliche Fernwärmeanschlüsse. In
Summe will ich kein böses Wort über Passivhäuser
verlieren. Sie stellen die Zukunft dar, und im ge-
fördertenWohnungsbauwerdenwir sicher nichts
anderes mehr bauen.
Jürgen Steinert:
Sehe ich es richtig, dass die
Passivhäuser, die wir in Wien gesehen haben, im
Markt nur deshalb durchsetzbar sind, weil sie im
Hintergrund eine gigantische Förderung haben?
Herbert Ludl:
Das ist so, ja. Skeptisch bin ich auch,
was die Energieerzeugung durchWohnungsunter-
nehmen betrifft. Man muss sich fragen, ob man
Dauerverbraucher hat, die den Strom permanent
abnehmen, oder obman den Strom immer zur fal-
schen Zeit erzeugt, wenn ihn niemand braucht.
Hier spielt die Frage der Speicherung mit hinein,
und in diesemPunkt ist noch eine große technische
Entwicklung nötig. Außerdem stehen wir bei der
Energieerzeugung vor dem Problem der gewerb-
lichen Tätigkeit. Ich darf ja als Gemeinnütziger
keine gewerbliche Tätigkeit entfalten, sonst setze
ich mich steuerlich sofort in die Nesseln.
Thomas Kleindienst:
Wir arbeiten ebenfalls
nicht mit Photovoltaik. Daran hindert uns auch
die steuerliche Seite, da wir eine reine Vermie-
tungsgenossenschaft sind. Allerdings denken wir
jetzt über die Gründung einer Energiegenossen-
schaft nach, so dass unsereMitglieder gleichzeitig
auchMitglied der Energiegenossenschaft werden
könnten, die Photovoltaikanlagen betreiben. Dazu
bräuchtenwir dann auch unbedingt die unterneh-
merische Sicherheit, damit es sich lohnt. Es kann
nicht sein, dass die Minister Altmaier und Rösler
einfach in laufende Verträge eingreifen. Denn
wenn ich nicht die Kalkulationssicherheit habe,
dann verzichte ich doch lieber auf die Investition
und lasse die Dächer so, wie sie sind. Damit lie-
gen 70.000 m
2
Flachdach mit rund 1,5 MW peak
Leistungsvolumen brach!
Lukas Siebenkotten:
Ichmöchte auf einen grund-
sätzlichen Aspekt hinweisen. Das eigentliche Ziel
der Energiewende ist ja nicht das Energiesparen,
sondern die Reduktion des CO
2
-Ausstoßes. Jetzt
nehmen wir mal an, wir schaffen es, ganz auf
regenerative Energiequellen umzusteigen, und
erreichen so die paradiesischen Zustände, in denen
uns nur noch Wasserkraft und Windkraft beglü-
cken. Dann ist doch die Frage, wie viel Energie
wir verbrauchen, egal.
Jürgen Steinert:
Wollen Sie damit andeuten, dass
in demAugenblick, in demwir die CO
2
-Emissionen
deutlich reduziert haben, unser ganzes Dämmen
der Häuser und Fassaden nutzlos ist?
Lukas Siebenkotten:
Das ist jetzt zu hart for-
muliert.
Jürgen Steinert:
Gelegentlich muss man provo-
zieren. Umdas konkret zumachen: Der Eisenbahn-
bauverein Harburg eG realisiert ja in Hamburg den
größten Eisspeicher der Welt.
Wenn es der Genossenschaft tat-
sächlich gelingt, mithilfe dieser
innovativen Technologie nicht
nur die Heizkosten deutlich zu senken, sondern
auch den CO
2
-Ausstoß massiv zu reduzieren...
Thomas Kleindienst:
...dann können wir wieder
mit Benzinautos herumfahren.
Jürgen Steinert:
Auf jeden Fall stellt sich die Fra-
ge der Energieeffizienz ganz neu!
Axel Gedaschko:
Das ist eine sehr wichtige Fra-
ge. Es geht dabei ja auch um viel Geld. Eigent-
lich ist die ganze Debatte um Energieeffizienz
zu einem Kampf der Lobbyisten verkommen, in
dem Dämmstoffproduzenten, Anlagenhersteller
und andere Sparten um den größten Marktanteil
ringen. Dabei ist es letztlich völlig egal, wie wir
das Ziel erreichen, ob mit Dämmstoffen oder mit
technischenMaßnahmen. Allerdings: Selbst wenn
sich die Technologien weiterentwickeln, müssen
wir trotzdemdie Energiesenken beseitigen. Wenn
unsere Wohnungen Energieschleudern sind, wer-
den wir mit den heute verfügbaren technischen
Systemen nicht auch nur annähernd zumZiel kom-
men. Das heißt aber nicht, dass es zwingend nötig
ist, das Haus komplett einzupacken. Wir müssen
vielmehr darüber nachdenken, ob es nicht aus-
reicht, das Dach und den Keller zu dämmen und
vielleicht noch die Fenster auszutauschen. Denn
das, was dann noch bis zum Ziel fehlt, können wir
mit Sicherheit auch durch andereMaßnahmen er-
reichen.
Frank Bielka:
Vielleicht diskutieren wir im Mo-
ment über eine Situation, die sich schnell ändern
kann. Wenn das Fracking dazu führt, dass auf ein-
mal wieder Energie imÜberfluss da ist, dann greift
zumindest das Kostenargument in weiten Teilen
nicht mehr. Dann gibt es zwar immer noch das CO
2
-
Argument, aber das beeindruckt nicht allzu viele
Menschen. Es kann also sein, dass wir eine ganze
andere Problemlage bekommen, wenn Energie auf
einmal wieder billig sein sollte.
Jürgen Steinert:
Ich darf zusammenfassen. Für
die Unternehmer, die hier am Tisch sitzen und die
jeden Tag die Verantwortung für Investitionen
tragen, ist die Frage des Grenznutzens entschei-
dend. Dabei stellen wir fest, dass die Vorschriften
der Politik eine übermäßige Kostenbelastung für
Verbraucher und Mieter verursachen. Wir müssen
aufpassen, dass die Grenzen des Vernünftigen
und Bezahlbaren nicht durch politische Aktio-
nen und Vorschriften überzogen werden – wo-
bei wir gelegentlich den Eindruck haben, dass
die Grenzen bereits überschritten worden sind.
Deshalb müssen wir informieren und aufzeigen,
was machbar ist und was nicht. Wenn also unser
Gespräch einen Beitrag dazu liefern kann, dass
Politiker unsere Ausführungen lesen und wenn
irgend möglich daraus Konsequenzen für ihr poli-
tisches Handeln ziehen, dann wäre das Optimum
erreicht. Und damit bedanke ich mich für Ihre
Wortbeiträge.
„Der Energieausweis spielt in der Vermietung eine
Rolle von knapp über null.“
Frank Bielka
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6|2013
ENERGIE UND TECHNIK