Als ehemalige Arbeiterwohnungsbaugenos-
senschaft standen wir nach der Wende vor
der Herausforderung, uns auf die neue Zeit
einzustellen. Ein wichtiger Punkt war dabei
die energetische Sanierung. In den ersten
zehn Jahren investierten wir insgesamt rund
1 Mrd. DM in unsere 10.000 Wohnungen
und erreichten damit bis heute eine Halbie-
rung der Energiekosten für Warmwasser und
Heizung. Zugute kam uns dabei die indus-
trielle Bauweise, die für die energetische Sanierung gut geeignet ist. So
schafften wir es, den durchschnittlichen Verbrauch auf 70 kWh/m
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/a zu
senken.
Weil unsere Häuser bereits nachhaltig energetisch saniert sind, ist das heu-
tige Verbesserungspotenzial nur noch minimal. Wenn wir die Häuser heute
noch einmal anfassen würden, müssten wir quasi von vorne anfangen und
dabei erhebliche Werte vernichten, was von keinem Mieter und keinem
Mitglied akzeptiert würde. Wir haben beschlossen, die Mieten bis 2018
nicht mehr anzupassen und auf dem gegenwärtigen Niveau zu belassen.
Neubau ist für uns im Moment kein Thema. Wenn wir trotzdem einen Neu-
bau angehen würden, dann würden wir wahrscheinlich ein KfW-70-Haus
errichten. Was darüber hinausgeht, ist objektbezogen unwirtschaftlich.
Wir müssten sonst ein Nutzungsentgelt von etwa 12 €/m
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und mehr ver-
langen, was in Lichtenberg kaum durchsetzbar ist.
Als Genossenschaft ist uns vor allem ein Aspekt wichtig: In erster Linie
geht es uns um die Mitglieder. Und für diese ist die tatsächliche, technische
Versorgungssicherheit ein entscheidender Punkt. Unsere Mitglieder sind
im Durchschnitt über 60 Jahre alt, und die durchaus reale Möglichkeit,
dass es zu einem längeren Stromausfall (Blackout) kommen könnte, stellt
für sie eine wirkliche Bedrohung dar. Man muss sich das einmal konkret
vorstellen: Der Strom ist ausgefallen, die älteren Mieter können nicht tele-
fonieren, es gibt kein Wasser, keine Heizung, den Hausmeister können sie
nur zu Fuß erreichen und müssen dafür durch das stockdunkle Treppenhaus
schleichen – das ist eine wirklich desaströse Vorstellung. Wir wollen den
Mitgliedern nicht Angst machen, aber wir übergeben ihnen dafür präventiv
eine Dynamotaschenlampe mit WGLi-Logo und werden ein Notfallkonzept
ausarbeiten. Im Fall der Fälle haben sie dann wenigstens Licht in der Woh-
nung, um sich zurechtzufinden. Zur Frage der technologischen Entwick-
In Wien erleben wir einen starken Zuzug und
eine entsprechend starke Nachfrage nach
Wohnraum. Unsere zentrale Aufgabe ist und
bleibt es deshalb, Wohnraum zur Verfügung
zu stellen und Wohnhäuser neu zu bauen.
Die Verringerung des Energieverbrauchs und
die Steigerung der Energieeffizienz sind für
uns nicht Haupt-, sondern Nebenzweck. Um
einen Punkt aufzugreifen, auf den wir in der
Diskussion sicher noch eingehen werden:
Wir haben nicht die Absicht, Energieversorger werden zu wollen, schon gar
nicht für Dritte. Aus unserer Sicht liegt es primär in der Verantwortung der
Energieversorger, die in Österreich mehrheitlich im Eigentum der Gebiets-
körperschaften sind, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und einen
vernünftigen Wettbewerb zu garantieren. Allerdings sehe ich für die Zukunft
möglicherweise Chancen in gemischten Systemen, wobei man allerdings
vorher das Problem der Energiespeicherung und der Kosten lösen müsste.
Wir haben in Österreich derzeit einen Energieverbrauchspreis, mit dem
selbst unter Berücksichtigung von Netzentgelten und Pauschalbeträgen
keine derzeit bekannte und erprobte Stromerzeugungsmethode betriebs-
wirtschaftlich mithalten kann. Begünstigt sind wir in Österreich dadurch,
dass mehr als 50% des Stroms aus Wasserkraft stammen. Das ist eine völlig
andere Situation, als sie sich in Deutschland darbietet, und diese ermög-
licht es natürlich auch, in Österreich etwas lockerer mit dem Thema umzu-
gehen.
Strom wollen und werden wir also nicht erzeugen. Falls wir es – rein hypo-
thetisch gesprochen – doch tun würden, dann wäre es wegen der damit
verbundenen Subventionen betriebswirtschaftlich vernünftiger, ihn ins
Netz einzuspeisen, als ihn im eigenen Haus zu verbrauchen. Die zweite
Variante könnte man den Mietern und Genossenschaftsmitgliedern zwar
besser erklären, aber sie rechnet sich betriebswirtschaftlich einfach nicht.
Sinnvoll wäre es, wenn sich ein paar Genossenschaften zusammenschlie-
ßen würden. Denn es ist nicht wirklich effizient, wenn wir jetzt beginnen,
für jedes Haus mit 50 oder 100 Wohnungen ein eigenes Energiesystem
aufzubauen.
Bei uns in Österreich stellt sich die Situation also in einigen Punkten etwas
anders dar als in Deutschland. Aber um kein Missverständnis aufkommen
zu lassen: Wir verfolgen sehr genau, was sich in Deutschland tut. Und ich
denke, dass die Richtung stimmt. Vor allem bei jüngeren Leuten stellen
wir fest, dass sie aus Überzeugungsgründen sehr offen sind für neue Wege
der Energieversorgung. Trotzdem müssen sich gerade Genossenschaf-
ten immer wieder Rechenschaft ablegen, ob die ergriffenen Maßnahmen
betriebswirtschaftlich vernünftig sind oder nicht. Dann stellt man fest,
dass es Grenzen gibt, wo es betriebswirtschaftlich zu Lasten des Bewoh-
ners geht. Und da machen wir nicht mehr mit.
Prof. Dr. Herbert Ludl, Generaldirektor Solzialbau AG, Wien
„Wir wollen nicht Energieversorger werden“
Thomas Kleindienst, Kaufmännischer VorstandWGLi Wohnungsgenossenschaft Lichtenberg eG, Berlin
„Der Mieter will einfach nur wohnen“
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6|2013
ENERGIE UND TECHNIK