Seite 43 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_06

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PETER KAY – AUFGESPIESST
Statistik trifft Realität
Seit Jahresbeginn hat sich die Inflati-
onsrate auf den niedrigsten Wert seit
Dezember 2010 abgeschwächt: Im März
2013 lag sie nach Angaben des Sta-
tistischen Bundesamtes bei plus 1,4%
gegenüber dem entsprechendem Wert des
Vorjahres. Alles bestens also– oder? Auch
wenn die Statistik etwas anderes belegt,
die gefühlte Inflationsrate wird von vielen
Bürgern als deutlich höher empfunden.
Kein Wunder, denn die Dinge des täglichen
Bedarfes wie Nahrungsmittel, Bekleidung
und Haushaltsenergie haben sich wesentlich stärker verteuert als die
Verbraucherpreise insgesamt. Als Preistreiber Nummer eins haben sich
die Strompreise erwiesen. Sie sind innerhalb eines Jahres um 12,4 %
gestiegen. Besonders ärgerlich dabei ist die Tatsache, dass dieser
Kostenanstieg ausschließlich von der Politik zu verantworten ist. Zwi-
schenzeitlich liegt der Anteil von Steuern und Abgaben beim Haushalts-
strom bei 50%, im Jahr 2000 waren das noch knapp 30%. Für einen
Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresstromverbrauch von 3.500
kWh liegen die Stromkosten zum Teil schon über den Kosten für die
Erwärmung seiner Wohnung. Mieterhaushalte mit geringen Einkommen
werden damit überproportional belastet. Von der Energiewende zur
Energiearmut! So hatten wir uns das eigentlich nicht vorgestellt. Dass
die Nettokaltmieten innerhalb eines Jahres nur um 1,3% – und damit
unterhalb der allgemeinen Teuerungsrate – gestiegen sind, mag für die
Haushalte ein schwacher Trost sein. Für Vermieter, die sich im Vorfeld
der Bundestagswahl allerlei politischer Restriktionen ausgesetzt sehen,
ist das nur ärgerlich. Aber so ist das mit der Statistik: Lege ich eine
Hand auf eine heiße Herdplatte und halte die andere Hand in einen
Kühlschrank, befinden sich beide in einem durchschnittlich angeneh-
men Klima… .
Win-Win-Win-Situation durch Photovoltaik und Solarthermie
Solare Stromproduktion senkt Betriebskosten
Seit 1996 geht die Eisenbahnbauverein Harburg eG (EBH) den Weg der re-
generativen und dezentralen Stromproduktion. Die Genossenschaft nutzt
die Einspeisevergütung, um die Betriebskosten zu reduzieren.
„Wir lassen uns durch die negative Diskussion über sinkende Einspeisever-
gütungen nicht beeindrucken und verfolgen unser Konzept weiter“, sagt
Joachim Bode, Vorstandsvorsitzender der im Hamburger Süden angesie-
delten Genossenschaft. Durch Einspeisevergütung und günstige Kredite
ist der Betrieb der Solarstromanlagen nach Bodes Worten nach wie vor
wirtschaftlich. Die Harburger Genossenschaft hat sich früh auf den Weg
Richtung dezentrale Energieversorgung gemacht. Bereits 1996 wurden
die ersten Photovoltaikanlagen installiert.
„Wenn man früh vorangeht, gibt es großzügige Förderungen“, berichtet
Bode, dessen Genossenschaft 4.760 Mitglieder zählt und 3.200 Wohnun-
gen bewirtschaftet. Außerdem fielen so gut wie keine Betriebskosten an,
da die Anlagen nahezu wartungsfrei seien. Bis heute ist die Zahl der Solar-
stromanlagen auf 30 gestiegen. Darüber hinaus erzeugt das Unternehmen
Wärme in 15 solarthermischen Anlagen sowie Wärme und Strom in fünf
Blockheizkraftwerken.
Stromerlöse frei von Gewerbesteuer
Die addierte maximale Leistung aller Photovoltaikanlagen be-
trägt 350 kWp. Im Durchschnitt speist die Genossenschaft pro Jahr
300.000 kWh Solarstrom ins allgemeine Netz ein; das entspreche dem Be-
darf von etwa 120 bis 130 Wohnungen, rechnet Joachim Bode vor. Auch
in steuerlicher Hinsicht ist es für die Harburger Genossenschaft günstig,
dass man schon Mitte der 1990er Jahre auf die regenerative, dezentrale
Karte gesetzt hat. Die Einnahmen aus dem Betrieb der Solarmodule und
Blockheizkraftwerke sind frei von Gewerbesteuer und wirken sich auch
nicht steuerschädlich auf die Einnahmen aus der Vermietung aus. Was
heute eine hohe steuerrechtliche Hürde für den Einstieg in die dezentrale
Energieproduktion ist, war Mitte der 1990er Jahre noch nicht geregelt,
berichtet Bode. Damals holte das Wohnungsunternehmen eine so genann-
te „Anrufungsauskunft“ ein,
in der das Finanzamt fest-
stellte, dass die dezentrale
Stromproduktion gewerbe-
steuerfrei bleibt, weil die
Einnahmen den Genossen-
schaftsmitgliedern zugute
kommen sollten. Wollen
Wohnungsunternehmen
heute eigene Photovoltaik-
anlagen betreiben, drohen
die gesamten Mieteinkünfte
unter die Gewerbesteuer-
pflicht zu fallen.
Anders ist es im Falle der
Harburger Genossenschaft.
Sie kann dank der alten
Anrufungsauskunft des zu-
ständigen Finanzamtes die
Einspeisevergütungen für den Strom aus Solar- und Blockheizkraftwerken
dazu einsetzen, die Betriebskosten für die Mieter zu senken. Beispielhaft
rechnet Joachim Bode vor: In mehreren Gebäuden mit drei Photovolta-
ikanlagen und insgesamt 30 Wohnungen beliefen sich die allgemeinen
Betriebskosten im Jahr 2009 auf 27.300 €; diese Summe reduzierte sich
für die Mieter durch den Solarertrag um 1.100 €.
Im Falle der fünf gasbetriebenen Blockheizkraftwerke werden die Brenn-
stoffkosten um die Erlöse aus dem Stromverkauf reduziert. „Wir haben
eine Win-Win-Win-Situation“, freut sich Vorstand Bode, „die Genossen-
schaft hat einen Imagegewinn, unsere Mieter freuen sich über geringere
Nebenkosten und die Umwelt wird ebenfalls entlastet.“
Dieser Beitrag wurde uns freundlicherweise von der IVV immobilien vermieten verwalten
zur Veröffentlichung überlassen.
Quelle: Thomas Engelbrecht
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