WEG §§ 43 Nr. 4, 46
Werdende Wohnungseigentümer als
Beklagte einer Beschlussanfechtungs-
klage
Die Anfechtungsklage ist gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 WEG gegen alle
übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Da die Mitglieder einer
werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft die gleichen Rechte
und Pflichten wie Wohnungseigentümer haben, ist ein werdender
Wohnungseigentümer auch Beklagter einer Anfechtungsklage nach
§ 46 Abs. 1 S. 1 WEG. Wird der Beschluss einer werdenden Woh-
nungseigentümergemeinschaft angefochten und wird die Anfech-
tungsklage ausdrücklich nur gegen die eingetragenen Wohnungsei-
gentümer gerichtet, so ist die Anfechtungsklage unzulässig, da nicht
alle übrigen Wohnungseigentümer verklagt werden.
AG Wiesbaden, Beschluss vom 8.4.2013, 92 C 2752/11 – 819
Bedeutung für die Praxis
Das Gericht setzt für das Anfechtungsverfahren die neue Rechtsprechung
des BGH (Urteil vom 11.5.2012, V ZR 196/11, ZMR 2012, 711 zur Haus-
geldhaftung) um, wonach auch ein Erwerber von Wohnungseigentum, der
den Erwerbsvertrag vor Entstehen der Wohnungseigentümergemeinschaft
abschließt und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung eingetragen
wird, auch dann als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist, wenn
er den Besitz an der Wohnung erst nach dem Entstehen der Wohnungs-
eigentümergemeinschaft erlangt (vgl. Timme, MDR 2012, 1069). Die zu
verklagenden Eigentümer sind notwendige Streitgenossen (AG Wiesbaden
ZMR 2008, 165). Deshalb kann auch nicht nur der Teil der
Eigentümer verklagt werden,. der „gegen den Anfechten-
den gestimmt hat” (AG Wiesbaden ZMR 2008, 340).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BGB § 278; WEG §§ 22, 14
Dachausbau und Schäden am Sondereigentum; Mietausfallschaden
Ein Sondereigentümer muss sich das Verschulden seines Unternehmers im Verhältnis zum anderen Sondereigentümer nach Maßgabe von
§ 278 BGB zurechnen lassen (vgl. BGH, NJW 1999, 2108, 2109).
LG Hamburg, Urteil vom 6.3.2013, 318 S 66/12
Bedeutung für die Praxis
Zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft
besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem Schutz- und Treue-
pflichten der Eigentümer untereinander folgen. Es besteht grds. gegen
den Ausbauberechtigten ein schuldrechtlicher Anspruch auf die voll-
ständige und mangelfreie Durchführung des Ausbaus und widrigenfalls
Schadensersatzansprüche aus Pflichtverletzung (§§ 280 ff. BGB). Auch
bei Übertragung dieser Grundsätze auf das Verhältnis unter Sondereigen-
tümern kam im hiesigen Fall eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht.
Es fehlte an einer haftungsbegründenden Kausalität zwischen einer etwai-
gen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden. Es ist anerkannt,
dass ein Sondereigentümer sich das Verschulden seines Unternehmers
im Verhältnis zum anderen Sondereigentümer nach Maßgabe von § 278
BGB zurechnen lassen muss (vgl. BGH, NJW 1999, 2108, 2109). Wenn
hier die Abdichtung des Deckenbereichs gegen eindringende Feuchtigkeit
unzureichend gewesen ist, wodurch es – auch durch Beeinflussung von
Wind – zu dem Wasserschaden in seiner Wohnung kam, ist
die Haftung des Umbauenden für seine von ihm eingeschal-
teten Unternehmen dem Grunde nach zu bejahen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1-3
Erhebliche optische Veränderung
der Wohnungseigentumsanlage
1. Im Grundsatz kann auch eine bauliche Maßnahme, die eine op-
tische Veränderung der Wohnungseigentumsanlage bewirkt, eine
Gebrauchswerterhöhung darstellen und durch qualifizierte Mehrheit
beschlossen werden.
2. Dies setzt voraus, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verstän-
digen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die
voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert des Wohnungseigen-
tums nachhaltig zu erhöhen; an einer solchen sinnvollen Neuerung
wird es unter anderem dann fehlen, wenn die entstehenden Kosten
bzw. Mehrkosten außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil stehen.
3. Ist eine erhebliche optische Veränderung der Wohnungseigen-
tumsanlage weder als modernisierende Instandsetzung noch als
Modernisierungsmaßnahme einzuordnen, bedarf sie als nachteilige
bauliche Maßnahme der Zustimmung aller Wohnungseigentümer.
BGH, Urteil vom 14.12.2012, V ZR 224/11
Bedeutung für die Praxis
Nur eine negative Veränderung des optischen Erscheinungsbildes einer
Fassade stellt per se einen Nachteil im Sinne der §§ 14, 22 WEG dar. Aber:
Wären grds. auch erhebliche Änderungen des äußerlichen Erscheinungs-
bildes des Gebäudes nicht als nachteilig anzusehen, sofern man (oder das
Gericht) sie für vorteilhaft hält, könnten derartige Maßnahmen auch dann
mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden, wenn sie zu einer
Modernisierung des Gebäudes führten. Dies widerspräche
dann § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG, wonach es einer doppelt
qualifizierten Mehrheit für Modernisierungen bedarf.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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6|2013