WEG § 26; BGB § 242
Abberufung des Verwalters;
Beschlussnotwendigkeit bei
Verkehrssicherungsmaßnahmen
Hat der Verwalter in der Vergangenheit umstrittene Verkehrssiche-
rungsmaßnahmen ohne vorhergehenden Eigentümerbeschluss und
ohne Dringlichkeit veranlasst und zudem im Rahmes daraus resultie-
render Meinungsverschiedenheiten ein Verwaltungsbeiratsmitglied
zum Rücktritt aufgefordert und damit zum Ausdruck gebracht, dass
eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr
möglich erscheine, so hat er einen wichtigen Grund für eine Kündi-
gung zurechenbar geschaffen.
LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 2.10.2012, 16 S 11/12
Bedeutung für die Praxis
Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft in erster Linie Vollzugsor-
gan mit einem Ausführungsermessen im Rahmen der ordnungsgemäßen
Verwaltung (LG Itzehoe ZMR 2012, 724). Hieraus ergibt sich für alle
Maßnahmen, die über laufende, Eil- oder Notmaßnahmen hinausgehen,
eine Beschlussnotwendigkeit. So umfasst die Kompetenz des Verwalters
zu dringenden Instandsetzungsmaßnahmen nach § 27 Abs. 1 Nr.3 WEG
z. B. in der Regel nicht die Vergabe eines Auftrags zu einer umfassenden
Sanierung der Fassade (OLG Celle ZMR 2001, 642). Nur der Verwalter,
der in Vollzug eines Eigentümerbeschlusses eine Maßnahme durchführen
lässt, kann grundsätzlich nicht auf Beseitigung der von ihr ausgehenden
Beeinträchtigungen in Anspruch genommen werden. Es gehört auch unter
dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht zu den Aufgaben des
Verwalters, ohne Beschlussfassung der Eigentümer z. B. den Anschluss
eines Teileigentums auf Kosten der Gemeinschaft an das in
die Wohnanlage verlegte Kabel zu veranlassen (BayObLG
ZMR 2001, 822).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
BGB § 812, WEG § 2
Bereicherungsanspruch nach Ungül-
tigerklärung des Beschlusses über die
„Abrechnungsspitze”
Ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung der auf eine unwirk-
same Jahresabrechnung entrichteter Hausgelder ist nicht schon
durch das Wirtschaftswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft
ausgeschlossen.
AG Neuss, Urteil vom 19.12.2012, 91 C 3589/12
Bedeutung für die Praxis
Auch diese Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, beim Beschluss über
die Jahresabrechnung den Beschlussgegenstand richtig zu bestimmen. Es
kann nur mit Beschlusskompetenz über die Abrechnungsspitze – verstan-
den als Differenz zwischen Soll-Vorauszahlungen gemäß Wirtschaftsplan-
beschluss und Abrechnungsergebnis – beschlossen werden. Das bedeutet,
bei rechtskräftiger gerichtlicher Ungültigerklärung des Beschlusses über
die Jahresabrechnung können die aus anderem Rechtsgrund (Wirtschafts-
plan) geschuldeten Wohngelder nicht zurückverlangt werden. Die Woh-
nungseigentümer sind nämlich nicht berechtigt, bereits entstandene, aber
noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers
mit Stimmenmehrheit erneut zu beschließen und so neu zu begründen.
Ein dennoch gefasster Beschluss ist wegen fehlender Beschlusskompetenz
nichtig (BGH, Urteil vom 9.3.2012, V ZR 147/11, ZMR 2012, 642). Der
Beschluss über die Jahresabrechnung führt deshalb auch nicht zu einem
Neubeginn der Verjährung (BGH, Urteil vom 1.6.2012, V ZR 171/11, GuT
2012, 298). Der Wohnungseigentümer muss dennoch auf den anfechtba-
ren Beschluss über die Abrechnungsspitze erst einmal zahlen. Erst nach
erfolgreicher Anfechtung kann er die Abrechnungsspitze
zurückverlangen.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 21, 28
Finanzierungsbeschluss bei kostenintensiven Maßnahmen
Grundsätzlich muss bei kostenintensiven Maßnahmen ein (gesonderter/ausdrücklicher) Finanzierungsbeschluss ergehen.
Ein Beschluss ist noch als hinreichend klar und bestimmt anzusehen, wenn unter Heranziehung des weiteren Inhalts der Versammlungs-
niederschrift sich als nächstliegender Sinn der Bedeutung ohne Weiteres ergibt, dass die (weitere) Beauftragung zwecks Prüfung und ggf.
Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen auf diejenigen Vermögenseinbußen gerichtet gewesen ist, die durch die fehlerhafte Erstellung
der Jahresabrechnungen 2007 bis 2009 eingetreten sind.
LG Hamburg, Urteil vom 10.4.2013, 318 S 87/12
Bedeutung für die Praxis
Den Wohnungseigentümern steht zwar sowohl hinsichtlich des „Ob“
einer Maßnahme (Entschließungsermessen) als auch hinsichtlich des
„Wie“ (Auswahlermessen) ein aus dem Selbstorganisationsrecht der
Wohnungseigentümergemeinschaft abzuleitender, von den Gerichten
nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu. Dennoch ist
der Grundsatz zu beachten, dass bei kostenintensiven Maßnahmen ein
gesonderter Finanzierungsbeschluss ergehen muss (vgl. OLG München,
ZMR 2008, 233; LG Hamburg, ZMR 2012, 474 = ZWE 2013, 31). Dies gilt
insbesondere – aber eben nicht nur – im Zusammenhang mit umfangrei-
chen Instandhaltungsmaßnahmen, deren Finanzierung ggf. auch über die
angesammelte Instandhaltungsrücklage erfolgen kann und nicht nur über
vorhandenes (anderes) Verwaltungsvermögen und/oder eine Sonderum-
lage. Es bedarf – auch bei Verteilung der Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG
– zur ermessensfehlerfreien Entscheidung der Eigentümerversammlung
einer ausdrücklichen Regelung dazu, wie die mit der Durchführung der
Maßnahmen verbundenen Kosten gegenfinanziert werden, ob also Mittel
aus der Instandhaltungsrücklage entnommen werden, eine Sonderumlage
als Ergänzung zum Wirtschaftsplan erhoben wird oder das
(nicht auf die Rücklage) entfallende – liquide – Verwal-
tungsvermögen ausreicht.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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6|2013
RECHT