Seite 81 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_04

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ner diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie
dem Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter
darauf in irgendeiner Form zustimmend reagiert. Nach den tatsächlichen
Feststellungen stellen die von den Beklagten vorgetragenen (gegenüber
den Verhältnissen bei Vertragsschluss erhöhten) Lärmwerte keine hohe
Belastung dar. Unter Berücksichtigung dessen, dass sich die vermietete
Wohnung in der Berliner Innenstadt befindet, mithin in einer Lage, bei
der jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer
Dauer zu rechnen ist, haben die Beklagten diese (erhöhte) Lärmbelastung
redlicherweise hinzunehmen. Für die Annahme, die vereinbarte Miete sei
ab dem siebten Monat nach Eintreten der erhöhten Lärmbelastung gemin-
dert, ist ein sachlicher Grund nicht erkennbar. Denn eine vorübergehende
erhöhte Lärmbelastung stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer
jedenfalls dann, wenn sie sich – wie hier – innerhalb der in
Berliner Innenstadtlagen üblichen Grenzen hält, keinen zur
Minderung berechtigenden Mangel dar.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
WEG-RECHT
BGB §§ 195, 199, 214, 1004; WEG §§ 14, 22
Wohnnutzung des als „Boden”
bezeichneten Raums
Eine Nutzung zu Wohnzwecken des Raumes „Boden“ ist dann
zulässig, wenn diese dem diesem Raum nach den Vereinbarungen
zugewiesenen Nutzungszweck nicht entgegensteht. Maßgebend ist
insoweit, ob diesem Raum die – auch dinglich wirkende – Zweckbe-
stimmung „Boden“ zugeteilt worden ist oder ob es sich dabei um
einen Bestandteil der „Wohnung“ handelt. Nur bei einer zweckbe-
stimmungswidrigen Nutzung besteht ein Unterlassungsanspruch.
LG Hamburg, Urteil vom 6.2.2013, 318 S 57/12
Bedeutung für die Praxis
In der Teilungserklärung, der Gemeinschaftsordnung und/oder im
Aufteilungsplan finden sich oft Bestimmungen wie z. B. „Boden“, „Ab-
stellraum” o .Ä. Wenn ein solcher Raum im Sondereigentum in Form des
Wohnungseigentums steht, handelt es sich – als Zweckbestimmung im
weiteren Sinne – um zur Wohnnutzung bestimmtes Eigentum, § 1 Abs. 2
WEG. Etwas Abweichendes, eine Zweckbestimmung im engeren Sinne,
kann sich aus dem Aufteilungsplan oder Lageplan ergeben. Dieser ist
jedoch i.d.R. nicht vorrangig gegenüber der verbalen Beschreibung. Bei
Angaben im Lageplan handelt es sich meist nur um einen im wohnungsei-
gentumsrechtlichen Zusammenhang unverbindlichen Vorschlag zur Nut-
zung dieses Raumes. Wenn der Raum – nach baurechtlicher Genehmigung
– zu Wohnzwecken ausgebaut werden darf, spricht dies für zulässige
Wohnnutzung generell. Erst recht nach dem vorgesehenen Ausbau kann
der „Boden“ zu Wohnzwecken genutzt werden. Das Ausbaurecht ist ge-
rade darauf gerichtet, d. h. es umfasst eine entsprechende
Nutzungsbefugnis des Wohnungseigentümers (BayObLG,
NZM 1998, 524; NZM 2000, 1232).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
WEG §§ 21 Abs. 4, 26 Abs. 1, 27 Abs. 2 Nr. 2, 43, 45
Vollständige Übertragung der
Verwalteraufgaben auf Dritte
Auch der Verwalter selbst muss den Anforderungen an eine ord-
nungsgemäße Verwaltung genügen. Daran fehlt es, wenn er nicht
willens oder fähig ist, seinen Kernbereichsaufgaben als Verwalter
gerecht zu werden. Die mit der besonderen Vertrauensstellung des
Verwalters verbundene Höchstpersönlichkeit seines Amtes verlangt,
dass er für den Kernbereich seiner Tätigkeit verantwortlich bleiben
muss und schließt eine vollständige Delegation auf eine andere
Person aus. Bei der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Kern-
bereichsaufgaben des Verwalters handelt es sich um unverzichtbare
Grundsätze des Wohnungseigentumsrechts, die weder durch ver-
tragliche Regelungen noch durch einen bloßen Mehrheitsbeschluss
wirksam abbedungen werden können.
LG Karlsruhe, Urteil vom 7.8.2012, 11 S 180/11
Bedeutung für die Praxis
Das LG Karlsruhe erteilt dem „Phantom”-Verwalter (= Sub-Verwalter) zu
Recht eine klare Absage. Der Verwalter ist zur persönlichen Dienstleistung
verpflichtet. Er ist kein Werkunternehmer, der mit Subunternehmern
arbeiten darf. Selbstverständlich darf er Personal einschalten. Auch
muss bei einer Verwalter-GmbH nicht etwa immer der
Geschäftsführer die Versammlungen leiten. Aber nur ein
Verwalter „auf dem Papier” reicht eben nicht.
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
ZPO § 142; WEG § 44
Gerichtliche Anordnung zur Vorlage
der aktuellen Eigentümerliste
Bei einer Beschlussmängelklage muss das Gericht auf Anregung des
Klägers der Verwaltung aufgeben, eine aktuelle Liste der Wohnungs-
eigentümer vorzulegen, und die Anordnung nach Fristablauf gegebe-
nenfalls mit Ordnungsmitteln durchsetzen (§ 142 ZPO analog).
BGH, Urteil vom 14.12.2012, V ZR 162/11
Bedeutung für die Praxis
Für den Anfechtungskläger ist die Bezeichnung der übrigen Wohnungsei-
gentümer mit Namen und ladungsfähiger Anschrift erforderlich; sie hat
spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu erfolgen (§ 44
Abs. 1 Satz 2 WEG; BGH, Urteil vom 4. 3. 2011, V ZR 190/10, Rn. 11). Bei
großen Anlagen ist es für den Einzelnen sehr schwierig, an die erforderli-
chen ladungsfähigen Anschriften zu gelangen. Dem hilft jetzt der BGH ab,
indem der Verwalter insoweit in die Pflicht genommen wird. Dies ist pra-
xisgerecht, da er sowieso über diese Datensätze verfügen muss/sollte. Ein
solcher Zulässigkeitsmangel kann noch geheilt werden durch verspätete
Vorlage der Liste; dies hat allerdings im Einzelfall gemäß §
97 Abs. 2 ZPO Kostennachteile (Urteil vom 28. 10. 2011 –
V ZR 39/11, Rn. 10).
Dr. Olaf Riecke, Hamburg
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