Seite 80 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_04

Basic HTML-Version

Aufhebung der Ehe betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeits-
gerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 Buchst. a bis k ZPO genannten Sachgebiete, das Wohnungseigen-
tumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach
anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt. Mietsachen werden
von diesem – abschließenden – Ausnahmekatalog nicht umfasst. Mit §
266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Famili-
engerichte deutlich erweitert („Großes Familiengericht”). Damit sollen
bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu famili-
enrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem
Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses
stehen, ebenfalls Familiensachen werden. Ordnungskriterium dabei ist
nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts
zum Verfahrensgegenstand. Da (gewerbliche) Mietverhältnisse nicht
unter eine der in § 266 Abs. 1 FamFG genannten Spezialzuständigkeiten
fallen, können auch diese Rechtsverhältnisse als sonstige Familiensachen
zu qualifizieren sein, wenn der erforderliche Zusammenhang im Sinne
des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG gegeben ist. Vorliegend haben die Parteien
das Mietverhältnis während ihrer Ehe geschlossen. Das Mietobjekt be-
findet sich in dem Haus, das den Parteien auch als Ehewohnung gedient
hat. Unbeschadet der von der Klägerin bestrittenen Behauptung des
Beklagten, dass der Sohn der Parteien in die streitgegenständliche Ein-
liegerwohnung eingezogen sei, hat dieser nach dem Vortrag der Klägerin
jedenfalls die Möglichkeit (gehabt), das von dem Beklagten gemietete
Büro „stundenweise” zu benutzen – und zwar sowohl vor als auch nach
der Trennung der Parteien. Die Klägerin macht Mietzahlungen für die
Zeit ab September 2009 geltend, also dem Jahr, in dem sich die Parteien
getrennt haben. Aus alledem ergibt sich ein sachlicher Zusammenhang
zwischen Mietzinsforderung und Trennung bzw. Scheidung
der Ehe – und damit die Zuständigkeit des Amtsgerichts
(Familiengericht).
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB § 536c Abs. 2
Darlegungs- und Beweislast für die
Verletzung der den Mieter treffenden
Anzeigepflicht
Im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nach § 536c Abs. 2
Satz 1 BGB trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für
die Verletzung der den Mieter treffenden Anzeigepflicht (im An-
schluss an BGH, Urteil vom 17. Dezember 1986, VIII ZR 279/85, NJW
1987, 1072; Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 14. November 2001, XII
ZR 142/99, NJW-RR 2002, 515).
BGH, Urteil vom 5.12.2012, VIII ZR 74/12
Bedeutung für die Praxis
Zwar ist ein Mieter im Hinblick auf das Gebot von Treu und Glauben
daran gehindert, sich auf eine eingetretene Mietminderung zu berufen,
wenn und soweit dem Vermieter ein Schadensersatzanspruch gemäß
§ 536c Abs. 2 Satz 1 BGB wegen Verletzung der den Mieter treffenden
Pflicht zur (rechtzeitigen) Anzeige von Mängeln der Mietsache zusteht,
weil es – nach einem allgemein gebilligten Rechtsgrundsatz – einen Ver-
stoß gegen Treu und Glauben darstellt, wenn ein Gläubiger etwas for-
dert, was er sofort wieder zurückzugewähren hat. Ein Schadensersatz-
anspruch der Kläger scheitert vorliegend daran, dass sie den Beklagten
keine Verletzung der Anzeigepflicht nachweisen konnten. Sie haben die
Behauptung der Beklagten nicht widerlegt, diese hätten die aufgetre-
tenen Mängel bereits in den Jahren 2005 und 2006 – also rechtzeitig
vor Ablauf der werkvertraglichen Gewährleistungsfrist – angezeigt. Dies
geht zu ihren Lasten. Denn im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs
nach § 536c Abs. 2 Satz 1 BGB tragen die Kläger als Vermieter die
Beweislast für das Unterbleiben einer (rechtzeitigen) Mängelanzeige.
Da die Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht, also einer nega-
tiven Tatsache, bei den Klägern als Vermieter liegt, trifft die Beklagten
nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast, um den
Klägern die Beweisführung nicht unnötig zu erschweren. Dies bedeutet,
dass die Kläger nur solche Mängelanzeigen ausräumen müssen, die von
den Beklagten in zeitlicher, inhaltlicher Weise und räumlicher Hinsicht
spezifiziert worden sind. Unsubstantiierte Behauptungen zur Erfüllung
der Anzeigepflicht brauchen die Kläger dagegen nicht zu widerlegen. Es
bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, welcher Partei im Rahmen des
Ausschlusstatbestands des § 536c Abs. 2 Satz 2 BGB die
Beweislast für die (Nicht-) Erfüllung der Anzeigepflicht
aufzuerlegen ist.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 535, 536
Konkludente Beschaffenheitsverein-
barung; Minderung wegen Bauarbei-
ten; Umweltfehler
1. Zu den Voraussetzungen einer konkludenten Beschaffenheitsver-
einbarung in Bezug auf die Mietsache (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 23. September 2009, VIII ZR 300/08, NJW 2010, 1133).
2. Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, bestimmt sich der
zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand der Mietsache
nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des vereinbar-
ten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben.
3. Eine vorübergehende erhöhte Verkehrslärmbelastung aufgrund
von Straßenbauarbeiten stellt unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer
jedenfalls dann, wenn sie sich innerhalb der in Innenstadtlagen übli-
chen Grenzen hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel der
vermieteten Wohnung dar.
BGH, Urteil vom 19.12.2012, VIII ZR 152/12
Bedeutung für die Praxis
Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende
Willenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willens-
übereinstimmung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reicht es
jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen
auf die Mietsache einwirkenden Umstand – wie hier den in der Wohnung
zu vernehmenden Straßenlärm – in einer für ihn vorteilhaften Weise
wahrnimmt (etwa: „ruhige Lage”) und er sich (möglicherweise auch)
wegen dieses Umstands dafür entscheidet, die Wohnung anzumieten. Eine
einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme ei-
78
4|2013
RECHT