Seite 67 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_04

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Personen mit einer besonderen Interessenlage.
Das Ergebnis spiegelt zwar deren Standpunkt
wider, lässt sich aber nicht auf andere Bevöl-
kerungsgruppen übertragen. Zur Konzeption
einer Befragung gehören deshalb bei der Stich-
probenziehung die genauen Definitionen der zu
befragenden Gruppe und der Vorgehensweise
unbedingt dazu.
Wie läuft die Befragung ab?
Zum Befragungskonzept gehört auch die Festle-
gung der Vorgehensweise. Mündliche Befragun-
gen im persönlichen Gespräch oder am Telefon
bieten viele Vorteile gegenüber dem schriftlichen
Fragebogen: Verständigungsbarrieren können
leichter ausgeräumt werden, die Feldphase ist
vergleichsweise kurz und es ist möglich, während
des Gesprächs einzelne Aspekte gezielt zu vertie-
fen. Auf der anderen Seite sollte die Befragung
nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen und es ist
häufig mühsam, die aktuellen Telefonnummern
der Mieter zu ermitteln. Schriftliche Befragun-
gen sind hingegen bei umfangreichen Fragebögen
besser geeignet. Die Befragten können sich selbst
aussuchen, wann sie antworten wollen, und sich
auch mehr Zeit dafür nehmen. Andererseits wer-
den bei dieser Methode Menschen ausgeschlos-
sen, die Lese-, Schreib- oder Sprachprobleme
haben. Der Anteil der „Verweigerer“ ist höher und
die Feldphase dauert länger als bei mündlichen
Interviews.
Zwar haben sich durch den Einsatz von Online-
Befragungen die Kosten für schriftliche Um-
fragen reduziert – es fallen keine Druck- und
Portokosten mehr an –, doch auch Online-Be-
fragungen sind nicht frei von Problemen. So er-
fassen sie nur Menschen, die tatsächlich Zugang
zum Internet haben und E-Mails nutzen. Dies
sind aber gerade in der Gruppe der Älteren längst
nicht alle Mieter.
Die Wahl der Methode kann also die Qualität der
Ergebnisse einer Mieterbefragung beeinflussen.
So oder so ist es wichtig, während der Feldphase
einen Ansprechpartner für Mitarbeiter und Mie-
ter zu benennen, der für Hilfen und Erklärungen
zur Verfügung steht. Auch hat es sich – je nach
Fragestellung und Teilnehmergruppe – als sinn-
voll erwiesen, mit Anreizen wie beispielsweise
Gewinnspielen für die Beantwortung der Fragen
zu arbeiten.
Wie werden die Ergebnisse genutzt?
Wenn die Ergebnisse einer Mieterbefragung vor-
liegen, ist die Arbeit für das Unternehmen noch
nicht zu Ende. Im nächsten Schritt müssen die
Zahlen richtig interpretiert werden.
Ein Beispiel: Wohnungsunternehmen X stellt
fest, dass 16% der Mieter mit seinem Service
unzufrieden sind. Die Zahl allein ist noch nicht
besonders aussagekräftig, wenngleich sie schon
zeigt, dass es Verbesserungspotenzial gibt. Eine
genauere Interpretation wird im Branchenver-
gleich – dem Benchmarking – möglich. Hier zeigt
sich, dass im Durchschnitt von rund 40 anderen
befragten Unternehmen nur 4% aller Mieter mit
demService ihrer Vermieter unzufrieden sind. Vor
diesem Hintergrund wird klar, dass die 16% bei
Unternehmen X auf dringenden Handlungsbedarf
hindeuten.
Ein professionelles Benchmarking liefert also
wertvolle Erkenntnisse, setzt aber auch viel Er-
fahrung voraus. Nicht alle Befragungen sind ohne
Weiteres miteinander vergleichbar. Wer hier „Äp-
fel mit Birnen vergleicht“, läuft Gefahr, falsche
Schlüsse zu ziehen, die zu Fehlentscheidungen im
Unternehmen führen können.
Fazit
Aus der Interpretation der Ergebnisse leiten sich
die Handlungsempfehlungen ab. Hierfür ist Bran-
chenkenntnis eine wichtige Basis. Die Erfahrung
zeigt ferner, dass es sinnvoll ist, Mitarbeiter und
Mieter bei der Umsetzung einzubeziehen – z. B.,
indemman inWorkshops oder Versammlungen die
Ergebnisse diskutiert und gemeinsamMaßnahmen
entwickelt. Dieses Vorgehen steigert die Akzep-
tanz neuer Maßnahmen erheblich.
Insgesamt bleibt festzuhalten: Mieterbefragungen
setzenMethoden- und Branchenkompetenz sowie
Sorgfalt voraus. Standardbefragungen, die „quick
& dirty“ durchgeführt werden, sind zwar auf den
ersten Blick einfacher und günstiger. Im Ergebnis
können sie aber zu fatalen Fehleinschätzungen
führen, die das Unternehmen teuer zu stehen kom-
men. Gut gemachte Mieterbefragungen schaffen
dagegen sehr gute Fundamente, umUnternehmen
imWettbewerb erfolgreichweiterzuentwickeln.
Wohnung Zustand
Nachbarschaft und soziales Umfeld
Gebäude
Wohnumfeld
Service
Wohnung Art
Wohn- und Nebenkosten
Sonstiges
Angaben in %
0
20
40
60
80
100
11
12
7
14
6
10
5
6
4
16
3
2
2
4
2
1
Durchschnitt rd. 40 Unternehmen
Unternehmen X
GRÜNDE FÜR DIE UNZUFRIEDENHEIT IM BRANCHENVERGLEICH
Wohngebiet 1
Wohngebiet 2
Wohngebiet 3
Wohngebiet 4
Gesamtunternehmen
Anteil „sehr zufrieden” in %
0
20
40
60
80
100
28
8
16
33
21
SEHR ZUFRIEDENE MIETER. VERTEILUNG NACH WOHNGEBIETEN
Quelle: A+K
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4|2013