Seite 66 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_04

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Die Grenzen von „quick & dirty“
Über den Wert repräsentativer Mieterbefragungen
Befragungen – gerne kurzfristig und schnell – kommen immer mehr in Mode. Sie sollen Entscheidern
Stimmungsbilder und wichtige Informationen liefern sowie die Entscheidungsfindung erleichtern oder
getroffene Entscheidungen untermauern. Entscheidend ist hierbei die Qualität der Daten – und groß die
Gefahr, durch unsauber erhobene Zahlen verzerrte Ergebnisse zu erhalten, auf denen dann Investitionsent-
scheidungen fußen. Wie wird Repräsentativität erreicht? Wo liegen Stolperfallen? Und wie sind Ergebnisse
zu werten? Der Artikel klärt auf.
ProfessionelleMieterbefragungen liefernwichtige
Informationen zu Themen wie Kundenstruktur,
Wohnzufriedenheit, Mieterbindung undWohnmo-
bilität. Sie helfen dabei, Handlungsbedarfe zu er-
kennen undMaßnahmen passgenau zu entwickeln.
Sie können eine umfassende Bestandsaufnahme
sein oder einzelne Themen analysieren – wie z.B.
die Akzeptanz bestimmter Maßnahmen oder das
Image des Wohnungsunternehmens.
Egal, was das Ziel einer Befragung ist: Das Prinzip
„quick & dirty“ lohnt sich hier
nicht. Zu groß ist das Risiko,
Entscheidungen auf der Basis
falscher oder unzureichender
Daten zu treffen. Was also sind
die Voraussetzungen für tragfähige Ergebnisse?
Was wollen Sie wissen?
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Wohnungsunter-
nehmen führt eine Mieterbefragung durch und
gelangt zu dem Schluss, dass insgesamt 21% der
Bewohner „sehr zufrieden“ mit ihrer Wohnsitua-
tion sind. Dieses Ergebnis zeigt für sich genom-
men nicht unbedingt Handlungsbedarf an. Erst
der genaue Blick auf die einzelnen Wohngebiete
zeigt: Es bestehen große Unterschiede. Der ho-
hen Zufriedenheit der Bewohner in einem Gebiet
steht eine hohe Unzufriedenheit in anderen Ge-
bieten gegenüber. Während in Wohngebiet vier
ein Drittel der Mieter sehr zufrieden sind, sind es
in Wohngebiet zwei nur 8%. Dies zu erkennen,
ist von großer Bedeutung, um mit Maßnahmen
gegebenenfalls gegensteuern zu können. Nach
Gebieten zu differenzieren, ist aber nur möglich,
wenn die Umfrage von vornherein so angelegt war.
Die Daten nachträglich zu erheben, würde einen
erheblichen Mehraufwand bedeuten.
Gute Befragungen werden deshalb vom Ende her
gedacht: Was ist das Ziel der Befragung? Welche
Aspekte sollen untersucht werden? Welche Infor-
mationen sind dazu nötig? Welche Gebiete oder
besondere Mietergruppen sind zu berücksichti-
gen? Welche Fragen müssen wir stellen? Wer sich
hierfür die Zeit nimmt und sorgfältig arbeitet, der
investiert an der richtigen Stelle. Denn Mieterbe-
fragungen, die am Ende wichtige Informationen
vermissen lassen, verursachen viel Aufwand, ohne
den gewünschten Erfolg zu erzielen. Sie können
dem Unternehmen mehr schaden, als sie nützen.
Wen müssen Sie fragen?
Wer nur einen Straßenzug befragt, während das
Unternehmen Wohnungen an vielen verschiede-
nen Standorten hat, wird keine repräsentativen
Ergebnisse erhalten. Das zeigt das Beispiel auf
Seite 65 oben.
Genauso wird eine Befragung zum Thema „Al-
tersgerechtes Wohnen“ nur bedingt sinnvolle Er-
gebnisse zutage fördern, wenn unter 40-Jährigen
befragt werden. Auch eine Befragung, die nur von
9-16 h durchgeführt wird, würde diemeisten Be-
rufstätigen – und damit relevante Mietergruppen
– ausschließen.
Die Entscheidung, wer befragt werden sollte,
hängt also stark davon ab, was das Unternehmen
wissen möchte. Eine gute Befragung sollte hier
zielgenau sein, sie darf weder wichtige Gruppen
ausblenden noch unwichtige Gruppen einbezie-
hen. Hierzu noch ein Beispiel: Umherauszufinden,
warum die Mieterzeitung so wenig gelesen wird,
ist eine Umfrage per Fragebogen an sich ein gu-
ter Ansatz. Wird der Fragebogen allerdings in die
Zeitung integriert, erfasst die Umfrage nur die
Mieter, die die Zeitung ohnehin lesen. Nichtleser
werden nicht berücksichtigt.
Die so gewonnenen Erkenntnisse haben nur ge-
ringe Aussagekraft, weil die Gruppe der Befrag-
ten nicht repräsentativ ist. Deshalb
lassen sich die Daten nicht auf die
Gruppe aller Mieter übertragen. Das
ist in etwa so, als würde man die
Nutzer öffentlicher Verkehrsmit-
teln fragen, warum die übrigen Verkehrsteilneh-
mer lieber mit dem Auto fahren.
Insofern ist die Festlegung der Stichprobe – das
heißt: die Auswahl der Teilnehmer – ein ganz
entscheidender Faktor für die Qualität einer
Befragung. Fehler an dieser Stelle können zu
verzerrten und damit falschen Ergebnissen
führen. Dieser Fehler wird zum Beispiel oft bei
allgemeinen Online-Befragungen gemacht.
Es nimmt teil, wer möchte. Dies sind dann oft
Bettina Harms
und
Katrin Trunec
Analyse & Konzepte
Hamburg
Wer befragt werden soll, hängt davon ab, was das Unterneh-
men wissen möchte. Eine gute Befragung darf weder wichtige
Gruppen ausblenden noch unwichtige Gruppen einbeziehen.
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4|2013
MARKT UND MANAGEMENT