Seite 29 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_04

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Wohnungsneubau – vom Stiefkind zur Chefsache?
Bezahlbares Wohnen in der Stadt
In vielen Städten sind bezahlbare Wohnungen inzwischen Mangelware. Immerhin die Hälfte der deutschen
Bevölkerung wohnt in diesen Wohnungsmärkten. Entspannung ist nicht in Sicht, auch weil nicht ausreichend
neue preiswerte Mietwohnungen entstehen. Welchen Beitrag der Wohnungsneubau leisten kann und auf
welchen Ebenen an welchen Stellschrauben zu drehen ist, zeigt eine Studie im Auftrag bau- und wohnungs-
wirtschaftlicher Verbände auf. Auftaktbeitrag zu einer Serie zur Wohnraumförderung in den Bundesländern.
Weil die Haushalte im Durchschnitt immer kleiner
werden, steigt ihre Zahl und damit die Nachfrage
nachWohnraumauchmittelfristigweiter an – nach
aktuellenPrognosenbundesweit noch10bis15Jah-
re, so dass zu den derzeit rund 40 Mio. Haushalten
noch rund1Mio. hinzukommen. Da sichdasWohnen
inder Stadt zunehmender Beliebtheit erfreut, steigt
vor allem in den Großstädten die Nachfrage nach
Wohnraum. Die Folge: Es entstehen vornehmlich
im unteren und mittleren Preissegment zu wenig
neue Wohnungen. Daher steigen in stark nachge-
fragten urbanen Wohnungsmärkten die Wieder-
vermietungsmieten teils deutlich an. Das führt zu
steigendenWohnkostenbelastungen, diebesonders
Haushalte mit niedrigem Einkommen, zunehmend
aber auch mittlere Einkommen, betreffen.
Warum entstehen derzeit zu
wenig bezahlbare Mietwohnungen?
Zum einen: Wichtige Investoren, die früher für
einen Großteil des Neubaus an bezahlbaren Woh-
nungen gesorgt haben, sind teilweise weggebro-
chen. Bahn und Post, andere bundes- und landes-
eigene Unternehmen, aber auch große private
Firmen bauen schon seit langemkeineWohnungen
mehr. Viele ehemals gemeinwohlorientierteWoh-
nungsunternehmen sind zudemverkauft worden,
Wohnungsgenossenschaften erweitern kaumnoch
ihre Bestände. Auch kleinteiliger Mietwohnungs-
bau von Mittelständlern – z. B. als Altersabsiche-
rung – findet nur noch selten statt. Zum anderen:
Dass gerade von Mittelständlern oder kleineren
Genossenschaften kaumnochWohnungen gebaut
werden, liegt auch daran, dass Bauen zunehmend
aufwändig geworden ist: „Projektentwicklung für
Wohnungsbau? Das gab es früher gar nicht“, sagte
einer der befragten Experten. Heute geht es nicht
ohne hochgradige Professionalisierung. Hinzu
kommen Auflagen für baulicheMindeststandards,
die sich regelmäßig verschärfen – insbesondere
bei den Vorgaben durch die Energieeinsparver-
ordnung (EnEV).
Das alles verteuert das Bauen – aber nicht allein:
So sind die Bodenpreise in etlichen Städten teils
dramatisch angestiegen. Hinzu kommt: Die öffent-
licheWohnungsbau-Förderung durch zinsverbillig-
te Darlehen ist für viele Investoren derzeit nicht
besonders attraktiv. Aufgrund niedriger Kapital-
marktzinsen erscheint den Investoren freifinanzier-
ter Wohnungsbau ohne Auflagen oder Bindungen
offenbar als interessantere Alternative. Entspre-
chend werden neue Wohnungen zur Zeit vorzugs-
weise im gehobenen Segment gebaut.
Um unter diesen Voraussetzungen mehr Neubau
vor allem von preisgünstigen Wohnungen zu er-
möglichen, müssen Bund, Länder und Kommunen
gezielt auf die Rahmenbedingungen Einfluss neh-
men. Idealerweise geschieht dies imgemeinsamen
Schulterschluss.
Was können die Kommunen tun?
Hier muss Wohnungsbau Chefsache wer-
den. Ein entsprechender politischer Grund-
konsens muss formuliert, als Konzept
Arnt von Bodelschwingh
Regiokontext GmbH
Berlin
Prof. Dr. Götz von Rohr
Regiokontext GmbH
Berlin
Olaf Keßler
Regiokontext GmbH
Berlin
Schematische
Darstellung direkter
und indirekter Markt-
effekte beim Bau von
Wohnungen im mitt-
leren Preissegment
Quelle: RegioKontext
THEMA DES MONATS
Mittelbare
Entlastung des
mittleren/unteren
Marktsegments
Direkte Entlastung
des unteren
Marktsegments
indirekte Markteffekte
Suchen nicht mehr
im oberen
Marktsegment
direkte Markteffekte
Sie machen
eine teure
Wohnung frei
Sie machen gar keine Wohnung frei
(z. B. neuer Haushalt, Zuziehende)
Sie machen eine
preiswerte Wohnung frei
(die z. B. nicht mehr Ihren
Ansprüchen genügt)
Die Haushalte suchen
nicht mehr im mittleren
und unteren Segment
100 Wohnungen im
mittleren Mietenseg-
ment werden von 100
Haushalten mit mittlerem
Einkommen bezogen
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