Seite 12 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2013_04

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In Sonntags- oder Wahlkampfreden betonen
Politiker immer gern, die Städte seien Inte-
grationsmaschinen, die größten Integrati-
onsleistungen würden in Wohngebieten mit
preiswertemWohnungsbestand erbracht und
das Programm Soziale Stadt sei wie geschaf-
fen, die damit verbundenen Herausforde-
rungen für Quartiere und Gemeinwesen zu
bewältigen. Haben Sie das Gefühl, dies findet
im realen politischen Handeln eine ausrei-
chende Würdigung?
Gedaschko:
Das Programm Soziale Stadt ist
auch im diesjährigen Bundeshaushalt völlig un-
zureichend finanziell ausgestattet. Wiederum ist
die Verknüpfung baulich-investiver und sozialer
Maßnahmen nur eingeschränkt zugelassen. Diese
Verkürzung des Programmziels kritisieren wir seit
zwei Jahren, sie bedeutet faktisch das Aus für das
Soziale im Programm Soziale Stadt. Für die vie-
len, die sich intensiv dafür engagieren, Stadt- und
Wohnquartiere zu stabilisieren, ist die Ausstattung
des Programms einSignal dafür, wie stark die Politik
ihr Engagementwertschätzt. Die Entscheidungder
Haushaltspolitiker zeigt: Sie verkennendieHeraus-
forderungen, vor denen die Menschen und Unter-
nehmen inbenachteiligtenStadtquartieren stehen.
von Lojewski:
Rückblickend ist festzuhalten, dass
sowohl die integrativen Leistungen der Stadt als
auch das Programm „Soziale Stadt“ zu wenig Be-
achtung von Seiten der Politik erfahren haben. Kür-
zungen des Programmvolumens von einst 95Mio. €
auf aktuell 40 Mio. € machen deutlich, dass das
Thema in der Politik und der Öffentlichkeit noch
nicht präsent genug ist. Auch der zunehmende
Mangel vor allem an preiswertem Wohnraum in
vielen großen Städten führt zu Verdrängungsef-
fekten und einer Umstrukturierung des sozioöko-
nomischen städtischen Gefüges in Quartieren und
Städten. Handlungsbereiche für das Programm
Soziale Stadt gibt es somit genügend.
Was macht das Programm so besonders und
seine Projekte so sinnvoll?
von Lojewski:
Das Programm ermöglicht es
auf integrative Art und Weise, die örtlichen
Problemstellungen zu identifizieren und diese
anzugehen. Insbesondere die Möglichkeiten zur
Förderung von nicht-investiven Maßnahmen, zur
Unterstützung oder zumAufbau eines Quartiers-
managements, erweisen sich als elementar für
das Engagement vor Ort. Aufbauend auf dieser
Grundlage bilden sich oftmals viele weitere Ini-
tiativen, die von den Bewohnern imGebiet selbst
getragen werden – ein Beispiel guter integrierter
Stadtentwicklung.
Gedaschko:
Die durch das Programm geförder-
ten Vorhaben zeigen, wie sozialen Konflikten
innerhalb von Nachbarschaften, der sozialen
Entmischung sowie der krisenhaften Entwicklung
ganzer Wohnquartiere begegnet werden kann und
wie Integrationserfolge erzielt sowie nachhaltig
gesichert werden können. Sie machen den Akteu-
ren vor Ort Mut und regen zum Nachahmen an.
Was bedeutet die derzeitige Mittelausstat-
tung für die Zukunft des Programms Soziale
Stadt?
Gedaschko:
Die bereits das zweite Jahr wirken-
den Mittelkürzungen bei den Vorhaben zur Sta-
bilisierung benachteiligter Stadtquartiere und
Nachbarschaften führen immer offensichtlicher
zu Einbrüchen in der Stadtteilarbeit und den damit
verbundenen Investitionen. Viele über mehrere
Jahre angelegte städtebaulich, sozial-, bildungs-
und arbeitsmarktpolitisch integrierteMaßnahmen
laufen in den Quartieren aus, de facto werden in-
folge der Mittelkürzungen keine neuen Quartiere
Interview mit Axel Gedaschko
und Hilmar von Lojewski
Ist die Soziale Stadt in Gefahr?
Das Besondere am Programm Soziale Stadt ist der integrierte Blick auf die Problemlagen
benachteiligter Stadtteile und die Mobilisierung von Selbstheilkräften vor Ort. Dies gelingt durch
die mögliche flexible Kombination investiver und nichtinvestiver Mittel. Die vorgenommenen Kürzungen
im Programm und die Streichung dieser nichtbaulichen Mittel gefährden jedoch die Wirksamkeit der
notwendigen Maßnahmen in den Quartieren. Der GdW-Präsident und der Beigeordnete beim Deutschen
Städtetag, Dezernat Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr finden deutliche Worte.
Quelle: GdW
Axel Gedaschko
STÄDTEBAU UND STADTENTWICKLUNG
10
4|2013