Seite 72 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_09

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BGB § 536
Beweislast bei Minderung
Die Darlegungslast für die Erhaltung der Mietwohnung in einem zum
vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand trägt der Vermieter;
damit trägt er auch die Darlegungslast für eine Mangelfreiheit.
AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 10.7.2012, 409 C 192/11
Bedeutung für die Praxis
Die Vermieter waren nach Auffassung des Amtsgerichts darlegungs-
belastet für eine Mangelfreiheit der Wohnung. Mit dieser Auffassung
ging einher, es als unrichtig anzusehen, dass das Geltendmachen eines
Mangels und damit eine Minderung eine Einwendung darstellt. Nach
dem Gesetzeswortlaut komme das nämlich gar nicht in Betracht. Wenn
der Vermieter die Sache als Hauptpflicht in einem zum vertragsgemäßen
Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten habe, zudem eine Minderung
kraft Gesetzes eintritt, wie es § 536 BGB postuliert, so liege es eher fern,
die Behauptung des Mieters, es läge ein Mangel vor, als Einwendung zu
betrachten. Zivilprozessual stelle ein solcher Vortrag lediglich das (sub-
stantiierte) Bestreiten der Behauptung von Klägerseite dar, er hätte seine
Hauptpflicht aus § 535 BGB erfüllt, nämlich die Sache erhalten. Nur durch
diese Auffassung werde dem Gesetzeswortlaut Genüge getan.
Das Amtsgericht vertritt eine Mindermeinung. Nach absolut herrschender
Auffassung liegt die Darlegungs- und Beweislast für einen Mangel beim
Mieter. Eine andere Beweislastverteilung ist auch der
vom Amtsgericht in Bezug genommenen Entscheidung
des BGH in ZMR 2012, 536 f. nicht zu entnehmen.
Rechtsanwalt Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 543, 569 Abs. 3 Nr. 3; WoBindG § 10
Anpassungen der Kostenmiete und
kündigungsrelevanter Zahlungs-
verzug
§ 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist auf Anpassungen der Kostenmiete bei
preisgebundenem Wohnraum nicht entsprechend anzuwenden.
BGH, Urteil vom 9.5.2011, VIII ZR 327/11
Bedeutung für die Praxis
Nach § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB kann der Vermieter, wenn der Mieter rechtskräf-
tig zur Zahlung einer erhöhten Miete nach den §§ 558 bis 560 BGB verurteilt
worden ist, das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs nicht vor Ablauf von
zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung kündigen, wenn nicht die
Voraussetzungen der außerordentlichen fristlosen Kündigung schon wegen
der bisher geschuldeten Miete erfüllt sind. Bei preisgebundenemWohnraum
bestimmt sich eine Erhöhung der Nutzungsgebühr und der Nebenkosten-
vorauszahlungen nicht nach §§ 558, 560 BGB, sondern nach § 10 WoBindG
und entsprechender landesrechtlicher Vorschrift. Ob § 569 Abs. 3 Nr. 3
BGB nur Entgeltveränderungen bei preisfreiemWohnraum erfasst oder auf
Anpassungen der Kostenmiete bei preisgebundenemWohnraum entspre-
chend anzuwenden ist, ist umstritten und war höchstrichterlich noch nicht
entschieden. Der BGH hält die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung
des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf preisgebundenen Wohnraum für nicht gege-
ben. Dazu fehle es bereits an der erforderlichen Regelungslücke. Abgesehen
davon, dass schon der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift im Gesamtzu-
sammenhang der Kündigungsbestimmungen für eine restriktive Handhabung
der Vorschrift und damit gegen eine Analogiefähigkeit spreche, mache insbe-
sondere die Entstehungsgeschichte der Norm deutlich, dass
die Analogie auszuscheiden habe. Letzten Endes trifft der
BGH damit eine vermieterfreundliche Entscheidung.
Rechtsanwalt Heiko Ormanschick, Hamburg
ZPO § 750 Abs. 1 Satz 1
Fremdes Namensschild; keine
Einstellung der Zwangsräumung
Allein ein vom Vollstreckungstitel abweichender Name an der Woh-
nungstür und/oder am Briefkasten rechtfertigt noch keine Einstel-
lung der Zwangsvollstreckung.
LG Berlin, Beschluss vom 19.1.2012, 51 T 733/11
Bedeutung für die Praxis
Zwar darf der Gerichtsvollzieher nur gegen andere Personen als die
Vollstreckungsschuldner (Mieter) vorgehen, wenn auch gegen diese ein
Titel vorliegt. Jedoch sind die maßgeblichen Feststellungen hinsichtlich
der Besitzverhältnisse an dem zu räumenden Objekt im Räumungstermin
in der betreffenden Wohnung zu treffen. Die Feststellungen des Gerichts-
vollziehers in diesem Fall reichen dafür nicht aus. Hier lag keine Situation
vor, die mit der gebotenen Sicherheit die Schlussfolgerung rechtfertigte,
dass eine dritte Person, die nicht Titelschuldner ist, Besitz oder Mitbesitz
an den Räumen hatte, zu deren Räumung der Schuldner verurteilt worden
ist; Besitz bedeutet tatsächliche Sachherrschaft, getragen von einem
Besitzwillen. Hier konnte aber anhand des Türschildes und/oder der Be-
BGB §§ 554 Abs 3, 862 Abs. 1, 858;
ZPO §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 938 Abs. 1
Modernisierungsmaßnahme; Unter-
lassung; einstweilige Verfügung
Kündigt der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen entgegen § 554
Abs. 3 BGB nicht an und beginnt gleichwohl mit deren Durchführung,
kann der Mieter deren weitere Durchführung im Wege der einstwei-
ligen Verfügung unterbinden.
LG Berlin, Beschluss vom 12.03.2012 – 63 T 29/12 -
Bedeutung für die Praxis
Anders als im Hauptsachenverfahren bestimmt ein Gericht bei einem
einstweiligen Verfügungsantrag nach freiem Ermessen, welche An-
ordnungen zum Erreichen des vom Antragsteller verfolgten Zwecks
erforderlich sind. Daraus folgt eine Lockerung der Bestimmtheitsanforde-
rungen, so dass der Antragsteller nur sein mit der begehrten einstweiligen
Verfügung verfolgtes Rechtsschutzziel anzugeben hat, nicht aber eine
bestimmte Maßnahme. Dem Antragsteller stehe nach Auffassung des
erkennenden Landgerichts auch ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935 ff.
920 Abs. 2 ZPO zur Seite. Ein solcher ergebe sich bereits aus der Natur
des beantragten Unterlassungsanspruchs, da eine verbotene Eigenmacht
den Verfügungsgrund auch ohne gesonderten Vortrag
des Antragstellers stets indiziere und eine besondere
Dringlichkeit nicht erforderlich sei.
Rechtsanwalt Heiko Ormanschick, Hamburg
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RECHT