Seite 29 - DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT_2012_09

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Unternehmen spüren diese Verpflichtung viel-
leicht ein Stück weit stärker. Wir fühlen uns für
unsereMieter, aber auch für unsere Käufer imBau-
trägergeschäft und bei Kapitalanlegernwiederum
für deren Mieter in der Verantwortung.
Welche Standards legen Sie beim Thema In-
nenraumhygiene an und wie lassen sich diese
in der Baupraxis realisieren?
Bei der Joseph-Stiftung treffen wir anhand von
Überprüfungen und Zertifikaten der Hersteller
eine sorgfältige Materialauswahl hinsichtlich des
Emissionsverhaltens und anderer Eigenschaften
der Bauprodukte und schreiben diese entspre-
chend aus. Dann prüfen wir auf der Baustelle, ob
die bestellten Produkte auch tatsächlich eingebaut
werden. Nicht zuletzt lassen wir stichprobenartig
Raumluftmessungenmachen, bishermit sehr guten
Ergebnissen. In Zusammenarbeitmit demSentinel-
Haus Institut denkenwir zurzeit über eineVerfeine-
rung dieses Qualitätsmanagements nach. Denn zum
Beispiel in der Bestandssanierung gibt es einweites
Feld anWechselwirkungen zwischen alten und
neuen Materialien. Da müssen wir noch mehr
Wissen und Erfahrung sammeln.
Die Joseph-Stiftung baut auch Bildungs-
und Altenpflegeeinrichtungen. Ist Wohn-
gesundheit da ein Thema?
Ein großes! Überall wo Kinder beteiligt sind, sind
deren Eltern besonders aufmerksam, was die
Gesundheit angeht. Wir haben in Nürnberg eine
große Kindertagesstätte gebaut und dort mit
Zwischenmessungen der Raumluft geschaut, ob
wir auf dem richtigen, sprich dem schadstoffar-
men Weg sind. Das nützt natürlich auch den dort
Beschäftigten. Ähnlich ist es bei den von uns er-
richteten Gebäuden für Behinderte und bei Ein-
richtungen und Wohnungen für alte Menschen.
Spielen rechtliche und damit auch finanzielle
Risiken durch Schadstoff- oder Geruchsbelas-
tungen eine Rolle?
Nicht bei allen Kunden. Aber im höherpreisigen
Mietwohnungsbau und im Bauträgergeschäft ist
die Bereitschaft schon spürbar, bei solchen Prob-
lemen eher zum Rechtsanwalt zu gehen. Klar ist
aber auch: Wir wollen solche Schwierigkeiten erst
gar nicht entstehen lassen, auch nicht im miet-
preisgebundenen Wohnungsbau.
Welche Bedeutung haben Zertifikatewie DGNB
oder das Siegel Nachhaltige Wohnungswirt-
schaft?
Das DGNB-Zertifikat spielt in der organisierten
Wohnungswirtschaft aus Kostengründen keine
nennenswerte Rolle, außer vielleicht bei sehr gro-
ßen Bauträgerprojekten, die auch entsprechend
vermarktet werden.
Das Siegel Nachhaltige Wohnungswirtschaft
Artikel ab Seite 22), an des-
sen Ausarbeitung ich beteiligt war, steht noch
am Anfang. Hier gilt es für mehr Verbreitung und
Verständnis zu werben. Die Joseph-Stiftung hat
bislang ein gefördertes Mietwohnungsgebäude
probezertifizieren lassen, mit einem sehr ordentli-
chen Ergebnis. Das zeigt, dass manmit einer sorg-
fältigen Planung das Siegel bekommen kann, das
ja auch Anforderungen an die Innenraumhygiene
beinhaltet. Das eigentliche Thema ist aber ein
Kopfproblem: Wir müssen erkennen, dass unsere
Ressourcen begrenzt sind und dass nachhaltiges
Bauen kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit
ist. Wir reden zu häufig über Kosten und noch zu
wenig über Werte.
Wie und wo bekommen Sie als technischer
Geschäftsführer Informationen und fachliche
Unterstützung?
Natürlich in der DW, in Seminaren und in der Fach-
literatur. Besonders wichtig ist der Austauschmit
guten Fachleuten, Bauphysikern, Sachverständi-
gen, Gutachtern. In Sachen Wohngesundheit las-
senwir uns vomSentinel-Haus Institut in Freiburg
beraten (s. Artikel ab Seite 20). Dann natürlich die
Arbeitsgruppen in den verschiedenen Verbänden.
Man muss sich kümmern, das ist mühsam neben
dem Tagesgeschäft, aber die Entwicklung bleibt
nicht stehen.
Inwieweit honorieren Ihre Kunden Anstren-
gungen der Joseph-Stiftung zumwohngesun-
den Bauen und lassen sich eventuelleMehrkos-
ten amMarkt durchsetzen?
Man muss das zweigeteilt sehen. Mehrkosten
lassen sich nur im frei finanzierten Wohnungsbau
oder im Bauträgergeschäft durchsetzen, wo ent-
sprechende finanzielle Spielräume vorhanden
sind. Wir bauen aber auch für Menschen, die noch
kein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein ha-
ben. Das Ziel ist, Materialien amMarkt zu finden,
die gute wohngesunde Eigenschaften haben,
aber nicht teurer sind. Solche Produkte gibt
es. Da ist einiges an Erfahrung und Wissen
nötig. Das zu erarbeiten kostet, lohnt sich
aber. Ein Beispiel: Wenn in der Ausschrei-
bung an der richtigen Stelle die richtige
Formulierung steht, bekommen sie auch das
Produkt, das sie wollen. Natürlich muss man das
dann noch mal auf der Baustelle überprüfen. Es
müssen auch nicht unbedingt teure Ökoprodukte
sein, die gute Eigenschaften in Sachen Wohnge-
sundheit haben.
Bei welcher Mieterklientel sehen Sie Chancen
für eine Nachfrage nach wohngesunden Woh-
nungen?
Im geförderten Wohnungsbau stehen wir da
relativ am Anfang. Dort stehen das Angebot an
sich und der Preis im Vordergrund. Das heißt
nicht, dass es den Menschen egal ist. Die Kun-
den gehen ein Stück weit zu Recht davon aus,
dass auch in unseren preiswerten Wohnungen
ordentliche Materialien ordentlich verbaut sind.
Und nochmal: Wir haben in allen Marktsegmen-
ten die Verpflichtung und sollten daher keine
Unterschiede machen und auch bei begrenz-
tem Budget wohngesunde, sprich emissionsar-
me Bauprodukte einsetzen. Im höherpreisigen
Miet- und Bauträgergeschäft ist die Nachfrage
da, im preisgebundenen Wohnungsmarkt ist das
ein Thema, das von den Wohnungsbauunterneh-
men kommen muss.
Herr Zingler, vielen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Volker Lehmkuhl, Herrenberg.
Das 1948 vom Bamberger Erzbischof gestiftete kirchliche Wohnungsbauunternehmen hatte
ursprünglich die Aufgabe, nahe der innerdeutschen und tschechischen Grenze Wohnraum für
Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Ausgebombte zu schaffen.
Heute ist die Stiftung sowohl im Mietwohnungsbau als auch als Bauträger in ganz Oberfranken
aktiv, realisiert Bauprojekte im Sozialbereich und bietet über Beteiligungen zahlreiche Dienst-
leistungen an. Neu für das Unternehmen sind Aktivitäten in Regensburg: Auf dem Gelände der
ehemaligen Zuckerfabrik baut die Joseph-Stiftung zurzeit etwa 200 Wohnungen.
JOSEPH-STIFTUNG BAMBERG
Wir müssen dafür sorgen, dass die
Menschen in unseren Wohnungen
gesund bleiben.
Weitere Informationen:
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